# taz.de -- Punk mit Zeitgeist: Dauernervös und aufs Wesentliche reduziert
       
       > Die Berliner Punkband Benzin nimmt klug auf die Gegenwart Bezug. Am
       > Freitag spielt sie mit „Die Verlierer“ und „Sexverbot“ im Berliner SO36.
       
 (IMG) Bild: Von wegen sorry: Wenn „Benzin“ spielen, hat das SO 36 natürlich auf
       
       Eine zackige, wendige Schrammelgitarre, ein rasendes Schlagzeug,
       angepisster Gesang, Holterdipolter-Sound: So klingt die Krise bei der
       Berliner Punkband Benzin. Ihr jüngstes Album „Treibjagd“, erschienen im
       November vergangenen Jahres, hört sich wie ein wütender Kommentar zur
       grauen bis grausamen [1][politischen Gegenwart] an. Gleich im Auftaktsong
       „HDTV“ wird verhandelt, wie unerbauliche News in immer schnellerer Taktung
       auf einen einprasseln. „Was heute wieder los war, ich seh es es nur kompakt
       – in meinem HDTV sind die Dinge so abstrakt!“, singt Anne-Sophie Lohmann in
       diesem Stück, ihr Gesang überschlägt sich dabei fast. Der Track tippt viele
       große Themen unserer Zeit an, erzählt von der Situation an Europas
       Außengrenzen, von News Fatigue, von Bequemlichkeit – und setzt so den Ton
       für das gesamte Album.
       
       Die Punkband Benzin existiert seit sieben Jahren, 2019 erschien ein erstes
       Demo, vier Jahre später ein Live Tape. Die dritte Veröffentlichung
       erscheint nun auf dem für freshen Punk bekannten [2][Berliner Label] Static
       Age Records. Benzin besteht aus Anne-Sophie Lohmann (Gesang), Denes
       Bieberich (Schlagzeug), Phương Vu (Gitarre) und Tilman alias T. Rex (Bass),
       die Gruppe ist ein weiterer Abkömmling der „Allee der Kosmonauten“-Crew
       (weil viele Bands in einem Proberaum in dieser Straße ihre Alben
       einspielen, firmiert das lose Kollektiv unter diesem Namen). Personelle
       Überschneidungen gibt es auch mit anderen Acts dieser Szene, so spielen die
       Benziner:innen unter anderem bei Liiek, NOJ, Die Letzten Ecken,
       Ostseetraum, Schimmel über Berlin und Pigeon. Und der Mann namens T. Rex,
       hier am Bass, ist sowieso ein Faktotum und eine Art Stammproduzent dieser
       Szene.
       
       Schon Bands wie Aus und [3][Die Verlierer] sind aus diesem Dunstkreis
       hervorgegangen, das neue Album von Benzin ist nun ein weiteres Highlight.
       Ihr Sound orientiert sich dabei am US-Punk und -Hardcore der 1980er
       einerseits ([4][Dead Kennedys], Minutemen, Gang Green, SSD), erinnert
       andererseits auch an [5][frühe Deutschpunk-Bands mit weiblichem Gesang wie
       Hans-A-Plast oder Östro 430]: das bisweilen irre schnelle Tempo, die
       bratzigen und noisigen Gitarren, der dauernervöse Sound, die Reduktion aufs
       Wesentliche.
       
       ## Angriffslustig und feministisch
       
       Dazu kommen Lyrics, die die gesellschaftliche Gemengelage auf den Punkt
       bringen, zum Beispiel im Song „Alles“, der von der verbreiteten
       apokalyptischen Stimmung handelt und davon, sich in Opfererzählungen zu
       suhlen. „Alles ist am Untergehn/ (…) Alles!/ Im Keller!/ Alles schlechte
       Laune!/ Alles ist gegen ihn!/ Alle wollen ihre Ruhe!“ Dann kommen die Texte
       auch angriffslustig und feministisch daher („Ohne dich wird das nichts“),
       auch gelingt es Benzin, über Gemütszustände nicht platt oder pathetisch zu
       texten: „Aufgewacht! In einer Traumaspirale! Aufgewacht in einem
       Schockraum! Aufgewacht in einem Strudel“, heißt es im abschließenden Stück.
       
       Ein Plus dieses Albums: Benzin texten metaphorisch und nicht allzu
       eindeutig, wie das viele (Deutsch-)Punkbands vor ihnen getan haben. Zeilen
       wie „Fachkräftemangel“ werden eher beiläufig eingestreut, zwischendurch ist
       von den Arbeitsbedingungen in der Pflege die Rede. „Treibjagd“ zeigt also
       auch, dass Punk heute noch klug auf die politische Gegenwart Bezug nehmen
       kann.
       
       Die meisten Songs des Albums sind bereits 2021 aufgenommen worden, die Band
       hat zwischendurch pausiert, die Stücke nun aber wieder hervorgekramt und
       Anfang 2024 noch mal einige Lieder eingesungen. Das adäquate Cover, eine
       Zeichnung einer Polizeiwanne bei der Betankung, hat Anton Garber von der
       Band PUFF beigesteuert. Ganze 16 Minuten braucht die Band für ihre 12 Songs
       — wenn sie ihr Album diese Woche im SO36 vorstellen, darf man also einen
       Auftritt der Kategorie „fast and furious“ erwarten.
       
       14 Jan 2025
       
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