# taz.de -- Korruption in der Ukraine: Der Skandal weitet sich aus
       
       > Im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre in der Ukraine tauchen weitere
       > Namen auf. Auch der Leiter des Präsidialamtes soll mitgemischt haben.
       
 (IMG) Bild: Der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident Tschernyschow vor dem ukrainischen Antikorruptionsgericht, am 18. November 2025
       
       Der Korruptionsskandal in der Ukraine weitet sich aus. Am Dienstag wurde
       Olexi Tschernyschow, ehemaliger stellvertretender Regierungschef,
       festgenommen. Ob er wirklich in Untersuchungshaft geht, bleibt abzuwarten.
       Beobachter gehen davon aus, dass er die auf eine Million Euro angesetzte
       Kaution bezahlen wird.
       
       Am Mittwoch entließ das ukrainische Parlament Justizminister Herman
       Haluschtschenko und Energieministerin Switlana Grintschuk. Beide waren von
       der Regierungschefin Julia Swyrydenko vom Dienst suspendiert worden. Zuvor
       war bekannt geworden, dass auch sie [1][in die Korruptionsaffäre um den
       Geschäftsmann Timur Minditsch verwickelt sind].
       
       Neben Haluschtschenko und Grintschuk müssen auch noch weitere hochrangige
       Personen mit ihrer Entlassung, Hausdurchsuchungen und strafrechtlichen
       Konsequenzen rechnen. Der Abgeordnete Jaroslaw Schelesnjak von der
       Oppositionspartei „Holos“ fordert die sofortige Entlassung von Andrij
       Jermak.
       
       Schelesnjak macht den Leiter des Präsidialamtes für mutmaßliche
       Korruptionsvorgänge verantwortlich, die im Zusammenhang mit der
       Minditsch-Affäre öffentlich wurden. Auch Jermaks Name, so Schelesnjak, soll
       in den Unterlagen des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) unter einem
       Codenamen auftauchen.
       
       ## Weitere Rücktrittsforderungen
       
       Gegenüber dem ukrainischen Dienst von Radio Swoboda, der zum größten Teil
       vom US-Kongress finanziert wird, erklärte Fedir Venislavskyi, Abgeordneter
       der Regierungspartei „Diener des Volkes“, dass auch in der
       Regierungsfraktion über Rücktrittsforderungen an Jermak diskutiert werde.
       Auch er befürworte diesen Schritt.
       
       Am Mittwoch durchsuchte das NABU die Räumlichkeiten des Sicherheitschefs
       des staatlichen Energieunternehmens Naftogaz, Vitalij Browko. Er ist ein
       guter Bekannter des verhafteten Ex-Premierministers Olexi Tschernyschow.
       
       Das NABU wird sich auch weiter bemühen, des Hauptverdächtigen Timur
       Minditsch, der nach Israel geflohen ist, habhaft zu werden. Gegenüber Radio
       Svoboda erklärte dessen Direktor Semen Kriwonos, man arbeite an einem
       Auslieferungsgesuch und der Erstellung eines internationalen
       Interpol-Haftbefehls.
       
       Dem Einwand der Interviewerin, Israel liefere keine Staatsbürger aus,
       widersprach Kriwonos. Es habe Fälle von Auslieferungen israelischer
       Staatsbürger aus Israel gegeben. Im Interview betonte Kriwonos auch die
       Wichtigkeit der Proteste vom Sommer. Vor allem sie hatten ein Gesetz
       verhindert, das der Antikorruptionsbehörde NABU ihre Unabhängigkeit
       genommen hätte. Wäre der Gesetzentwurf verabschiedet worden, wäre der
       jüngste Korruptionsfall nicht bekannt geworden, so Kriwonos.
       
       ## Lediglich ein Sündenbock
       
       Der Oligarch Ihor Kolomoiskyj, der dem damaligen Schauspieler Wolodymyr
       Selenskyj in seinem Fernsehkanal 1+1 landesweite Berühmtheit verschafft
       hatte, glaubt nicht, dass Minditsch der eigentliche Kopf dieser Gruppe ist.
       Er sei der „Sündenbock“ und habe nicht das Zeug zu einem Mafia-Boss.
       
       Unterdessen macht sich im Lager der Selenskyj-Partei „Diener des Volkes“
       Unmut breit. Am Mittwochnachmittag hat ein Teil der Fraktion zur Bildung
       einer neuen „Koalition der nationalen Widerstandsfähigkeit“ im ukrainischen
       Parlament sowie zur Einrichtung einer „Regierung der nationalen
       Widerstandsfähigkeit ohne Parteiquoten und Hinterzimmerabsprachen“
       aufgerufen.
       
       Dies geht aus einer Erklärung von Abgeordneten der Fraktion hervor, die von
       dem Abgeordneten Mykyta Poturajew veröffentlicht wurde. In der Erklärung
       betonen die Abgeordneten, dass sie sich der erheblichen Gefahr für die
       Existenz des ukrainischen Staates bewusst seien, die sich aus der
       Aufdeckung umfassender Korruptionsmachenschaften auf den höchsten Ebenen
       der Staatsverwaltung ergebe. Zudem schwinde das Vertrauen in zentrale
       staatliche Institutionen.
       
       Sofort nach Bekanntwerden der Erklärung bemühte sich der Vorsitzende der
       Fraktion, Dawyd Arachamija, um Schadensbegrenzung. Diese Erklärung sei
       nicht die Position der ganzen Fraktion.
       
       ## Andere Ukraine
       
       Noch ist nicht klar, ob es noch weitere Enthüllungen geben wird. Doch ein
       Ergebnis steht jetzt schon fest: Das Machtverhältnis zwischen Parlament und
       Präsident hat sich zugunsten des Parlamentes verschoben. Wenn [2][Präsident
       Selenskyj] am morgigen Donnerstag nach einer mehrtägigen Auslandsreise in
       Kyjiw eintreffe, werde er eine andere Ukraine vorfinden, analysiert der
       ukrainische Dienst von BBC.
       
       Unterdessen gehen die russischen Angriffe auf die Ukraine unvermindert
       weiter. In der Nacht zum 19. November griff Russland mehrere Regionen der
       Ukraine mit Drohnen und Raketen an. In Charkiw wurden über 30 Menschen
       verletzt, darunter auch Kinder. 50 Bewohner mussten evakuiert werden.
       
       In Lwiw brannten ein Energieobjekt sowie Lager- und Produktionshallen. In
       Ternopil wurden zwei Wohnhäuser getroffen. Dabei kamen 26 Menschen ums
       Leben, darunter auch drei Kinder.
       
       Die gazeta.ru berichtet unterdessen unter Berufung auf das russische
       Verteidigungsministerium von einem ukrainischen Angriff mit amerikanischen
       ATACMS-Raketen auf die Region Woronesch. Dabei seien Trümmerteile von
       abgeschossenen Raketen auf die Dächer eines regionalen Gerontologiezentrums
       sowie eines Kinderheims gefallen. Berichte über Opfer lagen nicht vor.
       
       19 Nov 2025
       
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