# taz.de -- Rechte Proteste gegen Infektionsschutzgesetz: „Querdenker“ mit Gewaltvirus
       
       > Am Mittwoch wollen die „Querdenker“ den Beschluss des
       > Infektionsschutzgesetzes im Bundestag verhindern. Die Polizei ist
       > vorgewarnt.
       
 (IMG) Bild: Mindestens eine Seite will die Konfrontation
       
       Berlin taz | Für die rechte Mischszene aus Querdenken, Impfgegner*innen,
       Teilen der AfD und Neonazis scheint die Zeit der schnöden Demonstrationen
       vorbei zu sein. So radikal wie nie zuvor mobilisiert das Spektrum am
       Mittwoch nach Berlin, um den Beschluss des [1][Infektionsschutzgesetzes] im
       Bundestag zu verhindern. Aufgerufen wird zu Blockaden der Zufahrtswege zum
       Reichstagsgebäude oder gleich zum [2][Sturm des Parlaments]. Gewalt
       erscheint vielen gerechtfertigt, um ein neues „Ermächtigungsgesetz“ zu
       verhindern. In Facebookgruppen rufen User dazu auf, sich zu bewaffnen oder
       Berlin „brennen“ zu lassen.
       
       Mit Angstszenarien puscht die Szene den Termin zum ultimativen Tag des
       Widerstands gegen eine drohende Diktatur – ein Tag X, von dem die extreme
       Rechte schon seit Langem träumt. Vereinzelte Abgrenzungsversuche aus dem
       Querdenken-Spektrum gegen die Teilnahme organisierter Neonazis bleiben ohne
       Resonanz, während etwa ein Sharepic, das die Unterstützung durch NPD,
       Pegida, Identitäre Bewegung und ähnliche Gruppen ankündigt, viral geht. Auf
       den Straßen ist der Schulterschluss zwischen dem radikalisierten
       bürgerlichen Spektrum und der Naziszene eh schon längst vollzogen – wie
       zuletzt am vorletzten [3][Samstag in Leipzig].
       
       Die Berliner [4][Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand], der
       erste organisatorische Zusammenschluss von Corona-Leugner*innen, der sich
       „antifaschistisch“ nennt, schreibt in ihrem Newsletter von dem Versuch,
       „uns final in die totalitärste Kontrolldiktatur der Menschheitsgeschichte
       zu stürzen“. In Hunderten Chatgruppen wird gewarnt, das Gesetz bringe den
       „Impfzwang“, den Einsatz der Bundeswehr oder den „Verlust sämtlicher
       Grundrechte“ mit sich.
       
       Tatsächlich soll das „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung“ Maßnahme
       zur Bekämpfung des Coronavirus für die Dauer einer epidemischen Lage
       regeln, also etwa Ausgeh- und Kontaktbeschränkungen, die Schließung von
       Geschäften oder auch die Beschränkung von Demonstrationen. Bewirkt werden
       soll damit eine Rechtssicherheit der Maßnahmen, die schon bislang vielfach
       getroffen wurden. Für „stark einschränkende Schutzmaßnahmen“ wird ein
       Schwellenwert von 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner*innen innerhalb
       von sieben Tagen genannt, für „schwerwiegende Schutzmaßnahmen“ liegt der
       Wert bei 50 Neuinfektionen. Im Eilverfahren soll das Gesetz am Mittwoch im
       Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.
       
       ## Flut von Versammlungen
       
       Bis Montagmittag lagen bei der Polizei zwölf Versammlungsanmeldungen vor,
       davon den Mottos nach zwei bis drei von [5][Gegenprotesten], alle in Nähe
       des Reichstages. Neben Einzelpersonen haben auch die AfD Brandenburg und
       Impfgegner des Netzwerks Impfentscheid Veranstaltungen angekündigt. Während
       die offiziellen Versammlungen frühestens um 9 Uhr starten, kursieren
       Aufrufe, sich schon ab 6 Uhr in dem Gebiet einzufinden.
       
       Angesichts des Wochentages und der kurzfristigen Mobilisierung scheint eine
       fünfstellige Teilnehmerzahl unrealistisch, jedoch sind aus vielen Regionen
       Busse angekündigt. In Sachsen ist der Mittwoch aufgrund des Buß- und
       Bettages gesetzlicher Feiertag. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus
       sieht „alle Zutaten für einen dynamischen und potentiell gewalttätigen
       Verlauf der Proteste“ gegeben.
       
       Polizeipräsidentin Barbara Slowik und Innensenator Andreas Geisel (SPD)
       kündigten am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses ein
       entschiedenes Vorgehen der Polizei an. Man werde keine Versammlungen ohne
       Mund-Nasen-Schutz zuzulassen. Sollte es doch dazu kommen, werde man
       Versammlungen so schnell wie möglich auflösen.
       
       Die Vergangenheit habe aber gezeigt, dass die Auflösungs-Aufforderung der
       Polizei von großen Teilen der Querdenken-Teilnehmer*innen mit
       Widerstandshandlungen beantwortet werde, sagte Slowik. Dass sich Tausende
       nicht an die Regeln hielten, „das kennen wir sonst nicht und macht es für
       uns so schwierig“. Das Ziel der meisten Teilnehmer*innen sei, „Bilder zu
       produzieren und auch die gewalttätige Auseinandersetzung mit der
       Staatsmacht zu suchen“.
       
       ## Weiter mit Beißhemmung
       
       Bei Nichteinhaltung der Hygieneregeln werde die Polizei „hart und
       entschlossen, aber auch mit Augenmaß vorgehen“, sagte Geisel. „Wir
       beobachten eine Radikalisierung. Aber nicht jeder, der Zweifel an den
       Coronabeschlüssen äußert, ist ein Extremist“, so der Innensenator. Die
       Zweifler dürften nicht durch falsche Zuschreibungen den Rechtsextremisten
       und Reichsbürgern zugetrieben werden.
       
       Bilder wie in Leipzig oder am [6][29. August vor dem Reichstag] wolle man
       aber unbedingt vermeiden, sagte Slowik. „Wir werden auch über andere
       Maßnahmen als die üblichen nachdenken müssen.“ Wasserwerfer sollen aber
       offenbar nicht zum Einsatz kommen.
       
       Seit Mai gibt es beim Staatsschutz eine Ermittlungsgruppe „Quer“, in der
       alle Verfahren im Zusammenhang mit Versammlungen zum Thema Corona gesammelt
       werden. Aktuell seien das 753 Straftaten und 40 Ordnungswidrigkeiten. Die
       meisten Verfahren seien bei den beiden großen Querdenken-Demonstrationen
       Anfang und Ende August angefallen. Auch würden den Coronaleugner*innen in
       Berlin bereits zwei Fälle von Brandstiftung zugeschrieben.
       
       100 weitere Versammlungen sind laut Geisel bis zum Jahresende angemeldet.
       Polizeipräsidentin Slowik wandte sich mit der Bitte an die Parlamentarier,
       eine Beschränkung der Teilnehmerzahl bei Versammlungen zu überdenken. Im
       Fall von Hygieneregelverstößen seien Demonstrationen mit 100 oder 500
       Teilnehmern für die Polizei deutlich leichter aufzulösen. Niklas Schrader,
       innenpolitischer Sprecher der Linken, wies das zurück. „Das kann keine
       Lösung sein.“
       
       16 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Reaktionen-auf-die-Corona-Proteste/!5710612
 (DIR) [3] /Corona-Protest-nach-Leipzig-Demo/!5724075
 (DIR) [4] /Corona-und-Verschwoerungstheoretiker/!5675712
 (DIR) [5] https://twitter.com/reclaimrosalux1/status/1328317291914792960?s=20
 (DIR) [6] /Protest-gegen-Coronamassnahmen-in-Berlin/!5710608
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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