# taz.de -- Flüchtlinge in Berlin: Ende der Schonzeit
       
       > Markiert die Räumung des Breitscheidplatzes eine Zäsur in der Berliner
       > Flüchtlingspolitik? Die Gesprächsbereitschaft sei beendet, meint die
       > Opposition.
       
 (IMG) Bild: Das ist vorbei: Protest von Flüchtlingen vor der Gedächtniskirche.
       
       Als eine Zäsur in der Berliner Flüchtlingspolitik kritisieren Opposition
       und Flüchtlingsrat die Räumung der Mahnwache vor der Gedächtniskirche.
       „Dieser Politikwechsel ist schockierend“, sagte Georg Classen vom
       Flüchtlingsrat. Zwei Jahre lang habe das Land die Flüchtlingsproteste
       geduldet, bei denen die Flüchtlinge immer offen gegen die Residenzpflicht
       verstoßen hätten. Der Piraten-Abgeordneten Fabio Reinhardt hält die Zeit
       der – vorgeblichen – Gesprächsbereitschaft für beendet: „Die Proteste der
       Refugees sollen jetzt unsichtbar gemacht werden.“ Seine grüne Kollegin
       Canan Bayram sagte: „Jetzt weht ein anderer Wind.“ Ein Sprecher von
       Innensenator Frank Henkel (CDU) bestritt hingegen eine Zäsur.
       
       Am Dienstagmittag hatte die Polizei mit 120 Beamten elf Flüchtlinge
       festgenommen, die sich seit dem 11. Mai am Breitscheidplatz vor der
       Gedächtniskirche aufhielten. Dort hatten sie zuvor den evangelischen
       Pfarrer erfolglos um Kirchenasyl gebeten (siehe Text unten). Neun der
       Männer wurden sogleich nach Sachsen-Anhalt zurückgebracht, wo ihre
       Asylverfahren laufen, die übrigen beiden folgten am Dienstagabend.
       Offizieller Grund für die Festnahme war ein im Fernsehen geäußertes
       Bekenntnis, gegen die Residenzpflicht zu verstoßen. Gegen solche
       Gesetzesbrüche müsse die Polizei vorgehen, gab ein Sprecher als Begründung
       an.
       
       Diese Erklärung ist für die Kritiker von Innensenator Henkel wenig
       überzeugend. „Er hätte auch am Oranienplatz jederzeit die Möglichkeit
       gehabt, über Papierkontrollen und Residenzpflichtverletzungen Leute
       festzunehmen“, sagt Monika Herrmann, die grüne Bezirksbürgermeisterin von
       Friedrichshain-Kreuzberg. Auch in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule
       habe es genug Gründe gegeben, die Papiere der Flüchtlinge zu kontrollieren.
       „Residenzpflichtverletzungen kann man da sicher auch jeden Tag
       feststellen.“
       
       Warum also ging Henkel bislang nicht auch so am Oranienplatz vor, wo weiter
       Flüchtlinge demonstrieren? „Weil man den Protest dort politisch geduldet
       hat“, sagt Classen vom Flüchtlingsrat. Die CDU habe den Oranienplatz schon
       lange räumen wollen. Deren Kreuzberger Abgeordnetenhausmitglied Kurt Wanser
       sagte im RBB zur Polizeiaktion: „Das ist nicht die neue Strategie. Das ist
       nur konsequent.“ Bürgermeisterin Herrmann schloss nicht aus, dass die
       Polizei bald auch auf der nördlichen Platzseite aktiv wird, was ohne
       Zustimmung des Bezirks möglich sei.
       
       Der Piraten-Abgeordnete Reinhardt vermutet, die Räumung des
       Breitscheidplatzes könne ein Testballon des Innensenators in Richtung SPD
       sein. „Henkel will gucken, wie die reagieren.“ Um dann bald auch in
       Kreuzberg die Proteste abzuräumen? Henkels Sprecher Stefan Sukale sieht das
       anders: „Die Polizei stellt Identitäten wie am Breitscheidplatz fest, wenn
       konkrete Anhaltspunkte vorliegen“, sagte er. „Diese gibt es zurzeit am
       Oranienplatz nicht.“
       
       Die SPD als Koalitionspartner war offenbar nicht vorab über den
       Polizeieinsatz informiert. Ihr innenpolitischer Sprecher im
       Abgeordnetenhaus, Frank Zimmermann, äußerte sich vorsichtig zu der Aktion
       vom Dienstag: „Wir haben ja die gemeinsame Linie, dass wir keine erneute
       Verfestigung von Camps wollen.“ Zu den Vorwürfen von
       Flüchtlingsratsvertreter Classen und aus der Opposition sagte er: „Eine
       Zäsur im Umgang mit den Flüchtlingen kann ich nicht erkennen.“
       
       SPD-Integrationssenatorin Dilek Kolat mochte sich nicht äußern. In den
       vergangenen Wochen war von ihr zu hören gewesen, dass nicht jeder, der
       einen Platz besetzt, auch einen Anspruch hat, in Berlin zu bleiben.
       
       22 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
 (DIR) Susanne Memarnia
       
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