# taz.de -- Die Bildmacht der Epstein-Files: Das erklärt rein gar nichts
> Ein Bild von Michael Jackson mit Jeffrey Epstein beweist keine Mitschuld.
> Im schlimmsten Fall lenkt es davon ab, wirklich relevante Fragen zu
> stellen.
(IMG) Bild: Ein Foto aus den Epstein-Akten: Michael Jackson, Bill Clinton, Diana Ross und Kinder mit geschwärzten Gesichtern
Am vergangenen Freitag hat die US-Regierung begonnen, die Epstein-Files zu
veröffentlichen, na ja, zumindest teilweise. Zu sehen sind Dokumente,
Notizen, Mails und Fotos. Große Teile sind allerdings geschwärzt. [1][Am
Montagabend wurde ein weiterer Teil veröffentlicht, dieses Mal mit neuen
Bezügen zu Trump und seiner Verbindung zum Sexualstraftäter Epstein]. Aus
all dem soll sich ein Gesamtbild der Straftaten Jeffrey Epsteins und seiner
Mitwisser:innen, Mittäter:innen und den Opfern ergeben. Doch genau
dieses Bild bleibt bruchstückhaft.
Unter den am Freitag veröffentlichten Materialien finden sich auch Fotos
von Prominenten, etwa von Michael Jackson. Auf einem steht er in einem
Flugzeug neben Bill Clinton und Diana Ross, daneben Kinder, deren Gesichter
geschwärzt wurden. Eingebettet in die Epstein-Akten erwächst aus diesem
Bild plötzlich ein Verdacht. Dabei ist das Foto seit Jahren öffentlich: Es
entstand bei einem demokratischen Fundraising-Event. Die Kinder sind
Jacksons eigene sowie das Kind von Diana Ross. Erst die neue Rahmung, der
Kontext „Epstein“, die Schwärzung und die Art der Veröffentlichung machen
das Bild plötzlich politisch explosiv.
Genau hier zeigt sich, wie Macht durch Bilder entsteht. Nicht durch das,
was sie zeigen, sondern durch das, was man ihnen zuschreibt. Die Schwärzung
suggeriert Opferschutz und produziert gleichzeitig die Vermutung, dass
Michael Jackson auch schuldig ist. Das Bild erklärt nichts, es wird
instrumentalisiert. Und plötzlich steht nicht mehr nur Epstein oder Donald
Trump im Zentrum der Berichterstattung, sondern auch Jackson.
## Viel Clinton, wenig Trump
Verantwortlich für die Veröffentlichungen ist Vizejustizminister Todd
Blanche. Er sagte, die Schwärzungen und die Herausgabe von lediglich einem
Teil der Akten sei aufgrund des Opferschutzes vorgenommen worden. Zu sehen
blieben nach der Veröffentlichung am Freitag vor allem: Viel Clinton und
Celebritys, wenig Donald Trump. Ein Sprecher von Clinton kritisierte das
als Ablenkungsmanöver des Weißen Hauses.
Abzulenken, das dürfte vor allem für Trump relevant sein. Auch bei ihm
gilt: Dass der Ex-Präsident Bill Clinton (Demokraten) in den aktuellen
Veröffentlichungen häufig genannt wird und Trump vergleichsweise selten,
ist kein Beleg für Schuld oder Unschuld.
Aber Bilder erzeugen Eindrücke. Und Eindrücke sind ein zentrales Werkzeug
politischer Kommunikation. Welcher Eindruck bleibt von Michael Jackson?
Welcher von Bill Clinton, den man etwa gemeinsam mit Epsteins Vertrauter
und Komplizin Ghislaine Maxwell im Pool sieht? Und welcher von Trump, der
in diesen Bildern weniger präsent ist?
## Der US-Präsident unter Druck im eigenen Lager
Es ist unwahrscheinlich, dass selbst eine vollständige Veröffentlichung der
Akten seinen Rücktritt erzwingen würde. Trump ist bereits ein verurteilter
Straftäter, geschadet hat ihm das politisch kaum. Dennoch ist ihm der
Eindruck, den seine Verbindung zu Epstein hinterlässt, nicht egal. Er
spaltet damit auch seine eigene Partei und die MAGA-Bewegung.
Republikaner:innen wie [2][Marjorie Taylor Greene oder Thomas Massie
zeigten sich enttäuscht bis entrüstet darüber, wie wenig bislang
veröffentlicht wurde.]
Dass der US-Präsident unter Druck steht, zeigt sich auch daran, dass er am
Freitag keine Fragen der Presse zu den Epstein-Akten beantwortet hat – ein
für ihn sehr ungewöhnliches Verhalten. Umso naheliegender ist der Eindruck,
dass die Aufmerksamkeit gezielt auf Bilder von Bill Clinton oder Stars wie
Jackson gelenkt werden sollten.
Es ist richtig, die Akten unter konsequentem Opferschutz vollständig zu
veröffentlichen. Dafür braucht es auch Schwärzungen, etwa der Gesichter und
Namen. Aber: „Hört auf, Namen zu schwärzen, die nicht geschwärzt werden
müssen“, sagte Marina Lacerda, die sich selbst als Opfer Epsteins
bezeichnet und öffentlich das Justizministerium zu einer vollständigen
Freigabe der Akten auffordert.
## Ein Foto allein reicht nicht
Dazu muss die US-Regierung das Justizministerium verpflichten. [3][Nur so
kann das tatsächliche Ausmaß von Epsteins Verbrechen] und den
dahinterliegenden Netzwerken sichtbar werden. Falsch ist jedoch die
Hoffnung auf das eine Foto, das Trump oder andere Täter eindeutig
überführt. Bilder liefern keine Urteile. Sie emotionalisieren,
polarisieren, lenken Aufmerksamkeit. Während über Fotos diskutiert wird,
bleiben die entscheidenden Fragen offen: Wer wusste was? Wer deckte wen?
Welche Strukturen machten die Taten möglich?
Erst wenn alle Informationen öffentlich sind, kann eine echte Aufarbeitung
beginnen und die Stimmen der [4][Opfer] müssen endlich wichtiger werden als
jedes Bild.
Bilder erklären nichts. Sie zeigen nichts. Sie sprechen niemanden schuldig.
Aber sie haben enorme politische Sprengkraft. Umso größer ist die
Verantwortung im Umgang mit ihnen.
23 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://www.nytimes.com/2025/12/23/us/politics/epstein-files-trump.html
(DIR) [2] /In-Ungnade-gefallener-MAGA-Star/!6131788
(DIR) [3] /Freigabe-der-Epstein-Akten/!6140572
(DIR) [4] /Vergewaltigungsprozess-in-Frankreich/!6032713
## AUTOREN
(DIR) Ann-Kathrin Leclere
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