# taz.de -- Streit um Eigenbedarfskündigung: Ein Mieterberater lässt räumen
       
       > Eine Mieterin soll zwangsgeräumt werden – durch einen Mieterberater, der
       > die Wohnung gekauft hat. Eine Initiative protestiert, eine grüne
       > Abgeordnete findet’s okay.
       
 (IMG) Bild: Und dann muss man raus....
       
       Lange hat Alexander Schmidt gewartet, nun ist es so weit: Er möchte die
       Wohnung seiner Nachbarin selbst beziehen. Das Recht dazu hat er, denn
       Schmidt hat diese Wohnung vor mehr als zehn Jahren gekauft. Die in Berlin
       gesetzlich vorgeschriebene Sperrfrist für eine Eigenbedarfskündigung bei
       einer vermieteten Wohnung ist damit verstrichen. Allerdings: Die Nachbarin,
       die seit mehr als 20 Jahren in dieser Wohnung lebt, möchte nicht ausziehen.
       Also soll sie zwangsgeräumt werden. Mithilfe des Bündnisses „Zwangsräumung
       verhindern“ will sich die Frau dagegen wehren.
       
       So weit, so normal: Weder eine Kündigung wegen Eigenbedarf noch eine
       Zwangsräumung ist in Berlin ungewöhnlich. Doch der Fall aus dem
       Charlottenburger Kiez um den Klausener Platz ist eine Besonderheit:
       Alexander Schmidt, der in Wirklichkeit anders heißt, ist im Kiez gut
       bekannt – nicht als Immobilienhai, sondern als engagierter Bürger, der
       beruflich seit Jahrzehnten Mieter berät und für den Bezirk Studien über
       Gentrifizierungsprozesse erstellt. Für „Zwangsräumung verhindern“ ein Grund
       zu scharfer Kritik: In einer im Kiez als Flugblatt verbreiteten Erklärung
       heißt es: „Diese Verlogenheit, mit Partizipationsprozessen und
       Sanierungsstudien Geld zu verdienen, davon Eigentumswohnungen zu kaufen und
       MieterInnen zu verdrängen, zeigt […], was für ein A… man sein kann.“
       
       ## Flugblätter mit Vorwürfen
       
       Darf ein Mieterberater eine Mieterin zwangsräumen lassen? Juristisch gibt
       es darauf eine klare Antwort: Ja – wenn er sich an die entsprechenden
       gesetzlichen Regelungen hält. Das hat Alexander Schmidt getan. Die
       Grünen-Abgeordnete Nicole Ludwig, die im selben Kiez wohnt und Schmidt seit
       Jahren kennt, findet die Flugblätter von „Zwangsräumung verhindern“, in
       denen der vollständige Name sowie der Arbeitgeber Schmidts genannt werden,
       einen „unverschämten Fall von Verleumdung“.
       
       Schmidt habe sich durch sein Engagement im Kiez verdient gemacht, die
       Eigenbedarfskündigung sei zudem „angesichts seiner Lebensverhältnisse
       absolut nachvollziehbar und nicht mit bösartiger Verdrängung in
       Zusammenhang zu bringen“, argumentiert Ludwig in einem offenen Brief an das
       Bündnis. „Hier geht es offenbar um einen persönlichen Konflikt zwischen
       Mitgliedern von ’Zwangsräumung verhindern‘ und dem Betroffenen. Es wird
       versucht, diesen Fall zu persönlichen Zwecken zu instrumentalisieren“,
       sagte Ludwig der taz.
       
       Das Bündnis weist diese Vorwürfe zurück: „Die Mieterin hat sich im Dezember
       an uns gewandt und um Unterstützung gebeten“, sagt Sprecher David Schuster.
       Mit Flugblättern und Informationsveranstaltung versuche man, den Fall im
       Kiez bekannt zu machen – auch um Schmidt zum Einlenken zu bringen: „Es gibt
       viele, die darüber empört sind, aber eigentlich einen guten Kontakt zu ihm
       haben – wir hoffen, dass es da noch eine Vermittlung geben kann“, sagt
       Schuster.
       
       Engagement hat rund um den Klausener Platz eine lange Geschichte: 1973
       wurde hier die erste Mieterinitiative Berlins gegründet. Auch heute
       engagieren sich die AnwohnerInnen überdurchschnittlich stark für ihren
       Kiez.
       
       Nicht nur bei der Bewertung des Falls, sondern schon in seiner Beschreibung
       weichen die Darstellungen stark voneinander ab: Laut der
       Grünen-Abgeordneten Ludwig hat Schmidt, der für eine Stellungnahme selbst
       nicht zu erreichen war, der Frau mehrfach Ersatzwohnungen angeboten, die
       die Mieterin jedoch kategorisch abgelehnt habe. Bündnissprecher Schuster
       hingegen sagt, ein solches Angebot habe es nur ein einziges Mal gegeben:
       Das liege aber Jahre zurück und sei nur sehr vage geäußert worden.
       
       Doch auch abgesehen von solchen Streitigkeiten scheint eine Einigung
       schwierig: „Bei einer Eigenbedarfskündigung prallen die gegensätzlichen
       Interessen des Vermieters und des Mieters genau aufeinander – dieser
       Konflikt lässt sich nicht einfach lösen“, sagt der Stadtsoziolge und
       Gentrifizierungsexperte Andrej Holm. Zwar kenne er nicht alle Details
       dieses Falls, „aber angesichts der Verdrängungsdynamiken in Berlin, die dem
       Vermieter durch seine berufliche Tätigkeit ja bestens bekannt sind, ist
       eine Positionierung zum Schutz der Mieter wünschenswert“. Juristisch sei
       Schmidt im Recht. „Legitimer aber wäre es, hier als Mieterberater eine
       moralische Vorreiterrolle einzunehmen und auf die Räumung zu verzichten“,
       meint Holm. Momentan ist diese für den 13. Februar angesetzt. Bleibt es
       dabei, will das „Zwangsräumung verhindern“-Bündnis „mindestens präsent
       sein“.
       
       2 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malene Gürgen
       
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