# taz.de -- Engagierter im sächsischen Nebelschütz: Kampagne gegen Bürgermeister bleibt folgenlos
       
       > 2022 wurde Bürgermeister Thomas Zschornak mit Diffamierungen überzogen.
       > Nun ist klar: Die Täter kommen davon, die Ermittlungen sind eingestellt.
       
 (IMG) Bild: „Ich bin sehr enttäuscht.“ Der frühere Bürgermeister von Nebelschütz in Sachsen, Thomas Zschornak
       
       Es war eine [1][massive Kampagne, die im Frühjahr 2022 über Thomas
       Zschornak hereinbrach]. Dem damaligen ehrenamtlichen CDU-Bürgermeister der
       sorbischen Gemeinde Nebelschütz in Sachsen, seit 32 Jahren im Amt, wurden
       plötzlich auf Flugblättern und zwei anonymen Internetseiten Vettern- und
       Misswirtschaft, Amtsmissbrauch oder Lügen vorgeworfen. Keiner der Vorwürfe
       ließ sich später erhärten. Aber Zschornaks Ruf war angekratzt, der damals
       58-Jährige erlitt einen Zusammenbruch und Depressionen, bekam Entzündungen,
       lief an Krücken.
       
       Zschornak stellte wegen der Kampagne damals über seinen Anwalt [2][Anzeige
       bei der Staatsanwaltschaft Görlitz] – wegen Beleidigung, übler Nachrede,
       Verleumdung und Verletzung des Dienstgeheimnisses, zunächst gegen
       Unbekannt. Später benannte Zschornak auch zwei Verdächtige: seinen
       Nachfolger im Bürgermeisteramt, André Bulang, und Mirko Domaschke, den
       damaligen Vorsitzenden des Verwaltungsverbands, zu dem auch Nebelschütz
       gehört – weil beide Zugriff auf interne Dokumente hatten, die in der
       Kampagne auftauchten. Nun, dreieinhalb Jahre nach der aufwendigen
       Diffamierungskampagne, ist klar: Alle Verantwortlichen dafür kommen
       ungestraft davon, die Ermittlungen sind eingestellt.
       
       Die Staatsanwaltschaft Görlitz bestätigte der taz die Einstellung. „Im
       Ergebnis von umfangreichen Ermittlungen konnte keiner konkreten Person eine
       Täterschaft nachgewiesen werden“, erklärte eine Sprecherin. Auch die
       Generalstaatsanwaltschaft Dresden wies eine Beschwerde von Zschornak gegen
       die Einstellung zurück: Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Görlitz
       entspreche der Sach- und Rechtslage, heißt es dort.
       
       Thomas Zschornak zeigt sich ernüchtert. „Ich bin schwer enttäuscht“, sagte
       er der taz. „Es gab viele Indizien, um Verantwortliche zu ermitteln. Und
       ich habe Zweifel, ob diesen wirklich allen nachgegangen wurde.“ Zschornak
       selbst hatte sogar einen Privatdetektiv engagiert und dessen Ergebnisse dem
       LKA übermittelt, etwa das, dass die anonyme Website von einer
       Briefkastenfirma in Prag und von einem slowenischen Geschäftsmann betrieben
       wurde. „Dass daraus nichts gemacht wurde, ist sehr bedauerlich.“
       
       ## Eingetreten für Nachhaltigkeit und Weltoffenheit
       
       Zschornak hatte in Nebelschütz – einem Ort mit 1.100 Einwohnenden 20
       Kilometer vor Bautzen – [3][nachhaltige, „enkeltaugliche“ Projekte
       vorangetrieben und war dafür wiederholt prämiert worden]. Auch hatte sich
       der Sorbe für Weltoffenheit und ein soziales Miteinander eingesetzt.
       
       Im März 2022 waren dann aber auf zwei anonymen Internetseiten Vorwürfe
       aufgetaucht, ebenso auf Flugblättern in Briefkästen und an Autos, von einer
       selbsternannten Recherchegruppe. Zschornak wurde vorgeworfen, die Gemeinde
       zu verschulden, windige Geschäfte zu betreiben oder ein „Netzwerk“ geknüpft
       zu haben, das etwa seinem Sohn verbilligt ein Grundstück verschafft habe.
       Eine spätere Prüfung der Rechtsaufsicht sah dagegen weder rechtswidriges
       Handeln noch eine persönliche Vorteilsnahme. Im Sommer 2022 war Zschornak
       dann nicht noch einmal zur Wiederwahl angetreten – seine Entscheidung war
       allerdings schon zuvor gefallen. Zuletzt trat er auch aus der CDU aus.
       
       Wer aber hinter den konzertierten Diffamierungen gegen ihn stand, bleibt
       nun unaufgeklärt. Nach taz-Informationen hatten sowohl Zschornaks
       parteiloser Nachfolger Bulang als auch der frühere Vorsitzende des
       Verwaltungsverbands Domaschke, die beide zur Tatzeit mit Zschornak im
       Clinch lagen, im Ermittlungsverfahren die Aussage verweigert. In einem
       Zeitungsinterview aber hatte Domaschke, heute für die Stadt Dresden tätig,
       bestritten, Dienstunterlagen an die „Recherchegruppe“ weitergegeben zu
       haben – und er soll dies auch in einem internen Schreiben an Vorgesetzte
       getan haben.
       
       Und die Staatsanwaltschaft soll anderweitig keinen Nachweis gefunden haben,
       dass die beiden an der Kampagne beteiligt waren. Letztlich hätten nicht nur
       die zwei Beschuldigten, sondern zahlreiche Personen Einblick in
       Gemeindeinterna gehabt, argumentiert die Behörde intern. Die Betreiber der
       heute nicht mehr aufrufbaren Websites seien nicht ermittelbar gewesen, die
       Hinweise des Privatdetektivs nicht weiter überprüfbar. Zeugen der
       Flugblattaktion gebe es nicht, Untersuchungen der Festplatten der Gemeinde
       blieben ergebnislos. Auch andere Verantwortliche für die Diffamierungen
       konnten so nicht ermittelt werden.
       
       Sowohl Bulang als auch Domaschke ließen taz-Anfragen zunächst
       unbeantwortet. Später schrieb Bulang der taz, dass er angesichts der
       eingestellten Ermittlungen von Zschornak und einzelnen Pressevertretern,
       welche über ihn, seine Familie und die Gemeinde „negativ berichte(te)n“,
       eine Entschuldigung und „deutliche Klarstellung“ erwarte.
       
       ## Sozialministerin stellt sich hinter Zschornak
       
       Zschornaks Fall hatte für einiges Aufsehen gesorgt. Auch Sachsens
       [4][Vizeministerpräsidentin und Sozialministerin Petra Köpping (SPD)] hatte
       sich mit ihm solidarisiert und Zschornak sowie weitere bedrohte
       Bürgermeister*innen nach Dresden eingeladen. Auch nun springt Köpping
       dem CDU-Mann wieder bei. „Das Beleidigen, Bedrohen oder Mobben von
       Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie anderen kommunalen
       Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern ist kein legitimer Protest, sondern
       es ist ein direkter Angriff auf unsere Demokratie“, sagte Köpping der taz.
       „Die Kommunen sind das Rückgrat der demokratischen Kultur, und es liegt in
       unserer Verantwortung, die Menschen zu schützen, die sich für das
       Gemeinwohl einsetzen.“ Köpping bot Zschornak erneut Hilfe an: „Betroffene
       Politiker haben bei mir immer ein offenes Ohr.“ Und die Sozialdemokratin
       appellierte an die Ermittlungsbehörden: „Wir, auch Polizei und Justiz,
       müssen genau hinschauen.“
       
       Köpping verwies als Antwort auf die Bedrohungen auf die
       Bundesratsinitiative Sachsens, politisches Stalking zu bekämpfen, und auf
       die Kommunaldialoge ihres Ministeriums, die einen geschützten Raum für
       Austausch böten. „Wir dürfen betroffene Mandatsträger nicht allein lassen,
       sondern müssen ihnen den Rücken stärken. Das darf kein Lippenbekenntnis
       sein.“
       
       In Nebelschütz wickeln Neubürgermeister Bulang und der Gemeinderat derweil
       weiter einige von Zschornaks Projekten ab, zuletzt die Städtepartnerschaft
       mit dem ungarischen Ladánybene und mit Ouidah in Benin. Bulang verwies auf
       die große Entfernung und Finanzengpässe von Nebelschütz. Die beteiligten
       Vereine hatten dagegen betont, die Partnerschaften seien ehrenamtlich und
       kosteten nichts.
       
       Zschornak selbst aber gibt nicht auf, will gegen die eingestellten
       Ermittlungen noch einmal Widerspruch einlegen. Und er engagiert sich
       inzwischen mit einem neuen Projekt: einer Stiftung namens Enkeltauglich,
       mit der er Projekte in der Region unterstützen will, die sich für
       nachhaltige, solidarische Lebensbedingungen einsetzen.
       
       Dass bisher niemand für die Kampagne gegen ihn zur Rechenschaft gezogen
       wird, aber hängt ihm nach. „Es geht hier ganz generell um den Schutz eines
       wichtigen Amtes, des Bürgermeisteramtes“, betont Zschornak. „Wenn solche
       Diffamierungen folgenlos bleiben, dann überlegen es sich die Menschen
       zweimal, ob sie so eine Aufgabe übernehmen. Und dann schadet das der
       Zivilgesellschaft und damit allen.“
       
       23 Dec 2025
       
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