# taz.de -- Ausschuss gegen Armut: Einer nur wird Bettlerkönig
       
       > Zur Armutsbekämpfung hat die Bürgerschaft einen neuen Ausschuss. Alle
       > Fraktionen hoffen auf Sachlichkeit. Der Zank um den Vorsitz aber deutet
       > auf Wahlkampf.
       
 (IMG) Bild: Wird Thema eines eigenen Bürgerschaftsausschusses: Armut in Bremen.
       
       BREMEN taz | Mit der Armut in Bremen kann es so nicht weitergehen – klar,
       das sagen alle. Obwohl Bremen in der EU zu den Regionen mit dem höchsten
       Bruttoinlandsprodukt gehört, ist die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich
       hoch. Fast ein Viertel der Bevölkerung ist von Armut gefährdet, jedes
       dritte Kind ist arm. Und: 2015 wird in Bremen gewählt.
       
       Heißer diskutiert wird das Thema wieder, seit Bürgermeister Jens Böhrnsen
       (SPD) in seiner Neujahrsrede ein „Bündnis gegen Armut“ ins Spiel brachte.
       Nun sprach die Linkspartei schon immer von Umverteilung durch
       Reichtumsbekämpfung und CDU-Fraktions-Chef Thomas Röwekamp regelmäßig von
       einer Enquêtekommission. Aus beidem wurde bislang nichts, dafür einigten
       sich alle Bürgerschaftsfraktionen auf Anregung der Union Ende März auf
       einen neuen ständigen „Ausschuss zur Bekämpfung und Prävention von Armut
       und sozialer Spaltung“. Allerlei Ziele sind vorgegeben und selbst im
       Sozialressort damit die Hoffnung verknüpft, nicht mehr allein
       verantwortlich gemacht zu werden, wenn es um Armut geht.
       
       Im Rahmen dessen, was auf Landesebene zu leisten ist, sollen bisherige
       Maßnahmen evaluiert, frühkindliche Bildung und Kinderbetreuung besser
       verzahnt, oder „sozioökonomische, strukturelle und individuelle Ursachen
       von Armut“ beraten werden. „Niederschwellige Beschäftigungsmaßnahmen für
       Langzeitarbeitslose“ stehen ebenso zur Diskussion wie günstiger Wohnraum
       oder die Teilhabe von Flüchtlingen. Bevor der Ausschuss nach den
       Osterferien startet, bedarf jedoch ein kleines Detail noch der Klärung: Wer
       wird diesen Ausschuss leiten?
       
       Darum nämlich zippeln und zanken sich SPD und CDU. Eigentlich wäre die
       Sache klar: Können sich die Fraktionen über den Vorsitz nicht einigen,
       sieht die Geschäftsordnung der Bürgerschaft die Besetzung nach festgelegtem
       „Rangmaßzahlenverfahren“ vor, das sich nach der Stärke der Fraktionen
       richtet. Doch seit die SPD Martin Korol wegen seiner sexistischen und
       antiziganistischen Ausfälle ausgeschlossen hat, haben sich die Verhältnisse
       geändert. Nach alter Zählung gehört der Vorsitz der SPD, nach neuer der
       CDU.
       
       In der Geschäftsordnung der Bürgerschaft ist der Fall nicht vorgesehen, der
       wissenschaftliche Dienst der Bürgerschaft bekam einen Rechercheauftrag. In
       elf von 16 Landtagen würden in diesen Fällen „die Sitzverhältnisse sowie
       die Frage des Vorsitzes neu überprüft werden“, heißt es in einer
       Stellungnahme vom 4. April. Die meisten Landtage würden dies sogar bei
       bestehenden Ausschüssen neu berechnen.
       
       Davon ist bei der CDU zwar bislang nicht die Rede, man sieht sich aber
       gestärkt: „Dr. Thomas vom Bruch wird den Ausschussvorsitz übernehmen,
       sofern die übrigen Fraktionen das auch so sehen“, erklärte
       CDU-Pressesprecherin Rebekka Grupe.
       
       Es bleibt abzuwarten, ob die SPD dies hinnimmt. Schließlich ist „soziale
       Gerechtigkeit“ ihr Kernthema. Ein von der Opposition geführter Ausschuss
       dazu könnte leicht zu einem medialen Dauerangriff auf die jahrzehntelange
       Regierungspartei werden – zumal in den Monaten vor der Wahl. Andererseits
       ist Armut gerade nicht das Feld, bei dem die CDU bei den Wählern punkten
       kann. Laut einer Umfrage der Grünen vom Januar sehen die Wählerinnen die
       Kompetenz bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Kluft zwischen
       Arm und Reich überwiegend bei der SPD. Die CDU liegt nur bei der
       Finanzpolitik vorn.
       
       Der Kampf um den Ausschuss ist daher wohl eher der Versuch, sich für eine
       von der CDU erhoffte große Koalition zu profilieren. Als in der
       Bürgerschaft im Januar über Armut diskutiert wurde, machte Röwekamp dabei
       erste Annäherungen und forderte etwa einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt
       für MigrantInnen und Flüchtlinge.
       
       8 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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