# taz.de -- Griechischer Film „A Blast – Ausbruch“: Unkontrollierte Energie
       
       > Syllas Tzoumerkas' neuer Spielfilm handelt, wie sein Vorgänger, vom
       > inneren Zerfall einer Familie. Eine Krise in Zeiten der ökonomischen
       > Krise.
       
 (IMG) Bild: Wann wer in der Familienkonstellation explodiert, ist ungewiss.
       
       Die Bezeichnung „Krisenkino“ ist im Zusammenhang mit dem griechischen Film
       schon öfter gefallen. Die ironisch-affirmative Aneignung des Krisenbegriffs
       war der wenig überraschenden Erkenntnis geschuldet, dass jede
       Mangelökonomie auch künstlerische Freiheiten birgt. Wobei unausgesprochen
       blieb, dass Originalität und ein Interesse an Lebenswirklichkeiten eher
       nicht von einer Filmindustrie zu erwarten sind, die sich von öffentlichen
       Fördermitteln abhängig macht.
       
       Die Neue Griechische Welle, die mit „Alpen“ von Yorgos Lanthimos und Athina
       Rachel Tsangaris „Attenberg“ vor einigen Jahren auch die deutschen Kinos
       erreichte, war das Produkt einer ökonomischen Krise und gleichzeitig ihr
       Seismograf. Produktion und Rezession verliefen parallel, was den Filmen
       nicht nur eine zeitdiagnostische Qualität verlieh, sondern auch eine große
       Unberechenbarkeit.
       
       Von den griechischen Filmemachern und Filmemacherinnen, die vor etwa fünf
       Jahren im internationalen Arthouse-Kino auf sich aufmerksam machten, ist
       Syllas Tzoumerkas derjenige, der dem Begriff des „Krisenkinos“ eine ganz
       eigenständige filmische Form abgewinnt. „A Blast – Ausbruch“, sein zweiter
       Spielfilm nach dem Familiendrama „Homeland“, trägt den explosiven Druck der
       Krise schon im Titel. Der Titel ist sozusagen Programm und das in einer
       Konsequenz, die im europäischen Autorenkino momentan ihresgleichen sucht.
       
       Gleich die Eröffnungsszene ist eine eindrucksvolle Demonstration dieser
       unkontrollierten Energie: Ein Auto rast in die Dunkelheit, während im Radio
       eine Nachrichtenstimme von sich rasch ausbreitenden Waldbränden berichtet.
       Am Steuer sitzt Maria, gespielt von Angeliki Papoulia. Sie befindet sich
       auf der Flucht. Wovor sie flieht, entfaltet „A Blast – Ausbruch“ in
       ausgeklügelten, elliptisch arrangierten Rückblenden, die mit irrer Wucht um
       ein Kraftfeld kreisen.
       
       ## Kollaps als Hintergrundszenario
       
       Es handelt sich wie schon in Tzoumerkas’ Debütfilm um eine Familie im
       fortgeschrittenen Stadium des Zerfalls, für den der wirtschaftliche Kollaps
       Griechenlands (die Fernsehnachrichten stellen reichlich Subtext her) ein
       reifes Hintergrundszenario bildet. Maria muss den Familienbetrieb vor dem
       Ruin retten, zugleich will sie ihr bisheriges Leben hinter sich lassen:
       ihre boshafte Mutter, die aus dem Rollstuhl heraus die Familie
       tyrannisiert, einen Ehemann, der kaum noch zu Hause ist, ihre einfältige
       Schwester und deren faschistischen Ehemann und ihre drei Kinder, deren
       Erziehung die entkräftete Mutter überfordert.
       
       Diese Impulsivität zeichnete schon „Homeland“ aus. Tzoumerkas verzichtet
       auf Expositionen, die Aktion bricht unmittelbar aus den Figuren hervor.
       Eine Chronologie der Ereignisse lässt sich auch in „A Blast – Ausbruch“ nur
       schwer ausmachen. Als der Film beginnt, hat die Krise längst ihren
       Höhepunkt erreicht. Die Konvention, eine Geschichte von ihrem Ende her zu
       erzählen, hat bei Tzoumerkas jedoch Methode. Das Krisenhafte seines Films
       besteht in einer produktiven Beunruhigung, die sprunghafte Montage legt
       permanent Bruchstellen in der Geschichte offen.
       
       ## Prügel für jeden
       
       Die zeitliche Verunsicherung wird durch das unberechenbare Temperament der
       Figuren noch verstärkt. Pädagogisch ist „A Blast – Ausbruch“ durchaus
       fragwürdig. Lange nicht mehr haben in einem Film Familienmitglieder
       dermaßen viel aufeinander eingeprügelt: Eltern schlagen ihre Kinder, Kinder
       ihre Eltern und einmal schmeißt Maria ihrem Schwager einen PC auf den Kopf.
       
       Mit diesem Adrenalinhaushalt steht „A Blast – Ausbruch“ den Filmen Yannis
       Economides’ wesentlich näher als den unterkühlten Versuchsaufbauten eines
       Yorgos Lanthimos. Viel mehr jedoch deutet sich an, dass sich einige
       griechische Regisseure aus einer nationalen „Welle“ zu lösen beginnen und
       ein eigenständiges Werk konturieren. Die Linien, die Tzoumerkas mit seinen
       Filmen zieht, sind alles andere als fein. Sie sind mit der Faust
       gezeichnet.
       
       16 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Busche
       
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