# taz.de -- Nach Syriza-Wahlsieg in Griechenland: Angst im Angesicht der Querfront
       
       > Mehr stammelnd als selbstbewusst kommentieren Linke, dass die linken
       > Wahlsieger um Tsipras mit Nationalisten koalieren. Warum?
       
 (IMG) Bild: Bei der Vereidigungszeremonie im Präsidentenpalast: der neu ernannte griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras
       
       Sonntagnacht noch gab es bei allen, die irgendwie finden, den Griechen
       müsste im Angesicht der Wirtschaftskrisen aufgeholfen werden, mindestens so
       etwas wie klammheimliche Freude. Jubel bei der Linkspartei gab es, klar.
       Aber auch bei Grünen und Sozen dominierte ein Gefühlsklima von wegen: Nun
       sind die Blöcke, die bis zu Bahnhofswärterjobs alles unter sich aufteilten,
       abgehalftert, die konservative Nea Dimokratia wie die sozialdemokratische
       Pasok. Gut so!
       
       Montag schließlich der Schock für alle, denen an einer Grenze zum
       eurasischen Projekt Russlands gelegen ist – und daran, dass die europäische
       Idee der Freiheit unter keinen Umständen preisgegeben wird: Syriza geht
       eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei Anel ein. Man hätte,
       ausweislich erster Posts im Internet, gewarnt sein können.
       
       Tragende Figuren der Montagsdemos begrüßten den Syriza-Sieg inständig, auch
       der bekannte Exlinke und inzwischen als Verschwörungstheoretiker empfundene
       Jürgen Elsässer. Sahra Wagenknecht jedenfalls, Spitzenpolitikerin der
       Linken, teilte mit, man wisse so wenig über die innergriechischen
       Verhältnisse und außerdem habe es keine anderen Koalitionsmöglichkeiten
       gegeben.
       
       Das war schon an diesem Abend nicht wahr – denn es hätten natürlich die
       Newcomer von To Potami gegeben: Linksliberale ohne den Schmier
       jahrzehntelanger Teilhabe am Beuteschema von Posten und Pöstchen. Aber
       denen fehlte wohl das Bewusstsein für die ganz andere Alternative. Was
       nämlich Syriza und Anel eint, ist ein Glaube, dass das Europa der EU von
       größerem Übel ist als das, was Moskau zu bieten hat.
       
       ## Kompromisse muss man machen
       
       Der neue Außenminister Nikos Kotzias verfügt nicht nur über gute Kontakte
       in Russlands rechte Szene, sondern vor allem zu deren Guru, Alexander
       Dugin, einem antiwestlichen Hetzer, bekennenden Homophobling,
       Antidemokraten und intellektuellen Vordenker des eurasischen, also
       antifreiheitlichen Projekts Europas.
       
       So weit, so gruselig. Aber: Was macht die hiesige Linke? Gibt sich tapfer,
       gleichwohl atmosphärisch ganz leicht erkältet. Das Neue Deutschland
       formulierte einen Generalbass im Sinne von: Kompromisse muss man machen.
       Aber: Kompromisse hätte man doch mit den Linksliberalen machen können.
       
       Dietmar Bartsch, einer der wichtigsten Funktionäre der Linkspartei,
       hingegen formuliert in der Jungle World wenigstens ein gewisses Unbehagen:
       „Das sind Entscheidungen, die man aus der Ferne schwer beurteilen kann.
       Eine Einschätzung politischer Kräfte in Griechenland kann und will ich
       nicht aus dem Ärmel schütteln. Ja, ich finde eine Zusammenarbeit, erst
       recht Koalitionen mit rechtspopulistischen Parteien nicht akzeptabel. Es
       ist aber offensichtlich so, dass nicht massenhaft Partner für Syriza
       bereitstanden.“ Plötzlich will man, was den Blick auf andere Länder
       anbetrifft, es nicht so genau wissen können: seltsam, da doch sonst alles,
       was in der Welt geschieht, umgehend eine linke Erklärung nach sich zieht.
       
       Im Internet allerdings wird die Gemengelage schon krasser verhandelt. Die
       einen posten mit Blick auf Syriza vom „Hitler-Stalin-Pakt mit
       Alexis-Sorbas-Appeal“, andere gruseln sich vor der Gemeinsamkeit beider
       Parteien im Hinblick auf die Unterstützung der Demokratisierung in der
       Ukraine durch die EU – aber es gibt vor allem in Hülle und Fülle
       FreundInnen der griechischen Querfront an der Macht: Man könne keine
       Rücksicht nehmen auf Nebenwidersprüche (Freiheit, Migration, Rassismus und
       weiteres Gedöns), jetzt komme es auf den Hauptwiderspruch an. Hier den
       zwischen Imperialismus (also USA, Israel und Merkel) und den Unterdrückten
       (Griechenland vor allem).
       
       Hauptwiderspruch, zur Erläuterung, ist in den Siebzigern eine beliebte
       Vokabel bei Linken gewesen, mit der sie erklärten, dass die Sowjetunion gut
       sei, allen Gulags zum Trotz, weil dort das Kapital nicht regiere – und die
       Nebengeschichten erledigt werden könnten, wenn die USA und ihre
       Helfershelfer endgültig besiegt seien. Man darf vor dieser Logik im Sinne
       gesellschaftlicher Liberalität Angst haben.
       
       Mit anderen Worten: Eine Linkspartei, die die Syriza-Koalitionswahl nicht
       zum Skandal macht – ja, ist die überhaupt noch links? Und: Hatten nicht
       Kommunisten am Ende der Weimarer Republik vor allem das Liberale gehasst,
       ebenso die Sozialdemokratie – die sie mehr verabscheuten als die NSDAP?
       
       30 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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