# taz.de -- Köpi-Wagenplatz vor Räumung: Kein Risiko fürs Kapital
       
       > Ein letzter Gesprächsversuch mit dem Köpi-Eigentümer ist gescheitert. Am
       > Freitag soll der Wagenplatz geräumt werden. Aber für wen eigentlich?
       
 (IMG) Bild: Keine Freunde
       
       Berlin taz | Die Bewohner:innen des [1][Köpi]-Wagenplatzes rüsten sich
       zur Räumung. Der Zaun, der das Gelände an der Köpenicker Straße direkt
       neben dem seit 1990 besetzten Gebäude umgibt, ist auf vier Meter Höhe
       aufgerüstet worden, teilweise mit Stacheldraht verkleidet. Die autonome
       Szene ruft dazu auf, die für Freitag um 10 Uhr angekündigte Räumung des
       Platzes zu verhindern – oder mindestens für Chaos zu sorgen. Schon in der
       Nacht auf Dienstag gab es stadtweit vier Autobrandstiftungen, darunter an
       mehreren Fahrzeugen des Ordnungsamtes in Lichtenberg. In der Rigaer Straße
       wurde eine Polizeiwanne, die die Löschung einer brennenden Reifenbarrikade
       unterstützen sollte, mit Steinen beworfen.
       
       Wie die Polizei sich rüstet, war bereits am Samstagabend bei einer
       Demonstration von Unterstützer:innen der Köpi zu sehen. Mit einem
       absurd großen Aufgebot und engem Spalier erstickte sie jegliche öffentliche
       Wahrnehmung der Demo-Inhalte. Die Vorbereitungen für einen Großeinsatz
       besonderen Ausmaßes laufen auf Hochtouren: Hubschrauber drehen ihre Runden
       über dem Köpi-Gelände. Ab Donnerstag Nachmittag soll das Gebiet rings um
       den autonomen Symbolort in Mitte weiträumig gesperrt und zur Roten Zone
       erklärt werden. Doch der Showdown, auf den sich beide Seiten so intensiv
       vorbereiten, könnte noch ausfallen.
       
       Lange schien es möglich, dass eine Lösung für den seit 20 Jahren
       bestehenden Wagenplatz mit seinen etwa 50 Bewohner:innen auf dem
       Verhandlungsweg erreicht werden könnte. Mit Unterstützung von Bezirk und
       Stadt hatte die Wohnungsbaugesellschaft Howoge in den vergangenen Monaten
       still und leise mit dem Eigentümer des Geländes – offiziell die Startezia
       GmbH, hinter der die Berliner Immobiliengruppe Sanus AG steht – über einen
       Ankauf verhandelt, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf
       Anfrage bestätigte.
       
       Die Howoge plante, den teuren Kauf durch den Bau von Wohnungen zu
       finanzieren. taz-Informationen zufolge hätten die Wagenbewohner:innen
       einen Teil ihres Geländes abgeben müssen, um Platz für den Neubau zu
       schaffen. Dem Vernehmen nach waren sie dazu bereit.
       
       ## Verhandlungen abgebrochen
       
       Obwohl ein unterschriftsreifer Vertrag ausgehandelt wurde, hatten die
       Eigentümer die Verhandlungen zuletzt abgebrochen. Ein letzter Versuch von
       Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke), sie in einem Telefonat
       am Montag wieder an den Verhandlungstisch zu holen, ist aber gescheitert.
       Offensichtlich spekulieren die Eigentümer auf einen noch höheren
       Verkaufspreis nach einer Räumung.
       
       Für die Köpiplatz-Bewohner:innen und ihren Anwalt Moritz Heusinger bleibt
       die Hoffnung auf den juristischen Weg. Am Montagabend reichte Heusinger
       einen Eilantrag beim Kammergericht ein, um die Vollstreckung des
       [2][Räumungsurteils vom Landgericht aus dem Juni] noch zu stoppen. Schon in
       der Verhandlung hatte Heusinger moniert, dass die Unterschrift des
       Startezia-Geschäftsführers Yervand Chukhajyan in der Prozessvollmacht für
       die Anwälte von anderen Dokumenten, die er unterzeichnet haben soll,
       abweicht – fand damit aber kein Gehör. Nun aber bestätigt ein
       wissenschaftliches Schriftgutachten der Bochumer Firma AVS Forensic diesen
       Verdacht.
       
       Laut Heusinger sind zwei von drei untersuchten Unterschriften „nicht echt
       und manipuliert“. Eine gefälschte Prozessvollmacht würde laut dem Anwalt
       bedeuten: „Das Urteil ist nicht gesetzlich ergangen.“ Bis zur
       Berufungsverhandlung, die unabhängig von dem Eilantrag läuft, wäre auch die
       sofortige Vollstreckung nicht erlaubt. Über den Eilantrag wird in den
       kommenden Tagen, sicher aber vor Freitag entschieden. Heusinger spricht von
       „ganz guten Aussichten“.
       
       ## Risikounternehmen
       
       Geht es dennoch schief, muss man dagegen fragen, für wen der Staat hier die
       teure Drecksarbeit übernimmt. Seit einer Versteigerung 2007 ist die Köpi im
       Firmengeflecht der Sanus AG des Berliner Immobilienunternehmers Siegfried
       Nehls. Die Firmen, die seitdem als Eigentümerinnen des Gebäudes und des
       Wagenplatz-Grundstücks fungierten, wechselten mehrfach, stets aber blieben
       sie im Sanus-Geflecht und die handelnden Personen dieselben.
       
       Seit 2013 ist die in Köln gemeldete Briefkastenfirma Startezia GmbH die
       offizielle Eigentümerin – Chukhajyan der Geschäftsführer. Der aber ist ein
       Phantom; außer einer Handvoll Einträge in sozialen Netzwerken findet sich
       nichts zu dem angeblichen Geschäftsmann. Zur Räumungsklage vor dem
       Landgericht erschien er trotz Anordnung nicht. Alles spricht dafür, dass er
       ein Strohmann ist.
       
       Nehls und die Sanus AG, die „Wohnimmobilien für das gehobene Segment“
       entwickeln oder schlicht mit Grundstücken spekulieren, sind dagegen immer
       wieder öffentliches Thema. Im Jahr 2015 wurde Nehls wegen „Missbrauchs von
       Titeln und Urkundenfälschung“ vor Gericht angeklagt – ein ähnlicher
       Vorwurf, wie er nun gegen Chukhajyan im Raum steht. Dazu passt, dass Nehls
       mit einem Geschäftspartner einer Firma im Kosovo vorsteht, bei der er im
       Handelsregister als „Szegfried herbert Dr nehls“ angegeben ist, was eine
       Namenssuche erschwert.
       
       2007 war nach einer Großrazzia gegen Nehls ermittelt worden. Der Vorwurf:
       Von ihm beauftragte Generalunternehmer für sechs Berliner Bauvorhaben waren
       stets pleite gegangen, bevor sie die von ihnen beauftragten
       Handwerksbetriebe entlohnten. Über Ergebnisse der Ermittlungen und
       Verfahren ist nichts bekannt – außer, dass Nehls weitermachen konnte.
       
       Ende 2019 beklagte die Bürgermeisterin der brandenburgischen Stadt Zossen,
       dass zehn Firmen aus dem Sanus-Geflecht Gewerbesteuern von 3,2 Millionen
       Euro nicht gezahlt hätten. Sie kündigte an, die Staatsanwaltschaft
       einzuschalten und ein Gewerbeuntersagungsverfahren anzustrengen. Sowohl die
       Stadt Zossen als auch die Staatsanwaltschaft in Potsdam konnten bis
       Redaktionsschluss nichts über den weiteren Fortgang des Verfahrens sagen.
       
       Nichtsdestotrotz sollen Nehls' Interessen am Freitag durch einen
       Polizeieinsatz umgesetzt werden, dessen Kosten in Millionenhöhe liegen.
       
       13 Oct 2021
       
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