# taz.de -- Proteste bei der Spanien-Rundfahrt: Alle auf Israel!
       
       > Boykottforderungen gegen den jüdischen Staat gibt es schon immer. Derzeit
       > werden sie bei der Spanien-Rundfahrt der Radprofis vorgetragen. Aber
       > warum?
       
 (IMG) Bild: Protest bei der Vuelta: Die Absperrungen, hier auf der 11. Etappe bei Bilbao, halten dem Druck der Demonstranten nicht stand
       
       Es gibt Sätze, die waren völlig zu Recht über Jahrzehnte unumstritten, auch
       im Sport. [1][Jüdisches Leben] ist zu schützen, ist so ein Satz. Der ist so
       wichtig, dass auch heute ihm kaum jemand widersprechen möchte. Bloß: Diesen
       Satz gibt es immer häufiger mit einem angehängten „Aber“.
       
       Bei der [2][Vuelta] der Radprofis haben Demonstranten in der vergangenen
       Woche für den Abbruch einer Etappe gesorgt – wegen des Teams Israel-Premier
       Tech. Dessen Sportdirektor, der Spanier Óscar Guerrero, berichtete von
       Morddrohungen gegen sich und die Fahrer, von denen einer Israeli ist. Viele
       Beobachter befürchten eine weitere Eskalation, bis die Spanien-Rundfahrt am
       14. September zu Ende geht.
       
       Dagegen erscheinen andere Vorfälle als beinah harmlos. Mitte August etwa
       hatten in Köln britische Rollstuhlbasketballer ihren Gegnern den Rücken
       zugewandt, als die israelische Hymne lief. Mit Respekt vor jüdischem Leben
       hat dies nichts zu tun.
       
       Aufrufe, [3][Israel] zu boykottieren, gibt es so lange, wie es den Staat
       gibt, seit 1948. Da wurde Israel einen Tag nach seiner
       Unabhängigkeitserklärung von einer Allianz benachbarter Staaten angegriffen
       – und auch im Sport angefeindet. Gegen die Teilnahme Israels an der
       Fußball-WM 1950 gab es Proteste, der [4][Weltverband Fifa] gab dergestalt
       nach, dass das asiatische Land gegen europäische Teams spielte und gegen
       Jugoslawien in der Qualifikation scheiterte. Bezüglich Israels Teilnahme an
       den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki war es die [5][Sowjetunion] unter
       [6][Stalin], die Ägypten davon abbrachte, zu boykottieren.
       
       Bei den Mittelmeerspielen, die es seit 1951 gibt und die unter dem Patronat
       des [7][IOC] stattfinden, durfte Israel noch nie teilnehmen – völlig
       unabhängig davon, ob die Spiele gerade in Spanien oder im Libanon
       stattfinden, in Frankreich oder Algerien, in Italien (etwa nächstes Jahr:
       2026) oder im Nicht-Mittelmeer-Staat Kosovo (2030).
       
       So geht es seit 1948. Der jüdische Staat wird entweder offen angefeindet
       oder auf softe Weise aus dem Weltsport herausgedrängt. Ein Großteil der
       Boykotte oder Boykottforderungen wird nicht oder nur am Rande vermeldet.
       Auch wenn der Satz, jüdisches Leben sei zu schützen, keinen nennenswerten
       Widerspruch findet, so fällt doch auf: Jewish life does not matter very
       much.
       
       Das große „Aber“, das derzeit formuliert wird, wenn jemand das
       selbstverständliche Recht von Israelis, am Weltsport teilzunehmen,
       bestreitet, lautet: [8][Gaza]. Verwiesen wird auf die in Teilen
       rechtsextreme Regierung Israels und die von ihr verantwortete Kriegsführung
       (und nicht etwa die in toto terroristische Regierung des Gazastreifens und
       das von ihr verantwortete Massaker vom 7. Oktober 2023, das ja eine
       Kriegserklärung bedeutete).
       
       Früher waren es andere Vorwürfe gegen Israel, die Boykotte und Anfeindungen
       legitimieren sollten. 1948 etwa war es die bloße Existenz eines jüdischen
       Staates. Irgendwas, so scheint es, lässt sich immer finden, um ausgerechnet
       Israels Teilhabe infrage zu stellen. Dabei ist es doch genau dieses Land,
       das jüdisches Leben im Weltsport repräsentiert. Aber es folgt immer ein
       Aber.
       
       5 Sep 2025
       
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