# taz.de -- Arte-Doku über Jean-Paul Gaultier: Am Anfang war der Flohmarkt
       
       > Er ist das Enfant terrible des Pariser Prêt-à-porter, einer der größten
       > Modemacher unserer Zeit: Jean Paul Gaultier. Arte hat ihn portraitiert.
       
 (IMG) Bild: Jean-Paul Gaultier (r.) mit einer seiner Kreationen.
       
       Breitbeinig steht er da in dunkler Hose, dunklem Pullover und trotz
       inzwischen silbergrauem Haar: unverkennbar Jean Paul Gaultier. Er soll sich
       in alte Zeiten zurückversetzen, für Loïc Prigents Arte-Dokumentarfilm „Jean
       Paul Gaultier arbeitet", der anläßlich der großem Museumsausstellung im
       Grand Palais in Paris entstand, die noch bis zum 3. August zu sehen ist.
       
       Die alten Zeiten, bekanntlich kommen sie nicht wieder. Im Fall von Gaultier
       trifft das in besonderer Weise zu: Das Enfant terrible des Pariser
       Prêt-à-porter hat 2014 diese Sparte komplett aufgegeben und konzentriert
       sich künftig nur noch auf die Haute-Couture und das Parfumgeschäft.
       
       Höchste Zeit also, dass er seine ikonischen Entwürfe noch einmal vor der
       Kamera „erfindet" und ihre Entstehungsgeschichte erklärt. Am Anfang, sagt
       der Meister gut gelaunt, war der Flohmarkt. Denn 1976 gab es kein Geld. Nur
       den Flohmarkt von St. Pierre, die Cousine, die strickte und häkelte, die
       Hausmeisterin mit der Nähmaschine und die Mutter, die mit allem zu helfen
       versuchte.
       
       Ein lachsfarbenes altes Satinbustier, das er damals fand, kombinierte er
       mit einer alten abgeschnittenen Jeans, die er zum hohen Bund eines weißen
       Tüllrocks machte. Dazu kam eine alte Lederjacke, die wie das Satinbustier
       mit Nieten versehen war. Das Ensemble, strahlt Jean Paul Gaultier, „enthält
       alles, was meinen Stil ausmacht". Und seine Methode, die da heißt: sammeln,
       verwandeln, mischen und veredeln.
       
       ## Phantasie und Alltägliches
       
       Das lachsfarbene Mieder wird durchgängig in seinen Kollektionen zu sein, ob
       als bis zum Boden geschnürtes Korsettkleid oder als Bustier mit weit
       hervorragenden konischen Kegelbrüsten wie es Madonna auf ihrer Blond
       Ambition Tour 1990 berühmt machte. Und wenn es die Frauen nicht tragen,
       dann dürfen bei Gaultier die Männer an.
       
       Die gleiche Signatur für Gaultiers Stil hat dann noch das weiß-blau
       geringelte Marine-Shirt. Auch hier entzündet sich Gaultiers Modephantasie
       an einem ganz alltäglichen Kleidungsstück. Dass schon Pablo Picasso seine
       ikonische Qualität für sich zu Nutzen wusste, das weiß natürlich keiner
       besser als Jean Paul Gaultier. Und definitiv keiner weiß besser als er, was
       mit diesem simplen, gerne Basic genannten Kleidungsstück, alles angestellt
       werden kann.
       
       ## Feder für die Haut Couture
       
       Schneidet man an den richten Stellen in das Shirt und zieht eine weiße
       Kordel durch die Öffnungen, wird auf dem Hemd ein Anker sichtbar. Einen
       extrem glamourösen Haut-Couture Auftritt erhält das bodenlange Hemd, sobald
       es ab der Hüfte erst ganz zart und im Weiteren immer üppiger mit Federn
       besetzt wird. Werden die Streifen nicht einfach gedruckt, sondern Bahn für
       Bahn aneinandergenäht, dann können sie am Rücken nur locker
       miteinanderverwobenen ein freizügiges Dekolleté ergeben.
       
       Natürlich dreht der Meister dieses Rückendekolleté auf dem Laufsteg nach
       vorn, auf den Bauch, eine für ihn typische Geste, das Alte neu zu denken,
       das gerade neu Gefundene sofort wieder infrage zu stellen, zu provozieren
       und schockieren.
       
       Im Film sieht das leicht aus, wie er die Welt auf den Kopf stellt und
       feministische Aggressivität und homosexuelles Outing in bestürzend
       unorthodoxe Modeklassiker übersetzt. Doch das ist es nicht, auch wenn
       Gaultier am Ende kokettiert: „Ich hoffe, Sie sind nun alle in der Lage,
       mich zu kopieren". Wir haben nämlich, wenn wir den Film sehen, zu spät
       angefangen zu trainieren.
       
       Denn es war schon der siebenjährige Jean Paul, der zwei runde Kreise aus
       Pappe schnitt, die er mit Hilfe eines Einschnitts zu je einem Kegel
       aufstellen konnte, der also die Samtgranaten-Brüste erfand, die ihn später
       berühmt machten, nur weil er wollte, dass sein Teddy aussah wie die
       Tänzerinnen aus den Folie Bergère.
       
       15 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Arte
 (DIR) Modebranche
 (DIR) Designer
 (DIR) Dokumentarfilm
 (DIR) Krise
 (DIR) Internet
 (DIR) Dokumentarfilm
 (DIR) Wettbewerb
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Zum 25. Geburtstag des Senders: Arte braucht den Dokumentarfilm
       
       Arte feiert am Dienstag 25. Geburtstag. Doch gerade jetzt verliert der
       Sender seine Identität, weil er am großen Dokumentarfilm spart. Ein
       Gastbeitrag.
       
 (DIR) Griechischer Film „A Blast – Ausbruch“: Unkontrollierte Energie
       
       Syllas Tzoumerkas' neuer Spielfilm handelt, wie sein Vorgänger, vom inneren
       Zerfall einer Familie. Eine Krise in Zeiten der ökonomischen Krise.
       
 (DIR) Personalisierte Doku zum Tracking: Sie folgen dir fast überall
       
       Eine Webdoku von Arte und BR zeigt, wie Verhalten im Netz analysiert wird.
       Der Nutzer kann anhand seiner eigenen Daten sehen, wer ihn überwacht.
       
 (DIR) Dokumentarfilme über Heimat: Irgendwo Zuhause
       
       Auf der gerade gestarteten Dokfilmwoche in Hamburg laufen eigentlich keine
       Heimatfilme. Aber in diesem Jahr kreisen doch viele der Filme um die Frage,
       was einen Ort für wen zur Heimat macht
       
 (DIR) Doku über Pianistennachwuchs: Imagepolitur für die Klassik
       
       Im Dokumentarfilm „Jung + Piano“ begleitet Oliver Gieth die Teilnehmer am
       „Tonali“-Wettbewerb für Klavier-Nachwuchs – koproduziert von den
       Ausrichtern.