# taz.de -- Comeback der Serie „Twin Peaks“: Willst du mit Bob spielen?
       
       > „Twin Peaks“ geht weiter, 2016 soll eine dritte Staffel fertig sein. Wir
       > versammeln Fans und Verächter der Kultserie von David Lynch und Mark
       > Frost.
       
 (IMG) Bild: Puh! Bob wird bei der dritten Staffel eher nicht mehr dabei sein: Darsteller Frank Silva verstarb 1995.
       
       Endlich eine Antwort, bitte! Die letzte Szene der Serie „Twin Peaks“ endet
       wie folgt (Achtung Spoiler!): Special Agent Dale Cooper steht vor dem
       Spiegel. Sein Gesicht ist nur zur Hälfte sichtbar, in der nächsten Szene
       schlägt Cooper seinen Kopf gegen das Glas. Im zersplitterten Spiegel wird
       Bob sichtbar.
       
       Bob ist vielleicht die furchteinflößendste Figur, die es je in einer
       TV-Serie gab. Er ist das personifizierte Böse, ein Geist, der sich einen
       Wirt aussucht. Dabei bewegt sich Bob das Böse in der Kleinstadt „Twin
       Peaks“, einem fiktiven, auf den ersten Blick idyllischen Ort. Agent Cooper
       wird hierhin befördert, um den Mord von Laura Palmer aufzuklären.
       
       David Lynch war der Schöpfer dieser fantastischen Serie, die Genres
       vermischte (Soap Opera, Mystery, Horror), ein neuartiges Narrationsgeflecht
       spann und mit einer Ästhetik arbeitete, die an Aktualität nichts verloren
       hat: Ohne „Twin Peaks“ kein „Buffy“, kein „Akte X“ und auch keine
       „Sopranos“.
       
       David Lynchs „Twin Peaks“ ist eine düstere, überfordernde Welt voller
       Dichotomien – zwischen Realität und Fiktion, Traum und Wirklichkeit. Eine
       Welt voller Geheimnisse und eine Welt voller Charaktere – schon allein im
       Piloten werden Unmengen vorgestellt. Und neben der großen Frage: „Wer hat
       Laura getötet?“ steht eine andere ständig im Raum: „Wer ist eigentlich gut
       und wer böse?“
       
       Lynch lanciert Fragen und erzählt in Ellipsen. Damit spielt er ständig mit
       den Erwartungen – das zeigt sich bereits im Vorspann, der auf die sonst
       typischen Schauspielgesichter verzichtet und stattdessen Naturaufnahmen
       zeigt, mit einer Musik, die Glas schneiden kann. Bei Lynch stimmt alles:
       Ton, Bild, Symbolik und Narration. Die letzte Szene lässt einen fragend
       zurück, sie ist eine der frustrierendsten in der TV-Geschichte. „Was
       passiert mit Dale Cooper?“ 25 Jahre später gibt David Lynch vielleicht eine
       Antwort. ENRICO IPPOLITO 
       
       Hefte raus! Intelligenztest! Es gibt den Cowboy und Betty und Rita und den
       Produzenten und den schwarz angemalten Mann und Mister Roque und die vielen
       Auftragskiller und den Psychiater und seinen Patienten. Und plötzlich ist
       das alte Ehepaar geschrumpft, krabbelt aus Tüten oder läuft unter der Tür
       durch. Ergibt bestimmt alles ganz viel Sinn bei „Mulholland Drive“.
       Zumindest wenn man sich ganz viele, ganz kluge Gedanken macht und sowieso
       unheimlich viele Gehirnzellen in Reihe geschaltet hat und deswegen super um
       die Ecke denken kann.
       
       Über die Ergüsse von David Lynch kann man anschließend toll reden, sich
       beweisen und messen. David-Lynch-Filme sind das „Quizduell“ der Cineasten
       mit Hochschulabschluss. Die Diskussionen dienen zur Abgrenzung vom Proll,
       der über Leslie-Nielsen-Filme lacht, dessen Lieblingsserie „Alf“ ist und
       der so blöd ist zu denken, dass diese Serien neuen Typs („Sopranos“,
       „Breaking Bad“, „Mad Men“) tatsächlich etwas Neues seien. Hahaha, lacht der
       Kenner in sein Weinglas, wenn er so etwas hört.
       
       Dabei lässt Lynch die Zuschauerinnen und Zuschauer einfach nur die Gedanken
       vollführen, die er sich nicht gemacht hat. Hahaha, lacht da der Proll in
       mir in sein Glas Bier.
       
       Ja, „Mulholland Drive“ ist nicht „Twin Peaks“. Doch der intellektuelle
       Schwanzvergleich bei der Interpretation dieses „Surrealen“ (wichtiges Wort,
       muss bei der Diskussion über Lynch-Filme auftauchen) ist der gleiche. Für
       die vielen Rezensionen zum Start braucht es dringend ein
       David-Lynch-Kritik-Bullshit-Bingo. So macht der Quatsch zumindest ein
       bisschen Spaß. JÜRN KRUSE 
       
       Bibber – Oh Gott – Bööööse Bob. Am 10. September 1991 wurde „Twin Peaks“
       zum ersten Mal in der deutschen Synchronfassung ausgestrahlt. Ich war 14
       Jahre alt und noch von sehr kindlichem Gemüt, denn die Serie hat mich
       nachhaltig verstört. Was heißt verstört. Traumatisiert!
       
       Diese so unschuldig wirkende High-School-Abschlussball-Schönheit, die auf
       einmal wie eine blau angelaufene Eisprinzessin in der Plastikfolie liegt.
       Wer hatte Laura Palmer umgebracht? Mit detektivischem Eifer wollte ich,
       wenn schon nicht mithelfen, so doch zumindest von der Wohnzimmercouch aus
       mitfiebern und dabei zusehen, wie sich ein solch bestialisches Verbrechen
       nach und nach entwirrt.
       
       Nur dass sich da nichts ent-, sondern mich nur alles immer mehr verwirrte.
       Wo kam dieser seltsame Riese mit den hohlen Wangen her, der Special Agent
       Cooper die Hinweise gab? „Die Eulen sind nicht was sie scheinen.“ Was? Aber
       diese Eulen, sie waren doch überall! Und was sollte diese
       bösartig-lolitaesquen Schneewittchen-Lookalike Audrey Horne, die im
       Schuluniform-Faltenröckchen alle kirre macht? Mit solch geheimnisvoller
       Verruchtheit kam ich nicht gut zurecht.
       
       Und dann diese Träume, in denen Cooper mit einem Zwerg im blutroten Anzug
       einen in der Tasse geronnen Kaffee trinkt, während der Zwerg rückwärts über
       die verstorbene Laura Palmer tratscht. Der zum Verständnis nötige Schuber
       für LSD-Erfahrungen war in meinem Gehirn noch nicht angelegt. Und
       schließlich B-O-B. Bibber – Oh Gott – Bööööse Bob. Nein. Hilfe! Ich will
       nicht noch mal an ihn denken müssen. Da verstecke ich mich lieber wie
       damals vor Angst hinter der Couch. MARLENE HALSER 
       
       Unmissing. Mit dieser Serie wurde das unselige, ja lügnerische Wort „Kult“
       aus der Vokabelwelt des Kulturwissenschaftlichen in die des Marketings
       gehoben – und ward damit wertlos. Kult nämlich war „Twin Peaks“
       vorsätzlich, als Behauptung von stark quoteninteressierten
       Serienproduzenten; dabei meint das Wörtchen vor allem einen Zauber, der in
       der Erinnerung sich hält. Kult aber sei diese zweistaffelige TV-Serie, weil
       es so geheimnisvoll und spannend zugegangen sei, ohne in den Modus der
       Falllösung überführt zu werden.
       
       Tatsächlich waren die dräuenden Szenen, die in der Tat irritierenden
       Sounds, die bedeutungsgeblähten Handlungsebenen eher wirr als irr: „Twin
       Peaks“ war, als David Lynch und Mark Frost ihr Projekt (mangels über die
       Milieus von WerberInnen und FernsehfilmerInnen hinausgehenden öffentlichen
       Interesses) 1991 einstellten, auserzählt. Die Nachricht nun, „Twin Peaks“
       werde fortgeführt, in eine dritte Staffel, ist in diesem Sinne keine: Es
       muss schon jemanden berühren, dass da etwas kommen wird, was vermisst
       werden musste.
       
       Nun ja, wie Mark Frost nun dem Branchendienst Variety gegenüber bekundete:
       „Die Fans, die sich beraubt fühlten, als die Serie damals endete, werden
       mögen, welche Richtung wir einschlagen.“ Verblichene Zeiten, nichts als
       werblicher Verführungsschaum. Was wirklich zählt, ist: Wie geht es bei
       „Homeland“ weiter, wie bei „The Good Wife“? Und: Wie wird sich die zweite
       Staffel von „True Detectives“ ausnehmen – so erschütternd wie die erste?
       Man hoffe auf das Richtige. Das Falsche verdient nur musealisiert zu
       bleiben. JAN FEDDERSEN 
       
       Wenn es wirklich wird. Wenn man eine neue Freundin hat, bekommt man auch
       neue Bekannte. So geschah es, dass ich Mitte der 1990er Jahre an einer
       „Twin Peaks“-Nacht in Frankfurt teilnahm. Der alte Kumpel meiner neuen
       Freundin hatte extra eine kleine Halle samt Leinwand und Beamer gemietet,
       um eine ganze Nacht „Twin Peaks“ zu gucken. Er und seine Freundin waren
       Aficionados, wie man damals noch oder schon sagte. Der Kumpel meiner
       Freundin war ein netter, rationaler Mensch, politisch aktiv in der
       Flüchtlingshilfe und der SPD, man kannte sich aus Juso-Tagen.
       
       Seine Freundin habe ich leider nie kennengelernt – und das kam so: Als wir
       nachmittags in Frankfurt ankamen und unsere Sachen in der schnuckeligen
       Pärchenwohnung deponieren wollten, fanden wir den Mann völlig desolat in
       der Küche sitzend vor – und allein. Er hatte in den Tagen zuvor das geheime
       Tagebuch seiner Freundin entdeckt und leider auch gelesen.
       
       In dem schilderte sie so akribisch wie drastisch ihre Sexkontakte mit
       Dutzenden von Männern, die sie auf der Straße ansprach und mit nach Hause
       ins Beziehungsbett nahm, mit Handwerkern, Schornsteinfegern und
       Gasablesern. Als wir in Frankfurt ankamen, war der erste große Sturm schon
       vorbei, seine Freundin war in der Psychiatrie. Der Kumpel, den ich nie
       wiedergesehen habe, machte den Eindruck eines Menschen, dem viel mehr als
       eine Liebe kaputtgegangen war: Die Trennung der Welt in böse Fiktion und
       traute, beherrschbare Wirklichkeit war ihm zerbröselt, den ganzen Mann
       hatte es sauber zerlegt.
       
       Auf die Frage, ob er die Sache mit der „Twin Peaks“-Nacht nicht doch
       absagen wolle, sagte er nur katatonisch nein, nein, es würden halt wenig
       Leute kommen, weil viele gemeinsame Bekannte abgesagt hätten. Die Donuts
       seien aber bestellt, das Bier auch, er werde das jetzt durchziehen. Und so
       war’s dann auch. AMBROS WAIBEL
       
       7 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Enrico Ippolito
       
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