# taz.de -- Angeblicher US-Friedensplan für Ukraine: Nicht gerade dienlich
       
       > Der angebliche 28-Punkte-Plan der USA zur Ukraine setzt Präsident
       > Selenskyj unter Druck. Er muss jetzt Meisterleistungen vollbringen.
       
 (IMG) Bild: Kämpft an vielen Fronten: Präsident Selenskyj bei einer Besprechung mit Soldaten in der Region Donezk
       
       Überlebenstage eines Präsidenten: Der ukrainische Staatschef Wolodymyr
       Selenskyj hat an so vielen Fronten zu kämpfen, dass der selbsternannte
       „Diener des Volkes“ bald ausgedient haben könnte. [1][Zu dem
       Korruptionssumpf, in dem Weggefährten, Vertraute und Ministerinnen
       versinken], kommt nun noch ein vermeintlicher „Friedensplan“ hinzu, den
       Steve Wittkoff, der Sondergesandte des US-Präsidenten Donald Trump, mit dem
       russischen Unterhändler Kirill Dmitrijew laut übereinstimmenden
       Medienberichten ausgehandelt haben soll.
       
       Selenskyj wollte noch am Donnerstagabend US-Vertreter in Kyjiw treffen, um
       über die [2][angeblichen amerikanisch-russischen Geheimgespräche zu
       sprechen, über die es zunächst nur Presseberichte] und ausweichende
       Aussagen von US-Außenminister Marco Rubio gab: Das seien bisher nur
       „Ideen“.
       
       Der neue, 28 Punkte umfassende US-Vorschlag zur Beendigung des Krieges
       sieht laut Medien vor, dass Kyjiw den Donbass (die Oblaste Luhansk und
       Donezk) sowie die Krim an Russland abtritt. Zudem solle die Zahl der
       ukrainischen Streitkräfte halbiert werden, keine ausländischen Truppen
       sollen ukrainischen Boden betreten und Kyjiw dürfe keine Langstreckenwaffen
       mehr haben.
       
       Die europäischen Verbündeten Kyjiws reagieren zurückhaltend, die
       EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte: „Damit jedweder Friedensplan
       funktioniert, müssen die Ukrainer und die Europäer an Bord sein.“
       
       ## „Politische Zwangsmittel“ für die Ukraine
       
       Der Kyjiwer Politikanalyst Ihar Tyschkewitsch ist jedoch überzeugt: Wenn
       der nach Kyjiw entsandte US-General und Vertraute von US-Vizepräsident J.
       D. Vance, Dan Driscoll, „als Ergebnis der Reise das ‚Einfrieren des
       Krieges‘ empfiehlt, wird die Entscheidung schnell getroffen und dem
       ukrainischen Präsidenten mit einer gehörigen Portion politischer
       Zwangsmittel nahegebracht“.
       
       Die Berichte über die für die Ukraine unannehmbaren Bedingungen fallen in
       eine Zeit der sich aus Sicht Kyjiws täglich verschlechternden militärischen
       Lage. Die immer blutiger umkämpfte, von russischen Streitkräften zu drei
       Vierteln umschlossene Stadt Pokrowsk könnte in Kürze fallen. Und in der
       Ukraine tobt eine Diskussion, ob zum Schutz des Lebens ukrainischer
       Soldaten die zur Festung ausgebaute Stadt im Donezker Gebiet geräumt werden
       sollte. Oder ob dann die Moral der Truppen zusammenbreche.
       
       Die „Übergabe der noch nicht besetzten Gebiete der Region Donezk an
       Russland und das Einfrieren der Frontlinie im Süden der Ukraine würde
       Russland unverhältnismäßig in die Hände spielen“, meinen die Analysten des
       renommierten Institute for the Study of War (ISW). Das Gebiet der Region
       Donezk, derzeit unter ukrainischer Kontrolle, umfasse auch den
       „Festungsgürtel“ des Donbass – die Städte Druschkowka, Konstantinowka,
       Kramatorsk und Slawjansk. „Diese Städte bilden seit 2014 die
       Hauptverteidigungslinie der Ukraine in der Region und sind wichtige
       Verteidigungs-, Industrie- und Logistikzentren“, so das ISW.
       
       Russland hatte seit 2014 vergeblich versucht, den „Festungsgürtel“ in der
       Region Donezk einzunehmen. Die Aufgabe der stark befestigten
       regierungskontrollierten Teile des Donezbeckens würde die Gefahr eines
       Vorstoßes russischer Truppen bis tief in die Gebiete Saporischschja und
       Dnipro „sprunghaft erhöhen“, sagt Andreas Umland, Ukraine-Experte des
       Stockholm Centre for Eastern European Studies.
       
       Und es käme zu erheblichen Debatten über Selenskyj und seine Regierung mit
       der Armee. Vor einem „Dolchstoß“ wird bereits in Armeekreisen gesprochen.
       Dabei brennt schon jetzt innenpolitisch die Hütte: Seit Aufkommen des
       Korruptionsskandals um veruntreute Gelder im ukrainischen Atomministerium
       sind Teile der Fraktion von Selenskyjs Partei Diener des Volkes inzwischen
       bereit, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden – also die
       Vormachtstellung des Präsidenten und das Durchregieren in der Werchowna
       Rada zu beenden.
       
       „Selenskyjs Führungs- und politischen Entscheidungen in den nächsten sieben
       bis zehn Tage sind entscheidend“, so Analyst Tyschkewitsch. Denn der Unmut
       über den Korruptionsskandal erschüttert das Vertrauen der Bevölkerung. Dazu
       kommt, dass die massiven russischen Luftangriffe inzwischen dazu geführt
       haben, dass das staatliche Energieunternehmen Ukrenergo landesweite
       Stromsperren für 10 bis 16 Stunden täglich ankündigt. Unternehmen könnten
       zeitweise vollständig abgeklemmt werden.
       
       Zudem warnt der Energieexperte Serhij Kujon bereits vor einem
       „Dieseldefizit“ im Land, da nicht mehr genügend Treibstoff importiert
       werde. Und mit Diesel laufen alle Generatoren, die sich Fabriken,
       Restaurants und Krankenhäuser angeschafft haben, um arbeiten zu können.
       
       20 Nov 2025
       
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