# taz.de -- Aktivistin in Tunesien vor Gericht: Das Gegenteil der verhassten politischen Elite
       
       > Die Tunesierin Saadia Mosbah kämpft gegen Rassismus und für die Rechte
       > von Migranten. Das stört die Regierung in Tunis. Nun steht sie vor
       > Gericht.
       
 (IMG) Bild: Saadia Mosbahv sitzt seit mehr als eineinhalb Jahren im Gefängnis, jetzt wurde der Prozess gegen sie eröffnet
       
       Saadia Mosbah, Tunesiens bekannteste Aktivistin für die Rechte von
       Migranten, Flüchtlingen und gegen Rassismus, steht seit Montag in Tunis vor
       Gericht. Sie sitzt bereits seit mehr als eineinhalb Jahren im Gefängnis.
       Ihr wird Geldwäsche vorgeworfen und dass ihre Menschenrechts-NGO Mnemti
       Gelder aus dem Ausland entgegen genommen habe.
       
       Vor Gericht wird sie sich erstmals selbst zu diesen Vorwürfen äußern
       können. Die Anhänger der 65-jährigen Schwarzen Tunesierin fürchten
       allerdings, der Prozess könne [1][ähnlich wie die Verfahren gegen 40
       Oppositionelle und Geschäftsleute enden], die im November wegen
       „Verschwörung gegen den Staat“ zu Haftstrafen von bis zu 45 Jahren
       verurteilt wurden. Der Geldwäscheparagraf und ein präsidiales Dekret, das
       sich vorgeblich gegen Falschmeldungen und üble Nachrede richtet, sind die
       Instrumente, [2][mit denen die Justiz derzeit den größten Erfolg des
       ehemaligen Vorzeigelands des arabischen Frühling abwickelt]: die
       Meinungsfreiheit.
       
       Während viele Tunesier harte Urteile gegen die politische Elite mit
       Schulterzucken hinnehmen, steht im Verfahren gegen Saadia Mosbah etwas auf
       dem Spiel, auf das viele Tunesier stolz sind: die lange Tradition des
       Antirassismus.
       
       Unter Herrscher Ahmed Bey hatte Tunesien 1845 als erstes arabisches und
       muslimisches Land die Sklaverei verboten. Nach der französischen
       Kolonialzeit mit dem überall präsenten Rassismus schrieb sich auch Habib
       Bourguiba, der erste Präsident des unabhängigen Tunesiens, das Thema auf
       die Fahnen. Dass Saadia Mosbah nach der Revolution von 2011 häufig in den
       Medien zu sehen war, schien wie der Beweis für die tunesische Kultur der
       Toleranz.
       
       ## „Ich lehne Pseudo-Toleranz ab“
       
       Doch nur wenige hörten, was Mosbah zu sagen hatte. Von ihren
       nachrevolutionären Touren durch den Süden Tunesiens kam sie oft wütend nach
       Tunis zurück. Auf Djerba fanden sie und ihre Freiwilligen Geburtsregister,
       in denen Familiennamen ehemaliger Leibeigener noch immer mit dem Zusatz
       „befreit von“ geführt wurden.
       
       In dem Dorf Gosba bei Medenine traf sie auf Schwarze Schulkinder, die bis
       heute nicht denselben Bus wie ihre hellhäutigen Mitschüler nutzen dürfen.
       Als sie hörte, dass Hotelbesitzer ihre Angestellten aus dem verarmten
       Hinterland „Oussifi“ – also Diener – riefen, platzte Mosbah in tunesischen
       Fernseh-Talkshows der Kragen. „Wir müssen der Realität ins Auge schauen“,
       forderte sie 2015. „Wir benötigen einen Nationalen Dialog über Rassismus im
       Land.“
       
       Im selben Jahr fiel die Visapflicht für viele westafrikanische Länder. Die
       Freiwilligen von Mnemti halfen den Gestrandeten, für die Tunesien ein
       Zwischenstopp auf dem Weg nach Europa war. Saadia Mosbah wurde zusammen mit
       ihrem Ehemann, dem Sänger Slah Mosbah, landesweit berühmt. Denn sie
       repräsentiert das Gegenteil der verhassten politischen Elite. „Ich lehne
       eben Pseudo-Toleranz ab“, sagte sie vor ihrer Verhaftung.
       
       Aus einem Nationalen Dialog über Migration und Rassismus wurde nichts, im
       Gegenteil. Präsident Kais Saied erklärte die Migranten aus Subsahara-Afrika
       [3][im Februar 2022 zum Teil einer Verschwörung gegen die Kultur
       Tunesiens]. [4][Die EU schickte Schiffe und Überwachungstechnik], die
       Migration über das Mittelmeer ist praktisch zum Erliegen gekommen.
       
       Wohl um die zunehmende öffentliche Debatte über die Rechte Schwarzer
       Tunesier und Migranten nicht weiter anzuheizen, wurde der nächste
       Verhandlungstag nun auf den 26. Februar verlegt. Gespannt warten viele in
       Tunis darauf, was Saadia Mosbah dann zu sagen hat.
       
       25 Dec 2025
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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