# taz.de -- Alkohol und Literatur: Befeuchtung aufs Allerfeinste
       
       > Der „Tag des deutschen Bieres“ und der „Weltbuchtag“ fallen beide auf den
       > 23. April. Anlass, sich über Gemeinsamkeiten Gedanken zu machen.
       
 (IMG) Bild: Es ist wunderschön
       
       Am Mittwoch begehen wir den „Internationalen Tag des Buches“. Und den „Tag
       des deutschen Bieres“. Ein wirrer Zufall, als fielen Führers Geburtstag und
       Ostern auf einen Tag? Mag sein, aber ein trefflicher! Denn Buch und Bier
       befeuchten einander aufs Allerfeinste. Natürlich, es gibt das eine oft auch
       ohne das andere.
       
       Aber man schaue nur auf die Literaturhauslesungen vom Betrieb
       ausgezeichneter Autoren in Räumen mit der Heimeligkeit eines
       Mehrzweckgemeindesaals, wo anämische Vortragende Bedeutungsschwangeres
       unverständlich in ein Mikro nuscheln oder wie bei einem Kasperletheater
       grotesk überzogen betonen, um dabei immer mal wieder ein Glas stilles
       Wasser an ihre Lippen zu führen, ohne je ordentlich daraus zu trinken.
       
       Lesungen, so leblos und unnütz wie eine von Maxim Biller angestoßene
       Debatte über die deutsche Gegenwartsliteratur. So elektrisierend wie die
       neuesten in Buchform gepressten Befindlichkeiten von Katrin Göring-Eckardt.
       So lustig wie ein Tag bei einem Veganer-Treffen. Kann man alles machen,
       kann man alles lesen, natürlich. Am besten allerdings, wenn man vorher viel
       Bier getrunken hat. Das hilft. Weit erfreulicher aber ist es, wenn alle
       gemeinsam und gleichermaßen picheln, bis der Zapfhahn quietscht.
       
       Wenn das Rauschhafte des Textes seine Entsprechung findet in berauschten
       Schreibern, Vorlesern, Publikum, Lesern. Denn gute Literatur ist das
       Gegenteil des puritanischen Gequakes nach Mäßigung, nach „weniger ist
       mehr“, nach „morgen muss ich aber wieder arbeiten gehen“. Nach einem
       wirklich guten Buch will man nie wieder arbeiten gehen. Nach einem wirklich
       guten Buch will man, dass überhaupt nie wieder irgendjemand arbeiten gehen
       muss.
       
       Literatur soll Exzess sein, wie ein Abend, der in einem gepflegten
       Restaurant beginnt und morgens um sechs im „Biertempel“ endet, wenn alle
       Dämme gebrochen sind wie die der eigenen Nieren, wenn man am Pissoir, den
       Kopf an die kühlenden Kacheln gelehnt, den gottverdammten Vögeln da draußen
       einen qualvollen, aber schnellen Tod wünscht, damit sie endlich das
       Getschilpe einstellen mögen, mit dem sie idiotisch einen neuen Tag
       freundlich begrüßen.
       
       ## Kein Rausch ohne Risiko
       
       Das kann selbstverständlich schiefgehen. Kein Rausch ohne Risiko, man muss
       seine Grenzen erkennen. „Dass das Bier in meiner Hand alkoholfrei ist, ist
       Teil einer Demonstration / gegen die Dramatisierung meiner
       Lebenssituation“, sang Sven Regener weise für Element of Crime, aber nicht
       ohne listig anzufügen: „Doch andererseits sagt man, das Schweinesystem ist
       auf nüchterne Lohnsklaven scharf / Darum steht da auch noch ein Whisky,
       weil man dem niemals nachgeben darf.“
       
       Nicht jedem allerdings gelingt es, der Dramatisierung der Lebenssituation
       Einhalt zu gebieten. Bedauerlich für die Betroffenen ist, für die Literatur
       womöglich ein Glücksfall. Nicht nur Klassiker wie Hemingway und Bukowski
       zeugen davon, man lese einfach „Schluckspecht“ von Peter Wawerzinek oder
       „Sucht“ von Simon Borowiak. Quantität ist das eine, etwas völlig anderes
       ist die Qualität. Da nimmt es nicht Wunder, dass der „Tag des deutschen
       Biers“ auf den Jahrestag des deutschen Reinheitsgebotes fällt.
       
       Natürlich ist der Bier-Dogmatismus vieler deutscher Gewohnheitstrinker
       schlicht albern – die meisten würden wahrscheinlich, auch wenn sie
       schwören, tot umzufallen, sollten sie jemals statt ihrer bevorzugten
       Industrieplörre wie, sagen wir, Veltins eine andere Industrieplörre wie,
       sagen wir, Beck’s trinken müssen, den Unterschied im Blindtest nicht einmal
       bemerken. Aber erfreulicherweise geraten ja auch zunehmend wieder
       handgebraute, lokale Biersorten ins Blickfeld, und ein bornierter Narr ist
       ohnehin, wer sich nicht auch an den absurden belgischen Biervarianten
       ebenso erfreuen kann wie am mexikanischen Reisbier.
       
       ## Perfekt inszenierte Ausgrenzung
       
       So betörend der Stoff, so unappetitlich ist das Völkisch-Nationale, das dem
       überbordenden Stolz auf das Reinheitsgebot mit der steten Betonung auf
       „deutsches“ anhaftet, und das nicht nur wegen der etymologischen Nähe zu
       „reinrassig“. Schon in der Grundanlage war das Reinheitsgebot immer zuerst
       die marketingtechnisch perfekt inszenierte Ausgrenzung des irgendwie immer
       schmuddeligen Ausländischen zur Maximierung des eigenen Profits. Und
       dennoch weiß man es in Zeiten industriell erzeugter Lebensmittel mit
       hanebüchenen Deklarationspflichten durchaus zu schätzen.
       
       Ein Reinheitsgebot für die Literatur dagegen gibt es nicht. Dabei sind die
       Folgen von Verunreinigungen höchst unerfreulich. Der unerträgliche Gestank
       des Buchschisses nach dem Konsum der Werke von Thilo Sarrazin, Henryk M.
       Broder oder Akif Pirinçci. Das Schädelweh nach dem Genuss von Gedichten von
       Günter Grass oder Romanen von Martin Walser. Der Hirnschwamm nach der
       Lektüre von Charlotte Link oder Margot Käßmann. Höchste Zeit wäre es,
       wenigstens die Beimengungen von offenkundig gesundheitsschädlichen Stoffen
       zwischen zwei Buchdeckel zu verbieten! Ein geeigneter Gedenktag wäre ja
       schon vorhanden.
       
       P.S.: Um der Frage in den Leserkommentaren, ob der Autor dieses Artikels
       beim Verfassen wohl besoffen gewesen sei, vorzugreifen: selbstverständlich.
       
       23 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heiko Werning
       
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