# taz.de -- Berliner Luxuswohnobjekt Carloft: Wem gehört das Loft?
       
       > Mit Farbbeutel- und Steinwürfen kämpfen militante Aktivisten gegen
       > Gentrifizierung. Das senkt den Wert der Immobilie – und ärgert die
       > Bewohner.
       
 (IMG) Bild: Carloft in der Reichenberger Straße in Berlin-Kreuzberg.
       
       BERLIN taz | Torben* hat das Haus, das seinen Zorn entfacht, fest im Blick.
       Der 30-Jährige schaut von einem Fenstertisch einer Eckkneipe in der
       Reichenberger Straße in Kreuzberg auf das Carloft schräg gegenüber. Das
       luxuriöse Wohnprojekt ist das wohl bekannteste Symbol für die Veränderung
       des Bezirks. Oder wie Torben sagen würde: für die Verdrängung und
       Yuppisierung.
       
       Die elf Lofts, allesamt mit einem Auto-Fahrstuhl erreichbar, erhitzen die
       Gemüter, womöglich weil jeder der Eigentümer mehr Geld zur Verfügung hat,
       als ganze Hausgemeinschaften nebenan. Torben blickt auf die Spuren seines
       letzten nächtlichen Besuchs: mehrere rote Farbflecken an der milchig-grünen
       Glasfassade.
       
       Vor sich hat Torben ein Glas Kreuzberger Tag-Pils gestellt. Um das „A“ in
       Tag ist auf der Karte an der Bar ein Kreis gemalt – das Symbol für
       Anarchie, wie er sagt. Dabei huscht ein Lächeln über sein Gesicht – genau
       so stellt er sich seinen Kiez vor. Seit fünf Jahren lebt der angehende
       Mediendesigner zwischen Görlitzer Park und Landwehrkanal.
       
       Als Zugezogener, der etwas mit Medien macht, könnte er auch in das
       Klischeebild des neuen Kreuzbergs passen. Wäre da nicht seine prekäre Lage,
       die es ihm kaum ermöglicht, die monatlich 250 Euro für sein WG-Zimmer
       aufzubringen – und sein Selbstverständnis als „Aktivist“.
       
       Als solcher engagiert er sich für Geflüchtete und gegen Zwangsräumungen,
       geht auf die Straße gegen Nazis und Gipfeltreffen. Wöchentlich trifft er
       sich zum Plenum seiner Politikgruppe, auf dem auch Aktionen wie die gegen
       das Carloft geplant werden.
       
       Zwei seiner Mitstreiter waren mit dabei, als sie vor einigen Wochen mit
       Farbe gefüllte Glühbirnen auf die Luxus-Wohnanlage warfen. Da waren die
       Fensterscheiben des Cafés und der Eingangstür im Erdgeschoss bereits
       eingeschlagen, mehrere großflächige Graffiti an der Fassade sind in den
       vergangenen Wochen neu hinzugekommen.
       
       Beim Blick hinüber auf das ramponierte Carloft empfindet Torben eine
       „gewisse Genugtuung“, vor allem, weil die vielen Spuren ihm das Gefühl
       geben, mit seiner Kritik „nicht alleine zu sein“.
       
       ## Demonstrativer Reichtum
       
       Das Haus hat seit der Eröffnung im Jahr 2009 massiven Widerstand
       provoziert. Dutzende Male kam es zu Attacken: Farbbeutel- und Steinwürfe,
       mit Hämmern eingeschlagene Fenster, zerstörte Schlösser. Schon bei der
       Präsentation für Interessenten im Sommer 2008 kam es zu einem
       Spontanprotest. Die Menge war aufgebracht angesichts des demonstrativ zur
       Schau gestellten Reichtums in einem Viertel, dessen Bewohner zu den ärmsten
       Berlins gehört. Die verängstigten Kaufinteressenten riefen aus Angst vor
       der Erstürmung des Hauses die Polizei. Diese rückte mit 120 Beamten an.
       
       Doch trotz des verstärkten Streifendienstes im Kiez häuften sich die
       Attacken auf das Haus derart, dass Hauseigentümer Johannes Kauka 2010 ein
       Wachhäuschen aufstellen ließ und einen Sicherheitsdienst engagierte. Erst
       im Februar diesen Jahres wurden die Security-Leute wieder abgezogen, zwei
       Wochen später waren erneut sämtliche Scheiben eingeschlagen. Es ist nicht
       so, dass die Kreuzberger „Aktivisten“ in ihren Kämpfen keine Ausdauer
       hätten.
       
       Bei der Berliner Polizei zählt man solche Anschläge unter dem Stichwort
       „Gentrifizierung“ – der sozialen Brisanz der Stadtaufwertung scheint man
       sich demnach auch dort bewusst zu sein. Im ersten Halbjahr 2014 wurden 93
       politisch motivierte Sachbeschädigungen in diesem Themenbereich gezählt.
       Das sind deutlich weniger als in den vergangenen Jahren.
       
       Dennoch ist die militante Kritik wieder Thema in der Stadt. Den Aufschlag
       für die anhaltende mediale Debatte derzeit machte der RBB. In einem Beitrag
       der „Abendschau“ Ende August hieß es: „Der Terror im Kiez nimmt immer mehr
       zu.“ Dann ist die Rede von einer Szene, „die linksextrem eingestuft wird,
       aber in erster Linie gewalttätig ist“. Diese „manipuliert und verdrängt
       Menschen, denn sie will sagen, wo es langgeht.“
       
       ## Wer verdrängt wen?
       
       Die Diskussion um die Aufwertung der Berliner Innenstadt könnte damit eine
       interessante Wendung nehmen. Der wissenschaftliche Begriff Gentrifizierung,
       den die meisten Berliner inzwischen wohl unfallfrei buchstabieren können,
       wurde bislang überwiegend als Mechanismus diskutiert, der in der Konsequenz
       zur Verdrängung der alteingesessenen Mieterschaft führt.
       
       Das Prinzip ähnelt sich stets, ob in Schöneberg, Prenzlauer Berg oder eben
       in Kreuzberg und Neukölln. In überwiegend ärmere Viertel mit günstigem
       Wohnraum ziehen Studenten und Künstler. Weil sie die Nachbarschaft kreativ
       beleben, steigt die Nachfrage, werden Mieten erhöht und Häuser saniert.
       Dann ersetzt eine kaufkräftige Klientel zunächst die Alt-Bewohner, später
       auch die kreative Klasse.
       
       Die Kritik an den neuen Reichen, die sich im Berliner Zentrum ihre
       Vorstadtidylle basteln wollen, und an Hauseigentümern, die rücksichtslos
       die Preise auf das Maximum in die Höhe treiben, war bisher auch über die
       linke Szene hinaus verbreitet. Kommt nun die Gegenbewegung? Ist das neue
       Problem die Verdrängung der zugezogenen Oberschicht durch selbsternannte
       linksradikale Kiezpolizisten?
       
       ## Fehlende Toleranz?
       
       Für einen 36-jährigen Bewohner des Carloft ist die Antwort darauf ein
       eindeutiges „Ja“. Der Werbefilmer hat als Ort für ein Gespräch mit der taz
       die Rückbank seines schwarzen Mercedes S-Klasse gewählt, der im Parkverbot
       mitten auf der Friedrichstraße steht, direkt hinter dem Wachhäuschen am
       Checkpoint Charlie. Im Kreuzberger Kiez fühle er sich „ausgegrenzt und
       isoliert“, er gehe dort „nicht gerne auf die Straße“, sagt er. Sein Loft
       sollte ihm vor allem als „Treffpunkt“ dienen, nun will er es verkaufen. Auf
       der Website einer italienischen Designzeitschrift findet sich die Annonce:
       223,5 Quadratmeter Wohnfläche für 1,2 Millionen Euro.
       
       Den Gegnern des Hauses wirft er eine „fehlende Toleranz“ vor. Dass hunderte
       Linke versuchten, die Flüchtlinge zu schützen, die im Juni das Dach der
       nahe gelegenen Gerhart-Hauptmann-Schule besetzten, sie aber niemand
       schütze, versteht er nicht. Auch dass die Angriffe Ausdruck einer Angst
       jener sein könnten, infolge der Aufwertung des Viertels ihre Miete nicht
       mehr zahlen zu können, ist für ihn kein Argument. „Sollen sie doch arbeiten
       gehen“, sagt er dann, mehr unbedarft als herablassend.
       
       Die Distanz zwischen ihm und Torben könnte in diesem Moment nicht größer
       sein. Ihre Wohnungen liegen 200 Meter voneinander entfernt, doch ihren
       Blick auf die Welt richten sie aus diametral entgegengesetzten Positionen.
       „Es ist, als wäre ein Raumschiff gelandet, aber niemand hat Kontakt zu den
       Außerirdischen“, sagt der Bewohner noch über das Carloft – und freut sich
       über das Bild. Es ist nicht so, dass er gelitten hätte in Kreuzberg. Die
       fehlende Akzeptanz der Umgebung ist auch eine Form von Aufmerksamkeit.
       
       ## Kein Investorenprojekt mehr
       
       Sein Nachbar Harm van Maanen könnte darauf verzichten, dass sein Wohnort so
       sehr im Fokus steht. Er sitzt vor dem Café Liegberger im Carloft, dessen
       Fensterfront zum zweiten Mal seit Februar komplett zerstört wurde, und
       ärgert sich über den Anblick. Einerseits. Anderseits sagt der Architekt und
       Medienmann: Die ständigen Anschläge sind „der Grund, warum ich mir das
       leisten konnte“. Ein Investorenprojekt, mit dem man Profit machen könne,
       sei das Carloft nicht mehr, ist er sich sicher.
       
       Tatsächlich war es das nie. Erst im vergangenen Jahr, vier Jahre nach der
       Eröffnung, konnte Bauherr Kauka die letzten Lofts verkaufen – ungewöhnlich
       für ein Berliner Luxuswohnobjekt. Für den gebürtigen Holländer van Maanen,
       der erst vor knapp einem Jahr ins Carloft zog, ist Kauka selbst dafür
       verantwortlich. Von Beginn an habe der zu viel Wirbel um sein Projekt
       gemacht, sich „auf jede Bühne gestellt und getan, als hätte er das Ei des
       Kolumbus erfunden“, sagt er. Vor allem deswegen habe sich die linke Szene
       so auf das Objekt eingeschossen, während viele andere Projekte unbemerkt
       bleiben.
       
       Kauka, inzwischen deutlich zurückhaltender im Umgang mit den Medien, deutet
       am Telefon nur an, dass er sich heute anders verhalten würde. Dass der
       anhaltende Widerstand den Wert seiner Immobilie gedrückt hätte, will er
       nicht bestätigen, aber dass er einen „Einfluss auf die Zahl der
       Interessenten“ hat, weiß auch er.
       
       ## Nicht nach Zehlendorf
       
       Der 2-Meter-Koloss van Maanen bezeichnet die Angriffe auf das Haus als
       „Monolog“, der ihn frustriere. „Ich bin niemand, der in das Bild gehört,
       das die Gegner des Projektes zeichnen“, sagt er. Seine Wertvorstellungen
       seien nicht komplett anders als jene der Gegenseite. Wohlüberlegt spricht
       van Maanen über Verdrängung von Einkommensschwachen und Gesetze, die
       verhindern sollen, dass Wohnungen als Kapitalanlage gekauft werden. Sich
       von einer Minderheit vorschreiben lassen, dass er besser in Zehlendorf
       wohnen solle, will er nicht. Da gehöre er nicht hin.
       
       Ebenso wie viele seiner Nachbarn im Carloft ist er gewillt zu bleiben.
       „Zwischen den Bewohnern hat sich eine Solidarität entwickelt“, sagt er.
       Regelmäßig sitzen sie zusammen, analysieren die Lage. Es sei schon
       gescherzt worden, hinter die Fensterscheiben zur Straße Aquarien zu bauen.
       Die würde dann wohl niemand mehr einschlagen.
       
       Den Vorwurf, er wolle Menschen aus Kreuzberg vertreiben, will sich Aktivist
       Torben nicht gefallen lassen. Ihm gehe es nicht um die Bewohner, sondern um
       das Haus. Er nennt es „Infrastruktur für Reiche“ – die wolle er
       zurückdrängen. „Wenn ich mich gegen die Bewohner richten würde, könnte ich
       sie anpöbeln oder Klingelstreiche machen“, sagt er. Torben will niemanden
       mit Gewalt zum Auszug zwingen, er will eine Struktur bekämpfen, zeigen,
       dass Wohnraum keine Ware sein soll. Wenn die „Markierung“ des Hauses dazu
       führt, dass die Wohnungen schlechter zu verkaufen sind, sei das ein Erfolg,
       „weil Investoren dann beim nächsten Mal zweimal überlegen, wo und was sie
       bauen“.
       
       *Name geändert
       
       8 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
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