# taz.de -- Massaker im Kongo: UNO hofiert Kriegsverbrecher
       
       > FDLR-Oberst André Kalume befehligte vor fünf Jahren eines der schlimmsten
       > Massaker im Kongo. Jetzt flog ihn die Uno als Unterhändler um die Welt.
       
 (IMG) Bild: UN-Blauhelmsoldat im Kongo.
       
       KINSHASA/GOMA taz | Wenn die Sonne aufgeht an der Grenze zwischen der
       Demokratischen Republik Kongo und Ruanda, ist Afrikas älteste
       grenzüberschreitende Kriegsfront ständig präsent. Im Osten erheben sich
       düstere erloschene Vulkane – hier beginnt Ruanda. Im Westen schimmern
       hinter der Savanne blaue kongolesische Bergketten im Morgenlicht – da oben
       verschanzt sich eine brutale Truppe: die ruandische Hutu-Miliz FDLR
       (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Von ihrem Rückzugsgebiet im
       Kongo aus bekämpft die Miliz schon seit Jahrzehnten die Regierung ihrer
       Heimat und drangsaliert dabei die kongolesische Bevölkerung.
       
       Die FDLR ist international als Terrororganisation gelistet, gegen sie
       gelten UN-Sanktionen, ihre politische Führung steht in Deutschland vor
       Gericht, ihr Militärchef wird vom Internationalen Strafgerichtshof mit
       Haftbefehl gesucht. Erst im März rief die UN-Mission im Kongo (Monusco) die
       Milizionäre der FDLR zum wiederholten Male auf, „unverzüglich“ die Waffen
       zu strecken oder „gewaltsam entwaffnet“ zu werden. Doch statt militärisch
       gegen sie vorzugehen, führt die Monusco jetzt mit einigen der schlimmsten
       Verbrecher der Miliz geheime Gespräche.
       
       Am 24. Juni landete oben in den blauen Bergen ein UN-Hubschrauber auf einem
       Fußballfeld. Der brisante Auftrag: Führungsmitglieder der FDLR aus dem
       abgelegenen Dschungeldorf Buleusa in der ostkongolesischen Provinz
       Nord-Kivu abholen. „Unser Präsident, sein Stabschef und zwei hochrangige
       Kommandeure wurden nach Kinshasa geflogen. Von dort aus sollte es weiter
       nach Rom gehen“, bestätigt FDLR-Sprecher Laforge Fils Bazeye der taz.
       
       Für einen der Milizionäre war die Reise allerdings schon in Kinshasa zu
       Ende: FDLR-Interimspräsident Brigadegeneral Victor Byiringiro, der auch
       unter dem Kriegsnamen Rumuli bekannt ist, durfte nicht ins Flugzeug
       Richtung Rom steigen. Der UN-Sicherheitsrat hatte gegen den Mann bereits
       2007 ein Reiseverbot verhängt, und die Regierung Ruandas, die auf den Plan
       aufmerksam geworden war, erhob lautstarken Protest.
       
       Denn in der FDLR tummeln sich bis heute mutmaßliche Täter aus der Zeit des
       ruandischen Völkermords von 1994. Dass der Präsident dieser Truppe nun
       trotz UN-Strafmaßnahmen per Freiflug nach Europa reisen sollte – das ging
       dem zuständigen UN-Sanktionsausschuss zu weit.
       
       ## Reisepapiere und italienische Visa
       
       Die anderen aber durften nach Italien: FDLR-Stabschef David Mukiza sowie
       die FDLR-Militärkommandeure Oberst Jean-Paul Muramba und Oberst André
       Kalume. Sie erhielten kongolesische Papiere, da die ruandischen Rebellen
       keine Reisepässe besitzen, und italienische Visa, zu denen ihnen die UNO
       verholfen hatte. Ihren Flug mit Brussels Airlines bezahlte die gastgebende
       katholische Kirchengemeinde Sant’Egidio in Rom.
       
       Die beiden Kommandeure sind mutmaßliche Kriegsverbrecher. Oberst Kalume,
       mit richtigem Namen Lucien Nzabamwita, befehligt die Reservebrigade der
       FDLR und ist für ein Massaker verantwortlich, bei dem in der Nacht zum 10.
       Mai 2009 im ostkongolesischen Dorf Busurungi mindestens 96 Kongolesen
       [1][grausam getötet], schwangeren Frauen die Embryos aus dem Leib schnitten
       wurden. Es ist eines der schlimmsten Kriegsverbrechen, das die FDLR
       begangen hat.
       
       Kalume plante den Angriff und gab vor Ort die Einsatzbefehle, wie Kämpfer
       seiner Brigade berichteten, die später desertierten. „Erschießt alle,
       brennt Busurungi nieder!“, habe er angeordnet. Als Busurungi in Schutt und
       Asche lag, schickte er via seinen Vorgesetzten einen Bericht über das
       Massaker an FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka nach Deutschland.
       
       Unter anderem wegen Busurungi stehen Murwanashyaka und sein Vize Straton
       Musoni seit 2011 in Stuttgart vor Gericht. Derweil fliegt die UNO den
       verantwortlichen Offizier aus dem Kongo nach Italien und hinterher
       unbehelligt wieder zurück ins Kriegsgebiet.
       
       Auch Oberst Muramba alias Junior Hamada ist für seine Grausamkeit bekannt:
       Er ist als Kommandant der FDLR-Einheiten in der Provinz Süd-Kivu für alle
       Attacken der Hutu-Milizen dort direkt verantwortlich. Als vierter Mann im
       FDLR-Team kam nach Angaben der Organisation ihr „Außenminister“ Djuma
       Ntambara Ngirinshuti dazu, der in Frankreich lebt.
       
       ## FDLR stellt Forderungen
       
       Am 26. Juni versammelte sich die FDLR-Delegation in den heiligen Hallen der
       katholischen Gemeinde Sant’Egidio im Stadtzentrum Roms. Die 1968 gegründete
       katholische Laienorganisation hat eine lange Geschichte als Vermittler in
       afrikanischen Kriegen. Die FDLR hat eine innige Beziehung zur katholischen
       Kirche. Es gibt kaum einen Kämpfer, der keinen Rosenkranz um den Hals
       trägt. Sonntags wird an allen Frontstellungen gebetet.
       
       Unter der Ägide von Sant’Egidio waren bereits 2005 Vertreter der Regierung
       des Kongo und der FDLR in Rom an einen Tisch geholt worden. Damals bekamen
       die Milizionäre von der kongolesischen Regierung eine Viertel Million
       Dollar zugesteckt – als Schmiermittel, um den bewaffneten Kampf aufzugeben.
       Die FDLR nutzte das Geld, um ihre Kämpfer zu bezahlen und aufzurüsten. Es
       sollte nicht das erste und nicht das letzte Mal sein, dass die
       Kirchenvertreter von Sant’Egidio faktisch halfen, Geld für die FDLR
       einzutreiben.
       
       Jetzt, neun Jahre und unzählige FDLR-Massaker später, wiederholt sich
       dasselbe Spiel: Wieder versammelt sich die FDLR-Delegation in denselben
       Hallen von Sant’Egidio. Wieder sind auch Vertreter von Kongos Regierung
       dabei, und diesmal auch hohe Diplomaten, darunter Martin Kobler, der
       deutsche Chef der UN-Mission im Kongo.
       
       Die FDLR-Vertreter hätten in Rom gefordert, von der Regierung in Ruanda als
       gleichberechtigte Gesprächspartner akzeptiert zu werden, berichtet ein
       anderer Teilnehmer des streng vertraulichen Treffens gegenüber der taz.
       Außerdem verlangten sie Kommandoposten in Ruandas Armee. Die bei dem
       Treffen anwesenden Diplomaten hätten sich dafür aber für nicht zuständig
       erklärt. Sie erinnerten an das UN-Mandat, bewaffnete Gruppen im Kongo zu
       „neutralisieren“. Man fordere die FDLR auf, ihre Waffen abzugeben.
       
       ## Eher symbolische Schritte
       
       „Alle Kämpfer müssen sich ergeben und alle ihre Waffen abgeben“, bekräftigt
       auch Monusco-Militärsprecher Felix Basse. Angesichts der Drohungen der
       UN-Mission, notfalls auch mit Gewalt gegen die FDLR vorzugehen, hat die
       Miliz bislang eher symbolische Schritte unternommen: Am 30. Mai und am 9.
       Juni übergab sie bei zwei Zeremonien im Ostkongo feierlich 181 ihrer
       Kämpfer in die Obhut der UNO.
       
       Es war immerhin das erste Mal, dass die FDLR freiwillig Kämpfer der UNO
       überließ. Bislang mussten FDLR-Milizionäre desertieren, um sich
       demobilisieren zu lassen und nach Ruanda zurückkehren zu können – über
       11.000 haben das in den vergangenen elf Jahren getan.
       
       Nun hoffen die UNO-Diplomaten, dass auch der Rest der auf knapp 1.500
       geschätzten FDLR-Kämpfer in den kommenden Monaten die Wälder verlässt. Sie
       sollen erst einmal nahe der ostkongolesischen Stadt Kisangani in einem
       Lager versammelt werden. Derzeit feilen Arbeitsgruppen aus Vertretern der
       FDLR, der UN-Mission und der kongolesischen Regierung an den Modalitäten
       dieses Plans. Ursprünglich sollte alles bis spätestens 15. August vorbei
       sein. Die UNO hofft, dass schon bis Ende Juli komplette FDLR-Einheiten die
       Waffen strecken.
       
       Die FDLR aber stellt eine Vorbedingung, die die UNO gar nicht erfüllen
       kann: Ruandas Regierung müsse bereit sein, mit ihr auf Augenhöhe zu
       verhandeln. Sonst „wird niemand nach Ruanda zurückkehren“, warnt
       FDLR-Sprecher Laforge.
       
       Das lehnt Ruanda ab. In einem Protestbrief spricht Ruandas UN-Vertretung
       von „Manövern, die versuchen, das kriminelle Wesen der FDLR zu leugnen,
       ihre Taten zu entschuldigen und diese Völkermordgruppe als Gruppe mit
       legitimen politischen Forderungen zu behandeln“.
       
       ## Die Fristen verrutschen
       
       Stockt der Prozess also, bevor er richtig begonnen hat? Auf einem
       regionalen Gipfeltreffen in Angola am 2. Juli, direkt nach dem Treffen von
       Sant’Egidio, erhielt die FDLR auf Wunsch der kongolesischen Regierung eine
       Frist von sechs Monaten, die Waffen niederzulegen. Damit ist der bisherige
       Zeitplan erst mal vom Tisch. Und für den Rest dieses Jahres können die
       UN-Blauhelme nichts gegen die Miliz unternehmen. Die FDLR hat Zeit
       gewonnen, um sich neu zu organisieren und sogar Nachwuchs zu rekrutieren,
       wie sie gegenüber der taz offen zugibt.
       
       Führt die Miliz also wieder einmal die ganze Welt an der Nase herum? Sechs
       Monate Zeit, das seien in diesem fruchtbaren Gebiet noch zwei weitere
       Bohnenernten, mit denen sich die Milizionäre über Wasser halten können,
       meint ein lokaler Journalist in Goma. Ein anderer hingegen: „Jeder
       FDLR-Kämpfer weniger ist eine Frau mehr, die von Vergewaltigung verschont
       bleibt.“
       
       15 Jul 2014
       
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