# taz.de -- Polizeigewalt in den USA: Würgegriff im Ermessen der Polizei
       
       > Ein Polizist würgte einen Schwarzen zu Tode – eine Grand Jury entschied,
       > keine Anklage zu erheben. Überall in den USA kommt es zu Protesten.
       
 (IMG) Bild: Tausende demonstrierten in New York gegen straffreie Polizeigewalt
       
       NEW YORK taz | „Wessen Straße? Unsere Straße!“ Zu diesem Schlachtruf sowie
       zu den tausendfach wiederholten letzten Worten von Eric Garner: „I can't
       breathe“ – „Ich kann nicht atmen“ – legten DemonstrantInnen am späten
       Mittwoch Abend weite Teile von Manhattan lahm.
       
       Unter anderem blockierten sie zentrale Verkehrsknotenpunkte. Darunter den
       Lincoln Tunnel, den Grand Central Bahnhof, den West Side Highway, den Times
       Square, die Brooklyn Bridge und eine Zufahrt zur Bronx. Eine versuchte
       Blockade des Rockefeller Centers misslang. Die Polizei überflog Manhattan
       bis tief in die Nacht mit Hubschraubern, kam mit Helmen und Schlagstöcken
       auf die Straße und nahm bis Mitternacht Dutzende Menschen fest.
       
       Unter den jungen Leuten, die in vielen getrennten Demonstrationen im
       Laufschritt durch die nächtlichen Straßen von New York liefen, waren neben
       schwarzen Jugendliche auch mindestens ebenso viele weiße.
       
       Am späten Nachmittag hatte eine Grand Jury in dem New Yorker Bezirk Staten
       Island entschieden, den Polizisten Daniel Pantaleo nicht anzuklagen. Nicht
       wegen Mordes und nicht einmal wegen fahrlässiger Tötung. Der weiße Polizist
       hatte den unbewaffneten schwarzen Eric Garner (47) in den Würgegriff
       genommen und umgebracht. Mindestens vier weitere Polizisten hielten Garner
       dabei in Bauchlage fest. Das einzige „Vergehen“ von Garner war es, dass die
       Polizei ihn verdächtigte, einzelne Zigaretten zu verkaufen. Das Opfer
       bestritt diesen Vorwurf.
       
       ## Spätes Bedauern
       
       „Ich frage mich, welches Video die Grand Jury gesehen hat“, sagte Gwen
       Carr, die Mutter des toten Eric Garner am Mittwoch Abend. Seine Frau Esaw
       Garner weigerte sich, die Entschuldigung anzunehmen, die der
       Polizeioffizier kurz nach dem Entscheid der Grand Jury an die Familie
       seines Opfers gerichtet hatte. Er schrieb: „Ich fühle mich sehr schlecht
       wegen des Todes von Herrn Garner“. Die Witwe erwiderte: „Er hatte genügend
       Zeit zum Bedauern, als mein Mann in seinem Würgegriff elf Mal rief: Ich
       kann nicht atmen.“
       
       Das Szenario von Staten Island erinnert an das von Ferguson, wo eineinhalb
       Wochen zuvor ein anderer weißer Polizist von einer Grand Jury von jedem
       kriminellen Verdacht reingewaschen worden war. Doch die Entscheidung von
       Staten Island ist noch radikaler. Denn anders als von der Erschießung des
       unbewaffneten schwarzen Teenagers Michael Brown in Ferguson, gibt es in
       Staten Island ein Video, das den kompletten Polizeieinsatz zeigt, der mit
       dem Tod von Eric Garner endete.
       
       Ein Passant filmte am 17. Juli die Szene mit seinem Handy und stellte sie
       ins Internet. Wenige Tage später verhaftete die Polizei den Passanten wegen
       eines angeblichen Deliktes. Beinahe zum selben Zeitpunkt stellte ein
       amtlicher Gerichtsmediziner in New York fest, dass Eric Garner einer
       „Tötung“ zum Opfer gefallen war. Als Todesursachen nannte der
       Gerichtsmediziner: „Würgegriff“, „Pressung der Brust“ und die erzwungene
       „Bauchlage“ des Opfers.
       
       ## Andauernde Schikane
       
       Als ein Polizist Eric Garner am 17. Juli wegen des angeblichen illegalen
       Zigarettenverkaufs zur Rede stellte, reagierte der sechsfache Vater mit den
       Worten: „Jedes Mal, wenn Ihr mich seht, macht Ihr diesen Mist. Ich bin es
       leid. Es hört heute auf. Ich verkaufe nichts.“ Wenige Minuten später war
       der asthmakranke 47-jährige Garner tot. Wer den Polizisten des New York
       Police Department (NYPD), die gelegentlich „New York's Finest“ genannt
       werden, beim Töten zusehen möchte, [1][möge auf dieses Video klicken]
       (Vorsicht, Gewaltdarstellung).
       
       In Staten Island leben zahlreiche PolizistInnen und ihre Angehörigen.
       Politisch ist es der konservativste New Yorker Bezirk. Mit der Entscheidung
       der Grand Jury scheint der Weg zu einem Strafverfahren gegen den
       29-jährigen Polizisten verbaut. Unabhängig davon verlangen die Angehörigen
       des Toten in einem getrennten Zivilrechtsverfahren Schadensersatz von der
       New Yorker Polizei.
       
       Der US-Justizminister Eric Holder erklärte umgehend nach Bekanntwerden der
       Grand Jury-Entscheidung, er werde getrennte Untersuchungen über eine
       mögliche Verletzung der Bürgerrechte Eric Garners einleiten.
       
       ## Entscheidung der Polizei
       
       New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio zeigte Verständnis für die Empörung
       über den Grand-Jury Entscheid, stellte aber zugleich ein hartes
       Durchgreifen seiner Polizei in Aussicht. Ein paar Stunden zuvor hatte der
       linke Demokrat es in einem Interview abgelehnt, den polizeilichen
       Würgegriff grundsätzlich zu verbieten.
       
       De Blasio will den Umgang mit der gefährlichen Methode der New Yorker
       Polizei überlassen. Auch Barack Obama schaltete sich erneut in die hitzige
       Debatte über Polizeigewalt gegen Angehörige von Minderheiten und
       institutionellen Rassimus ein. Einmal mehr versicherte der Präsident, dass
       er „absolut engagiert“ sei, aus den USA ein Land zu machen, „in dem jeder
       an das Grundprinzip glaubt, dass wir gleich vor dem Gesetz sind.“
       
       „Shut it down“ riefen unterdessen DemonstrantInnen in der größten Stadt der
       USA: „Legt alles still“. Die Proteste am Mittwoch Abend in New York,
       Washington (D.C.), Seattle, Oakland und Ferguson waren erst der Anfang. Für
       Donnerstag sind in zahlreichen Städten neue Demonstrationen gegen den
       Freibrief zum Töten für PolizistInnen geplant.
       
       4 Dec 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=j1ka4oKu1jo.
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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