# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Und jetzt alle!
       
       > Nichts ist katastrophaler als ein Appell an die Menge. Dies ist ein
       > Appell. An die Netzgemeinde. Oder die Zivilgesellschaft. Oder so.
       
 (IMG) Bild: Nicht so leicht zu bewegen: Menschenmassen.
       
       Niemanden könnte ich in eine stabile Seitenlage legen. Bei einer
       Herzmassage würde ich vollkommen versagen. Aber eines aus meinem
       Erste-Hilfe-Kurs habe ich mir gemerkt: Nichts ist katastrophaler als ein
       Appell an die Menge. Niemals höflich „Kann mal jemand einen Krankenwagen
       rufen?“ in eine Menge fragen. Um eine Horde Schaulustiger in Aktivposten zu
       verwandeln, muss man die Leute direkt ansprechen. Aufgaben verteilen. Sonst
       würden sie sich nicht zuständig fühlen.
       
       225 Tage ist es her, seit Edward Snowden sein Enthüllungs-Sperrfeuer zum
       überwachten Internet eröffnete. Ich habe seitdem sehr häufig an meinen
       Erste-Hilfe-Kurs gedacht.
       
       Denn nun wird ständig an digitale Mengen und irgendwelche Wirs appelliert.
       Jetzt müsse man doch mal. Gemeinsam. Hacker. Aktivisten. Blogger. YouTuber.
       Junge. Alte. Alle, die es immer schon gewusst haben. Alle, die sich von
       Post-Privacy-Aposteln zu Verschlüsselungs-Paulussen gewandelt haben. Sich
       wappnen, protestieren, Druck ausüben. Es ist ziemlich einfach, darüber zu
       schreiben, was passieren müsste, in Blogs und Gastbeiträgen.
       
       Trotzdem ist, außer ein paar Cryptopartys, nicht viel passiert. Vor der
       NSA-Massendatenkarambolage stehen alle wie paralysiert. Die wenigen, die
       etwas tun, bleiben meist allein. Vielleicht ist es einfach eine Illusion,
       dass ein Ruck durchs Netz geht. Dass alle, die da vor sich hinwurschteln,
       aufhören, hauptsächlich rechthaben zu wollen. Und damit aufhören, sich
       nicht betroffen genug oder zuständig zu fühlen.
       
       Nun hat Sascha Lobo in der FAZ mal wieder so ein verkapptes
       Müsste-man-mal-Stück abgeliefert. Nach wortreichen Ausführungen über
       kaputtes Internet und gekränkte Netzexperten endet auch sein Text mit der
       Aufforderung, es müsse ein neuer Internetoptimismus entwickelt werden. Von
       wem? Man müsste halt. Zivilgesellschaft. Netzgemeinde. Irgendwer kann da
       doch bestimmt. Oder so.
       
       ## Evgeny Morozov, der alte Grantler
       
       Am Mittwoch legte im selben Blatt Netzgrantler Evgeny Morozov nach. Er
       erfindet nicht nur das Wort „Cyberagnostizismus“, sondern fordert,
       „Milliarden in eine öffentliche Informationsinfrakstruktur“ zu investieren,
       um alternativen Diensten zu denen der Giganten aus dem Silicon Valley auf
       die Füße zu helfen.
       
       Der Staat also soll’s richten – das grenzt den Kreis der Adressaten ja
       immerhin auf 193 weltweit ein. Allerdings kann man sich natürlich fragen,
       wie das Internet blühen und gedeihen soll, wenn lupenreine Demokratien wie
       Weißrussland oder Iran mal so richtig in die Informationsinfrastruktur
       ihrer Länder investieren.
       
       Man kann sich fragen, ob ein Schlandnetz made in Germany es richten kann –
       besonders, wenn für das Thema Dobrindts zuständig sind oder Friedriche.
       Oder wer in den USA durchsetzen soll, dass die Regierung ein Netz bezahlt,
       das nach all dieser NSA-Spitzelei und Urteilen gegen Netzneutralität
       diesmal wirklich die Freiheit seiner Nutzer garantiert.
       
       Dass das doch eigentlich gar kein Problem wäre, wenn endlich mal alle
       zusammen … Man müsste doch nur … Am besten erst einmal einen Text darüber
       schreiben. In dem steht, dass man eben mal müsste.
       
       18 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Meike Laaff
       
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