# taz.de -- Zum 50. Todestag von Picasso: Am Sockel darf gerüttelt werden
       
       > Gerade weil er ein Popstar der Kunstgeschichte ist, sollte Pablo Picasso
       > hinterfragt werden. Was seine Rezeption braucht, ist: Kontext.
       
 (IMG) Bild: Picasso und Francoise Gilot in einem Filmstill 1950
       
       In nur zwei Sätzen sezierte die australische Kunsthistorikerin, Feministin
       und Comedienne [1][Hannah Gadsby] 2018 in einer ihrer Shows die Ikone Pablo
       Picasso. Kubismus, also die Gleichzeitigkeit mehrerer Perspektiven in der
       Avantgarde-Malerei, das sei natürlich eine wichtige Erfindung Picassos,
       sagte sie da. „Was für ein Held!“ Eine Perspektive fehle allerdings, die
       einer Frau. „Er hat sich einfach einen Kaleidoskop-Filter auf seinen
       Schwanz gesetzt.“
       
       Picasso muss ein frauenfeindlicher Macho gewesen sein. Erst mit der
       #Metoo-Bewegung rückt auch diese unschöne Seite des Künstlers in die
       öffentliche Wahrnehmung. Lange Zeit hat Picassos Popstar-Status jede Form
       der Kritik unmöglich gemacht. Sein [2][Antikriegsbild Guernica von 1937],
       seine [3][Friedenstaube von 1949], die noch heute weltweit als
       Friedenssymbol verwendet wird, sie tragen zur Heldenerzählung des Pablo
       Picasso bei.
       
       Als die französische Künstlerin Françoise Gilot 1964 versuchte, an diesem
       Heldenbild zu kratzen, wurde sie noch gesellschaftlich geächtet. Sie hatte
       ein Buch über die schwierigen zehn Jahre ihres Zusammenlebens mit dem
       vierzig Jahre älteren Künstler veröffentlicht. In einer Petition wendeten
       sich achtzig öffentliche Persönlichkeiten gegen sie, Picasso sorgte dafür,
       dass kein Kunsthändler mehr ihre Bilder kaufte. Gilot floh schließlich in
       die USA.
       
       Das ist mittlerweile anders. In ihrem 2017 erschienenen Buch „Picasso, der
       Minotaurus“ beschreibt die Journalistin Sophie Chauveau Picasso zwar als
       „genialen Künstler“, aber eben auch als „gewalttätigen, eifersüchtigen,
       perversen und zerstörerischen“ Mann. Aus feministischer Sicht müsse man
       sich von Künstlern wie Picasso heute distanzieren, sagt auch die
       US-amerikanische Kunstwissenschaftlerin Abigail Solomon Godeau.
       
       Fragwürdiger Umgang mit Frauen 
       
       Nun, am 8. April, jährt sich Picassos Todestag zum 50. Mal. Um die fünfzig
       Sonderausstellungen wurden weltweit mit Unterstützung der spanischen und
       französischen Regierung unter der Initiative „Celebrating Picasso 1973 –
       2023“ organisiert. In Spanien allein sind zur Feier des Jubiläums 16 Shows
       angesetzt.
       
       Picasso wird gefeiert. Für seine Kunst zu Recht. Aber Picassos fragwürdiger
       Umgang mit Frauen bleibt noch zu häufig unerwähnt. Frauen seien „Göttinnen
       oder Fußabstreifer“, soll er Françoise Gilot gegenüber gesagt haben. Sie
       war eine der wenigen Frauen an seiner Seite, die es gewagt hatten, Picasso
       zu verlassen. Viele andere servierte er irgendwann ab und [4][ersetzte sie
       schnell durch neue.] Zwei von ihnen begingen später Selbstmord.
       
       Aus heutiger Sicht gibt es weitere problematische Seiten an Picasso. Sein
       Umgang mit Kunst aus ehemaligen afrikanischen Kolonien etwa. Picasso war
       von afrikanischer Kunst fasziniert und besaß eine große Sammlung an Masken,
       Statuen oder Fetischen. Sie waren ihm Quelle der Inspiration. Doch als er
       1920 gebeten wurde, ein paar Zeilen zu einem Zeitschriftenartikel über
       afrikanische Kunst beizutragen, soll er geantwortet haben: „Afrikanische
       Kunst? Nie davon gehört.“
       
       Picassos 50. Todestag kann eine Wende sein im Umgang mit dem Mythos des
       Künstlers. Was Picasso braucht, ist: Kontext, Kontext, Kontext. Runter vom
       Sockel, ohne seine Kunst selbst zu marginalisieren. Gelingt das, kann
       dieses Jubiläumsjahr zu einem Geschenk für die Kunstgeschichte werden.
       
       8 Apr 2023
       
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