# taz.de -- 220-223 Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: „Alle Häuser waren angezündet“
       
       > Ein ehemaliger hochrangiger Milizenkommandant schildert, wie die FDLR das
       > kongolesische Dorf Mianga dem Erdboden gleichmachte.
       
 (IMG) Bild: Aus dem Wald hinunter in die Dörfer: FDLR-Soldat in Aktion.
       
       STUTTGART/BERLIN taz | Der Angriff der ruandischen Hutu-Miliz FDLR
       (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) auf das Dorf Mianga tief im
       Wald der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu am 12. April 2009 ist das
       zweitgrößte, das die deutsche Bundesanwaltschaft den beiden in Stuttgart
       angeklagten Milizenführern Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni zur Last
       legt. Am Morgen des Ostersonntags 2009, so die Anklage, überfiel die FDLR
       das Dorf, tötete oder vertrieb die dort stationierten kongolesischen
       Regierungssoldaten, enthauptete den Ortsvorsteher in seinem Bett und tötete
       mindestens 41 Zivilisten, bevor sie Mianga vollständig niederbrannte.
       
       Der ehemalige FDLR-Offizier O, der zwischen dem 24. März und dem 4. April
       vier Tage lang im Prozess gegen Murwanashyaka und Musoni vor dem
       Oberlandesgericht Stuttgart aussagt, war an der Vorbereitung des Angriffs
       auf Mianga beteiligt. Und seine Schilderungen gehören zum eindrücklichsten,
       was man bisher in diesem Prozess über solche militärischen Aktionen seitens
       der FDLR gegen die kongolesische Zivilbevölkerung hören konnte.
       
       O hatte einen hohen Posten bei den Einheiten, die das FDLR-Hauptquartier in
       Kalongi schützten, bis die Miliz im Rahmen der gemeinsamen
       ruandisch-kongolesischen Armeeoperation Umoja Wetu gegen sie im Januar und
       Februar 2009 Kalongi aufgeben musste. „Wir waren umzingelt“, erinnert er
       sich daran. „Wir haben Kalongi verlassen und flohen in die Wälder. Alle
       Zivilisten, die zu uns geflohen waren, nahmen wir mit.“
       
       ## „Als es Nacht war“
       
       ## 
       
       Im Mianga nahm die FDLR Rache. Kalongi liegt auf einem Hügel, Mianga unten
       im Tal an einem Fluss, man kann es von oben sehen und damals sahen die
       Milizionäre, dass im Dorf Mianga Soldaten der kongolesischen
       Regierungsarmee FARDC und Zivilisten zusammenlebten. Etwa eine Woche vor
       dem Angriff begann die Planung. „Der Grund war, dass dort eine
       FARDC-Stellung war in der Nähe des FOCA-Kommandeurs (General Sylvester
       Mudacumura, militärischer Führer der FDLR). Man wollte die FARDC von dort
       verjagen.“ Außerdem klauten Kongolesen Tiere von den ruandischen
       Flüchtlingen auf dem anderen Flußufer gegenüber von Mianga.
       
       “Als es Nacht war, gingen die Soldaten dorthin“, schildert O den
       FDLR-Angriff. Durchgeführt wurde er von zwei Kompanien der
       FDLR-Militärpolizei, insgesamt 250 bis 300 Mann. „Mit Hilfe von Seilen
       haben sie den Fluss überquert. Sie haben die FARDC in der Siedlung
       überrascht.“ Es gab eine weitere FARDC-Stellung mit Artillerie außerhalb
       des Ortes. „Mianga liegt im Tal. Am Ausgang gab es Zelte des Feindes, und
       hoch Richtung Hügel gab es auch Zelte. Die schwere Waffe war oben auf dem
       Hügel.“ Also unternahm die FDLR zwei koordinierte Angriffe, eine dritte
       Einheit gab Feuerschutz beim Überqueren des Flusses.
       
       Viele FARDC-Soldaten wurden getötet. Auch Zivilisten, „selbstverständlich“,
       sagt O.
       
       Die Soldaten zeigten ihm danach ihre Beute: Gewehre und Uniformen bekam O
       zu sehen, 13 Kalaschnikoff-Gewehre, zwei Kartons voller Munition, zwei
       Motorola-Funkgeräte, eingestellt auf die Frequenzen der FARDC.
       
       ## "Es gab kein Haus mehr, nur Trümmer"
       
       O beschreibt Mianga nach dem Angriff, als dort wieder Versammlungen
       abgehalten wurden und die FDLR versuchte, gemeinsam mit dem Dorfchef dafür
       zu sorgen, dass die Zivilisten zurückkehren: „Es gab kein Haus mehr, nur
       Trümmer. Die Versammlungen waren in einem Haus mit Blechdach. Aber alle
       Strohhäuser waren angezündet worden. Es gab nur dieses eine Haus in
       Mianga.“
       
       Die Überlebenden waren in die Wälder geflohen. Sie hungerten, hatten keinen
       Schutz vor Regen. Miangas Bevölkerung lebt vom Palmölanbau. „Nach der
       Flucht der Zivilisten haben die Soldaten, die für den Schutz von Rumuli (2.
       Vizepräsident der FDLR) zuständig waren, die Bäume besetzt und die
       Zivilisten konnten nicht ran“, erläutert O. Später durften sie zurück -
       mussten dann aber ein Zehntel ihrer Ernte an die FDLR abgeben. Eine
       Delegation von Rumuli war zunächst dagegen gegwesen, dass die Zivilisten
       zurückkehren.
       
       Vier Wochen nach dem Überfall auf Mianga kam im Mai 2009 der noch blutigere
       Angriff auf Busurungi, der schon oft in diesem Prozess zur Sprache gekommen
       ist. Da war O nicht dabei, er nennt aber den Kommandeur des Angriffs und
       bestätigt: „Genau wie in Mianga wurden die Häuser angezündet. Ich kenne
       nicht die Zahl der Todesopfer. Es sind Strohhäuser, die, wenn man schießt,
       sofort brennen.“
       
       ## "Es gab auf jeden Fall eine Anweisung"
       
       Da schaltet sich der angeklagte FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka in die
       Befragung ein: Die Häuser wurden nicht angezündet, sondern brannten wegen
       der Kämpfe, will er die Übersetzung von O‘s Aussage verstanden haben. O
       widerspricht seinem Präsidenten. „Es war klar, dass nicht alle wegen der
       Kämpfe brannten, sondern auch angezündet wurden“.
       
       Ist Murwanashyaka, oder sonst ein Verantwortlicher, für so etwas
       verantwortlich zu machen?
       
       O ist kategorisch: „Ein Soldat kann nicht allein die Entscheidung treffen,
       ein Haus anzuzünden. Es gab auf jeden Fall eine Anweisung dafür. Die
       Soldaten wurden von den Zivilisten ernährt; damit die Soldaten weggehen,
       müssen erst die Zivilisten weg, da die Soldaten dann nicht bleiben.“
       
       Der Angriff auf Busurungi, bei dem mindestens 96 Menschen starben, wurde
       auf den FDLR-internen Vorbereitungstreffen als „Hochzeitsfeier“ kodiert,
       erinnert sich der Kommandant.
       
       ## Schon vor 1994 Soldat in Ruanda
       
       O ist, wie viele der ehemaligen FDLR-Kämpfer, die in Stuttgart aussagen,
       Angehöriger der ersten Generation der im KOngo aktiven Hutu-Kämpfer. Er war
       Soldat der einstigen ruandischen Armee FAR, die 1994 für den Völkermord an
       den Tutsi mitverantwortlich war; 1994 war er Unterleutnant.
       
       Dann floh er nach Zaire (heute Demokratische Republik Kongo), weiter nach
       Kongo-Brazzaville, dann wurde er ab 1998 zurückgeholt in die Demokratische
       Republik Kongo, um zusammen mit seinen ruandischen Hutu-Kameraden die Armee
       von Kongos Präsident Laurent-Désiré Kabila gegen Ruanda und ruandisch
       unterstützte Rebellen im Osten zu unterstützen.
       
       Er war auf der großen Militärbasis Kamina stationiert, wo 2002 nach dem
       Friedensvertrag zwischen Kongo und Ruanda die ruandischen Hutu-Kämpfer
       gesammelt wurden, um sie gemäß des Friedensvertrages zu demobilisieren und
       nach Ruanda zurückzuschicken. Ursprung der FDLR in ihrer heutigen Form war
       damals die Meuterei dieser Soldaten, die unter Führung des späteren
       FDLR-Militärchefs Sylvestre Mudacumura Kamina verließen und sich in den
       Ostkongo durchschlugen, wo sie auf die anderen, dort bereits im Busch
       aktiven ruandischen Hutu-Kämpfer trafen.
       
       Die Vereinigung dieser beiden Teiltruppen zur FDLR, die weite Gebiete
       Ostkongos kontrollierte, und die damit zusammenhängen Spannungen zwischen
       Soldaten aus dem „Osten“ und aus dem „Westen“ des Kongo,. ist schon von
       vielen Zeugen beschrieben worden. O erinnert sich, dass es bis Kamina Sold
       von Kongos Regierung gab. „Als wir weggingen, schuldete sie uns Geld“, sagt
       er.
       
       Das Geld kam viel später, von Murwanashyaka verteilt, als er die FDLR im
       Busch besuchte - 10 US-Dollar pro Soldat, und zwar auch die, die früher
       nicht Teil von Kongos Regierungsarmee im Westen gewesen waren, was zu Unmut
       führte.
       
       ## Murwanashyaka eröffnete den FDLR-Kongress
       
       O erinnert sich an den FDLR-Kongress im Ostkongo 2004, den der aus
       Deutschland angereiste Präsident Murwanashyaka leitete und nach dem sich
       die FDLR erstmals spaltete. Murwanashyaka hielt die Eröffnungsrede und hieß
       die Delegierten willkommen.
       
       „Er sagte seinen Namen und seine Ausbildung, wo er lebt und dass er
       Präsident der FDLR ist“, beschreibt O Murwanashyakas Auftritt. „Dass er
       Ruander ist so wie alle Teilnehmer des Kongresses. Dass die Teilnehmer ihm
       helfen sollen, und er ihnen helfen wird, um mit Würde nach Ruanda gehen zu
       können. Die Probleme bezüglich Ost und Kamina und die Probleme zwischen
       Nord und Süd in Ruanda sollten gelöst werden, da der Kampf sonst nicht zu
       gewinnen ist. Er bat auch darum, gut mit der kongolesischen
       Zivilbevölkerunge zu leben, da die FDLR allein nichts erreichen kann. Er
       sagte, dass die Kongolesen uns unterstützen. Wir sahen, dass seine
       Leibwächter Kongolesen waren.“
       
       Der Kongress „war eine normale Parade von Rebellen im Wald“, erinnert sich
       O. „Die Zivilisten tanzten und waren fröhlich. Auch Kongolesen haben an der
       Feier teilgenommen. Aber Kongolesen durften nicht am Kongress teilnehmen.“
       
       ## Soldaten als Handelsvertreter
       
       Das war noch die Zeit, in der die FDLR im Ostkongo nach eigenem Verständnis
       harmonisch mit den Kongolesen zusammenlebte. Die Milizionäre hatten drei
       erlaubte Mittel, um Geld zu verdienen: Wegzoll an Straßensperren,
       „Verpflegungsoperationen“ (opérations de ravitaillement) und
       „nichterlaubten Handel“ (logistique non-conventionelle). Die Einnahmen
       gingen an das Kommando und wurden von dort verteilt, „die Prozente waren
       von unten nach oben festgelegt“, sagt O.
       
       Als Kommandant, wie er selbst, konnte er seine Soldaten für sich Handel
       treiben lassen. So gab man einem Soldaten 100 Dollar geben und er musste
       damit Geschäfte machen und monatlich 20 Dollar zurückgeben. „Was er
       zusätzlich verdiente, war sein Geld“.
       
       Verpflegungsoperationen gab es auch auf Anordnung, sagt O. „Manchmal hat
       der FOCA-Kommandant (Mudacumura, als Chef des militärischen FDLR-Flügels
       FOCA) den Kommandanten der Soldaten mitgeteilt: Wir müssen eine Versammlung
       des Oberkommandos organisieren, wir brauchen dafür zwei Kühe, damit wir
       Besucher empfangen könenn - klar, diese Kühe mussten dann gefunden werden.“
       
       ## Gemeinsam mit Kongos Armee gegen die Tutsi
       
       Für ihn stellt sich die politische Konstellation in jener Zeit zwischen
       2004 und Anfang 2009 einfach dar: Die FDLR war auch im Ostkongo mit Kongos
       Regierungsarmee FARDC verbündet, gegen den gemeinsamen Feind - die von
       Ruanda unterstützten Tutsi-Rebellen, die sich damals unter Führung von
       Laurent Nkunda in der CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes)
       organisiert hatten.
       
       „Die FDLR hat zusammen mit FARDC gegegen jene gekämpft, die die FDLR
       angriffen - die CNDP von Nkunda“, sagt O. „Man arbeitete zusammen in
       Nyabiondo, Rugari. Da die CNDP meist gegen die FARDC kämpfte, bat die FARDC
       um Unterstützung bei der FDLR. Die CNDP war der gemeinsame Feind.“
       
       Das änderte sich, als Ruanda und Kongo Ende 2008 Zusammenarbeit
       vereinbarten: Ruanda ließ die CNDP fallen, Kongo die FDLR, und in der
       Armeeopertion Umoja Wetu gingen die Armeen beider Länder Anfang 2009
       gemeinsam vor. „Kurz vor Umoja Wetu hat die FARDC die FDLR verlassen und
       mit ruandischen Soldaten und CNDP zusammengearbeitet. Sie bildete eine
       Koalition, um gemeinsam die FDLR zu vernchten. Die FDLR sagte, wir müssen
       bei der FARDC Vergeltung üben, da sie unser Bündnis verraten haben.“
       
       Die Angriffe auf Mianga und Busurungi waren Teil dieser
       Vergeltungsstrategie. O kennt auch den in diesem Zusammenhang entstandenen
       berühmt-berüchtigten Befehl der FDLR an ihre Einheiten, unter Ostkongos
       Zivilbevölkerung eine „humanitäre Katastrophe“ zu veranstalten.
       
       ## "Gott ist immer mit uns"
       
       Als Murwanashyaka im November 2009 in Deutschland festgenommen worden,
       gehörte O immer noch zur höchsten FDLR-Führungsebene.I„Dann haben wir eine
       Nachricht erhalten, dass Murwanashyaka festgenommen wurde und verhaftet
       wurde“, erinnert er sich.
       
       „Dass man ihm Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
       vorwirft. Dass die Soldaten tapfer bleiben sollen. Dass Gott immer mit uns
       ist. Dass sie überall, wo sie sind, sich gut verhalten sollen und keine
       Straftaten begehen sollen. Dass die Wahrheit irgendwann als Licht kommen
       wird und es Gerechtigkeit geben wird“. Man sprach von „Enthauptung der
       FDLR“, aber sie werde überleben.
       
       Die Soldaten waren „entmutigt“, schildert er die Stimmung in der FDLR nach
       Murwanashyakas Verhaftung. Sie fühlten sich getäuscht: „Wir haben geglaubt,
       dass unsere Politiker im Ausland richtig den kKmpf führen. Wir wussten,
       dass wir nur mit Kalaschnikows nicht Ruanda erobern. Wir haben keine Kraft
       bei den Politikern im Wald gesehen. Wir haben geglaubt, dass die Politiker
       im Ausland zu verschiedenen Botschaften gehen und zur internationalen
       Gemeinschaft, damit sie die Regierung in Kigali unter Druck setzen. Man hat
       festgestellt, dass ein großes Loch bei der FDLR da war.“ Es gab viele
       Desertionen.
       
       2011 desertierte auch O. Er lebt jetzt in Ruanda.
       
       20 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
 (DIR) Bianca Schmolze
       
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