# taz.de -- Rücktritt der französischen Regierung: Auf der Suche nach Kohärenz
       
       > Frankreichs Wirtschaftsminister hat eine Regierungskrise ausgelöst. Für
       > die Probleme im Land macht er den Druck aus Deutschland verantwortlich.
       
 (IMG) Bild: Muss eine neue Regierung bilden: Premierminister Manuel Valls.
       
       PARIS taz | Mit einer scharfen Kritik am politischen Kurs und am seiner
       Meinung nach verheerenden Druck aus Berlin hat der bisherige französische
       Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg eine Regierungskrise ausgelöst. Der
       französische Staatspräsident François Hollande hat am Montag die
       Konsequenzen gezogen und seinen Premierminister Manuel Valls aufgefordert,
       bis Dienstag ein neues Ministerkabinett zu bilden, das sich durch eine
       bessere „Kohärenz“ auszeichnen soll.
       
       Noch ist nicht bekannt, ob es sich dabei bloß darum handelt, den internen
       Kritiker zu entlassen oder ob Hollande gleichzeitig eine umfassendere
       Umbildung vorhat. Neben dem Wirtschaftsminister könnte auch der bisherige
       Erziehungsminister Benoît Hamon, ein Sprecher des linken Parteiflügels, der
       sich am Sonntag mit Montebourg solidarisiert hat, sein Ressort verlieren.
       Die Regierung war nach der Niederlage der Sozialisten bei den
       Gemeindewahlen Ende März gebildet worden.
       
       Der französische Staatschef ist seither wegen der ausbleibenden Resultate
       im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit noch mehr in Bedrängnis geraten. Laut
       einer jüngsten Popularitätsumfrage für die Zeitung Journal du Dimanche
       haben nur noch 17% der Befragten eine positive Meinung. Montebourgs
       ungewöhnlich scharfe Kritik in der Wochenendausgabe von Le Monde wirkte in
       diesem Kontext wie ein Dolchstoß. In einem Interview hat der bisherige
       Wirtschaftsminister die ganze Finanz- und Wirtschaftspolitik verworfen, für
       die er ja selber zuständig ist.
       
       Das war für ihn offenbar eine Frage der eigenen Glaubwürdigkeit. Als
       Minister aber ist er damit politisch untragbar geworden. Zugleich hat er
       die Autorität Hollande und von Premierminister Valls infrage gestellt, was
       diese in dieser Form nicht akzeptieren konnten. Noch bevor Hollande ihm den
       Auftrag einer Regierungsumbildung erteilte, hat Valls bereits seinem
       Wirtschaftsminister mitgeteilt, dass er die Grenze des Tolerierbaren
       überschritten habe.
       
       Dass im Regierungslager und insbesondere auch innerhalb der sozialistischen
       Regierungspartei längst nicht alle mit der Politik der drastischen
       Defizitsenkung einverstanden sind, war nicht neu. In einem Buch hat auch
       die frühere Parteichefin der französischen Grünen, die Exministerin Cécile
       Duflot, Hollande bezichtigt, sein ursprüngliches Wahlprogramm und damit die
       Ziele der rot-grünen Koalition verraten zu haben.
       
       ## Merkel als industrielle Katastrophe
       
       In seinem Le Monde-Interview forderte Montebourg öffentlich einen
       Kurswechsel. Die unter dem Druck Deutschlands von Hollande beschlossene
       „Austerität“ verhindere das Wirtschaftswachstum und damit einen wirksamen
       Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit in Frankreich. Diese Sparpolitik sei
       eine „wirtschaftspolitische Aberration“ und eine „finanzpolitische
       Absurdität“, die letztlich die Europäer in Arme von Populisten wie dem
       Front National treibe, deren Ziel die Zerstörung der EU sei.
       
       Zugleich werde durch die Sparzwänge die Legitimität der politischen Wahlen
       untergraben: „Selbst wenn die Franzosen für die französische Linke
       votieren, wählen sie also das Programm der deutschen Rechten! Das ist
       inakzeptabel.“ Mit der von der EU unter Angela Merkels Führung
       eingeschlagenen Wirtschaftspolitik drohe Europa eine Deflation und darüber
       hinaus eine der schwersten „industriellen Katastrophen der neueren
       Geschichte“.
       
       Indem sich Montebourg derart von der offiziellen Linie abgrenzt, macht er
       sich nur zum Wortführer einer Kritik, die in Frankreich sowohl links wie
       rechts viele Anhänger zählt. Zweifellos war ihm klar, dass er damit seinen
       Ministerposten aufs Spiel setzte. Er dürfte dabei aber bereits die
       Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen von 2017 im Auge haben, die
       bestimmt ausgehend von einem sehr kritischen Inventar der Amtszeit von
       Hollande entschieden werden.
       
       25 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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