# taz.de -- Kommentar Pariser Regierungskrise: Frankreich braucht keine Agenda 2010
> Hat Frankreich den Wettkampf der Nationen verloren? Doch wenn das Modell
> Deutschland siegt, wer soll dann noch die produzierten Waren kaufen?
(IMG) Bild: Frankreichs Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg kritisierte die Sparpolitik
Frankreich geht es schlecht. Die Arbeitslosenrate ist doppelt so hoch wie
in Deutschland, die Wirtschaft stagniert, und das Staatsdefizit wächst. Ein
Ende der Tristesse ist nicht abzusehen.
Für viele Bundesbürger ist dies der ultimative Beweis, dass die Agenda 2010
richtig war, die dafür gesorgt hat, dass die deutschen Reallöhne seit
Jahren stagnieren. Denn „wir“ sind exportstark, während den Franzosen die
Auslandsmärkte wegbrechen.
Gleichzeitig steuert der deutsche Staatshaushalt auf eine schwarze Null zu,
während die Franzosen immer neue Schulden aufhäufen.
Im Wettbewerb der Nationen scheinen die Deutschen gesiegt zu haben,
weswegen sie nur zu gern Ratschläge erteilen: Die Franzosen sollten sich
auch eine Agenda 2010 zulegen – also ihre Löhne und Staatsausgaben senken.
Nach dem Motto: Was gut für Deutschland ist, ist gut für die Welt.
Das klingt zwar logisch, ist aber logisch unmöglich. Denn wenn alle
Eurostaaten Deutschland kopieren, Lohndumping betreiben und zu aggressiven
Exportnationen mutieren, bleibt eine Frage ungelöst: Wer soll die Güter
kaufen? Die europäischen Arbeitnehmer sind offenbar nicht gemeint, denn sie
sollen ja auf einen Teil ihrer Gehälter verzichten. Aber wer dann? Die
Chinesen? Die Absatzkrise ist gewiss.
Momentan verfolgt Deutschland ein seltsames Geschäftsmodell: Man liegt
mitten in Europa, glaubt aber, auf die Eurostaaten verzichten und ganz auf
die Märkte in Übersee setzen zu können. Doch Fakt ist: Die deutsche
Wirtschaft ist im zweiten Quartal geschrumpft. Die Eurokrise ist längst in
der Bundesrepublik angekommen.
Selbst neoliberale Nobelpreisträger sind inzwischen alarmiert, dass
Deutschland die Eurozone völlig falsch steuert. Die internationalen
Ökonomen warnten die Kanzlerin am Wochenende davor, den Sparkurs in Europa
fortzusetzen. Auch EZB-Chef Draghi lässt erkennen, dass er die deutsche
„Austeritätspolitik“ nicht für sinnvoll hält.
Aber was wäre die Alternative? Viele Deutsche denken insgeheim, dass der
Zusammenbruch droht, sobald der Sparkurs aufgegeben wird. Dabei wäre ein
Konjunkturpaket ein Segen – auch für die deutschen Arbeitnehmer. Denn dazu
würde gehören müssen, dass die Deutschen wieder mehr importieren. Dies geht
nur, wenn die deutschen Löhne endlich wieder steigen.
25 Aug 2014
## AUTOREN
(DIR) Ulrike Herrmann
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