# taz.de -- Untersuchungsausschuss zu Edathy: Die Bundestagscops
       
       > Grüne und Linke schicken Fachleute, um Fehler des BKA im Fall Edathy zu
       > klären: Die Expolizisten Irene Mihalic und Frank Tempel. Ist das ein
       > Vorteil?
       
 (IMG) Bild: Die Quereinsteigerin steht für eine neue, undogmatische Generation: Irene Mihalic
       
       BERLIN taz | Das alte Leben hat einen Ehrenplatz bekommen. Irene Mihalic
       muss nur vom Schreibtisch aufschauen, dann blickt sie auf ihre ausrangierte
       Uniform. In der Ecke ihres Bundestagsbüros steht das Erinnerungsstück auf
       den Körper einer lebensgroßen Schaufensterpuppe drapiert: grüne
       Dienstjacke, senfgelbe Hose und die Schirmmütze mit Polizeistern. Nur
       Pistole und Handschellen fehlen jetzt am Gürtel.
       
       Erst zehn Monate ist es her, dass die Grünen-Politikerin ihre Waffe ablegte
       – nach gut zwei Jahrzehnten im Polizeidienst. Noch kurz vor ihrer Wahl in
       den Bundestag im vergangenen September schob sie Schichten bei der Kölner
       Autobahnpolizei. Jenseits von Nordrhein-Westfalen war die 38-Jährige bis
       dahin bestenfalls Fans von Reality-Dokus bekannt – schließlich jagte Irene
       Mihalic für die TV-Serie „Achtung Kontrolle!“ auf dem Beifahrersitz eines
       Zivil-BMW über die Autobahnen rings um Köln. Am Steuer saß ihr Mann Dennis,
       Autobahnpolizist wie sie. Ihre Rollen: zwei Vorzeige-Cops im Einsatz gegen
       Raser und Drängler.
       
       Die Quereinsteigerin steht für eine neue, undogmatische Generation, die
       abrüsten will zwischen ihrer Partei und den Uniformierten. Die
       Sicherheitsbehörden, sagt Mihalic, seien schließlich „nicht die Achse des
       Bösen“, die Grünen seien aber auch „nicht alle Steinewerfer“.
       
       Ob ihr erster großer Fall im Parlament wirklich zur Versöhnung beider Lager
       beträgt, ist allerdings fraglich. Als Obfrau der Grünen im
       Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre, der auf Antrag der Opposition am
       Mittwoch startet, soll Mihalic die Arbeitsweise der obersten Polizeibehörde
       durchleuchten und sich den in die Kritik geratenen Chef des
       Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, vorknöpfen.
       
       ## Die unangenehmen Fragen stellen
       
       Die Ausgangslage ist ungewöhnlich. Denn auch die Linke macht einen
       Expolizisten zum Aufklärer: Frank Tempel, 45 Jahre, früher beim Thüringer
       LKA im Einsatz. Tempel begann seine Laufbahn als DDR-Grenzschützer, bevor
       die Wende sie beendete. Später ging er zur Polizei. Dort klärte er erst
       Sexualdelikte auf, später Korruptionsfälle. 2000 trat er in die PDS ein, im
       Bundestag sitzt er seit 2009.
       
       Ist es wirklich von Vorteil, dass gerade sie die Fehler des BKA aufdecken
       sollen – weil sie die Behörde besser verstehen?
       
       Klar ist: Die unangenehmen Fragen an das BKA müssen Mihalic und Tempel
       stellen. Denn Union und SPD haben das Gremium bereits für überflüssig
       erklärt: Alle Fragen in der Affäre seien beantwortet. Auch die Opposition
       zögerte. In den Ausschuss schickt sie nun ihre zweite Reihe. Da kommt es
       gelegen, dass die bundespolitisch relativ unerfahrenen Mihalic und Tempel
       immerhin als Polizeikenner profiliert sind. „Ich bin wohl der Letzte bei
       uns“, sagt Tempel, „dem man vorwerfen könnte, polizeifeindlich zu agieren.“
       
       Der Thüringer gehört zu den Realos in seiner Partei, zählt den
       CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zu seinen Vorbildern. Bekannt wurde er
       jedoch für seine Forderung nach einer Cannabis-Freigabe. Eine rein
       pragmatische Haltung, wie Tempel sagt. Er habe in seiner Polizeiarbeit
       bemerkt, dass der Hanfkonsum wenig Schaden, aber viel Repression
       verursache. Im Landeswahlprogramm seiner Partei setzte er erstmals eine
       Passage zur Polizei durch – eine freundliche.
       
       ## „Moderne“ Sicherheitsbehörden
       
       Auch seine Oppositionskollegin Mihalic hat die Polizei zu einem politischen
       Schwerpunkt gemacht. Die Tochter einer Ungarin und eines Kroaten, als Kind
       eingebürgert, seit dem Realschulabschluss im Polizeidienst, stieß erst vor
       acht Jahren zu den Grünen. Sie unterstützt das neu gegründete Netzwerk
       PolizeiGrün, das sich um „moderne“ Sicherheitsbehörden und ein besseres
       Verständnis zwischen Partei und Polizei bemüht. „Ich unterstelle niemandem
       im BKA strafrechtlich relevantes Verhalten“, sagt Mihalic.
       
       Ihr gehe es darum, mit Hilfe des Ausschusses „das Vertrauen in das
       Bundeskriminalamt und die Politik wiederherzustellen“. Auch Tempel äußert
       sich vor der ersten Sitzung moderat. Er wolle nicht nach Schuldigen
       fahnden, sondern „strukturelle Mängel finden und beheben“.
       
       Der Untersuchungsausschuss als vertrauensbildende Maßnahme – das klingt
       gut, trifft es allerdings nicht ganz. Denn mindestens ein Zeuge dürfte
       großen Medienrummel im Bundestag verursachen: Sebastian Edathy. Mihalic
       setzt darauf, dass der Ex-SPD-Abgeordnete persönlich als Zeuge aussagt.
       Das, sagt sie nüchtern, habe er schließlich in einem Interview versprochen:
       „Wir nehmen ihn da beim Wort.“
       
       Der Mann hat aber nach wie vor Skandalpotenzial. „Er könnte uns sagen, ob
       er einen Tipp bekommen hat und von wem der Hinweis kam“, hofft Mihalic. Je
       nachdem, wie Edathys Antwort ausfällt, könnte sie durchaus über politische
       Schicksale entscheiden. Der blassen Opposition dürfte etwas Drama zulasten
       der Gegenseite nur recht sein – auch wenn Mihalic und Tempel das so nicht
       sagen, sondern lieber über Fachfragen reden.
       
       ## „Aktive Mitarbeiter sieht anders aus“
       
       Als Streifenpolizistin habe sie wenige Berührungspunkte mit dem BKA gehabt,
       berichtet Mihalic. Ein Muster aus dem eigenen Berufsalltag erkenne sie aber
       in der Edathy-Affäre wieder: den Versuch, Fehler stets zu vertuschen. „Im
       BKA gibt es offensichtlich die gleichen Mechanismen wie anderswo bei der
       Polizei.“ Nach außen versuchten alle, sich als „die perfekte, unfehlbare
       Einrichtung“ darzustellen. Diese Haltung habe auch der BKA-Chef bei den
       Befragungen im Innenausschuss ausgestrahlt.
       
       Auch Tempel ging Ziercke harsch an. „Aktive, transparente Mitarbeit sieht
       völlig anders aus“, sagte er im Bundestag. Zierckes Verhalten komme ihm als
       Kriminalisten bekannt vor: „Von Beschuldigten, die immer nur das zugeben,
       was offensichtlich ist.“
       
       Tempel und Mihalic nehmen die Behörde aber zugleich in Schutz. Sie erwarte
       gar keine Unfehlbarkeit, sagt die Grüne – vom Dorfpolizisten ebenso wenig
       wie vom BKA. Mihalic lässt sogar durchschimmern, dass sie die Haltung
       einiger Abgeordneter im Verlauf der Affäre zum Teil weltfremd fand. „Es ist
       menschlich, auch mal Dinge zu übersehen oder Aufgaben nicht nach der
       gesetzlichen Präzision zu erfüllen.“ Auch Tempel kündigte zwischenzeitlich
       an, wenn alles richtig gelaufen sei in der Affäre, könne „der Ausschuss
       auch zu diesem Schluss kommen“.
       
       Dieser Blick verschafft beiden sogar Anerkennung aus den
       Polizeigewerkschaften – traditionell keine Fans von Grünen und Linken. „Bei
       ihnen gibt es ein Grundverständnis unserer Arbeitsabläufe“, sagt Jürgen
       Vorbeck, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei beim BKA, mit Blick auf
       den Ausschuss. Dennoch erwarte er „keine Schutzfunktion“: „Als
       Parlamentarier sind sie ja nur ihrem Gewissen verpflichtet.“ Mihalic und
       Tempel bewegen sich auf einem schmalen Grat. Es ist leicht, eine der beiden
       Seiten zu verprellen. Als Tempel in die Linke eintrat, beäugten ihn die
       Polizeikollegen skeptisch – in umgekehrter Richtung galt das auch.
       
       Fehlende Beißhemmung gegen seine früheren Kollegen verneint er. Tempel
       klingt jetzt wieder wie ein Kriminalist: Im Fall Edathy, sagt er, gebe es
       „zu viele Zufälle und Indizien, dass dort etwas nicht rechtmäßig lief“. Das
       gehöre einfach aufklärt.
       
       Mihalic kennt auch den umgekehrten Vorwurf. In der Dienststelle bei der
       Autobahnpolizei fänden die Kollegen ihre Aufklärungsbemühungen zwar „ganz
       gut“. Je enger aber der Bezug der Kollegen zum BKA sei, desto stärker werde
       gemauert: „Wir haben nichts falsch gemacht, lass uns in Ruhe.“ Den Vorwurf,
       den Ausschuss zur politischen Profilierung zu nutzen, weist sie zurück.
       Ausgerechnet Polizisten, „die das Nest sauber halten wollen, als
       Nestbeschmutzer zu bezeichnet“, sagt Mihalic, das sei unfair.
       
       1 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Astrid Geisler
 (DIR) Konrad Litschko
       
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