# taz.de -- Kollegahs Deutschland-Song: Ein feuchter Traum der Neuen Rechten
> Deutschrap ist antifaschistisch. Der Rapper Kollegah will das jetzt wohl
> ändern. Er veröffentlicht einen Song, der die AfD zum Jubeln bringt.
(IMG) Bild: Rapper Kollegah, mit bürgerlichem Namen Felix Martin Andreas Matthias Blume, bei der Kinderlachen-Gala 2025
Neonazis suchen seit Jahren nach popkulturellem Anschluss, aber niemand hat
Lust auf sie. Bärtige Rechtsrocker oder der aufgepumpte Nazi-Rapper Chris
Ares? Das will sich nicht mal der Identitäre Martin Sellner anhören. Bei
ihm im Auto lief, wie die Zeit vor einigen Jahren einmal beobachtete,
stattdessen Rin. Junge Neonazis hören, wie Tagesspiegel-Journalist Julius
Geiler letztens [1][öffentlich machte], sogar den linken Rappern von PA69
zu. „Digga, fick die AfD“, rappen die auf ihrer Antifa-Partyhymne „Komplett
Blau“. Die Grenzen sind klar abgesteckt. Gut für den Antifaschismus,
schlecht für die neurechten Agitatoren. Dachte man.
Doch dann veröffentlichte Kollegah, immerhin einer der bekanntesten Rapper
Deutschlands, letzte Woche unter seinem bürgerlichen Namen Felix Blume
einen neuen Song. „Deutschland“ heißt er und machte sowohl Julian Reichelts
Nius-Leute als auch Maximilian Krah von der AfD ganz wuschig. „Die Wende
kommt nicht aus den subventionierten Theatern, den Universitäten oder dem
Staatsfunk, sondern aus Rap, Internet und von der Straße. Kollegah setzt
die Trend!“ (sic), [2][schreibt Krah zum Song auf X]. Was ist da los?
Kollegah, der Querfrontler, ist los! Der selbst ernannte Boss der Bosse,
der sich gern mit römischen Kaisern vergleicht und schon immer mit
Allmachtsfantasien spielte. Der sich in seinem Coaching-Programm Alpha
Mentoring zum Guru stilisierte und Verschwörungserzählungen verbreitete.
Der Männer für überlegen hält. Der gleichzeitig immer irgendwie helfen
wollte, der nach Palästina flog, um das Kollegah Education Center
aufzubauen, von dem danach nie wieder etwas zu hören war. 2018 hieß es auf
einem Track von Kollegah und einem anderen Rapper noch, die „Drecks-AfD“
sei der „größte Feind“. Mit „Deutschland“ schreibt er der Partei nun eine
Hymne und bietet den lang ersehnten Link der Neuen Rechten zur
Mainstreampopkultur.
## Tenor: Deutschland ist am Ende
Denn der Song klingt wie der Facebook-Post eines patriotischen Wutbürgers.
[3][Im Video dazu sieht man Found Footage, das den Niedergang Deutschlands
illustrieren soll]: Obdachlose, Männer mit Messern, Gewaltorgien im
U-Bahnhof, Blaulicht. Es impliziert ein klares Bild, wer in Kollegahs Augen
schuld ist: Politiker und „kriminelle Ausländer“. Dazwischen sieht man
Kollegah auf einem Berg, ein Adler fliegt. Er rappt: „Wär ich Kanzler,
würd' ich für Deutschland kämpfen bis aufs Blut.“
Der Tenor des Songs: Deutschland ist am Ende. Die Armen werden ärmer, die
Steuern sind zu hoch, überall Messerstecher und Räuber. Neben den
Spielplätzen warten Pädophile auf die Kinder – während Politiker Champagner
trinken. Der Song inklusive Video ist konstruierter Populismus; er könnte
eins zu eins Teil eines AfD- oder sogar eines Die-Heimat-Wahlkampfs sein.
Zitate könnten ihre Plakate zieren: „Politiker am Lügen und das Volk ist am
Schlafen / andere führen Kriege und wir sollen das bezahlen.“ Widersprüche
scheint es für Kollegah nicht mehr zu geben. Eine intellektuelle
Nullnummer. Gerade das macht den Song gefährlich.
Denn obwohl die besten Tage von Kollegahs Karriere schon lange gezählt
sind, hat er die Jugend vieler Menschen geprägt. Das Schaffen seiner
Vergangenheit ist ein Bestandteil deutscher Popkultur. Die Neue Rechte kann
sich nun auf ihn beziehen.
## Heinrich Heines Gedicht „Nachtgedanken“ muss herhalten
Dass Kollegah in der Hook zu seinem Song [4][genauso wie vor einer Weile
schon AfD-Mann Tino Chrupalla] Heines Gedicht „Nachtgedanken“ aus dem
Kontext reißt, Zeilen ausspart und so zu einem vermeintlichen Text für
Patrioten macht, ist da nur folgerichtig. „Denk’ ich an Deutschland in der
Nacht / Dann bin ich um den Schlaf gebracht / Ich kann nicht mehr die Augen
schließen / Und meine heißen Tränen fließen“, singt Kollegah mit klagender
Stimme, und weiter: „Es ist ein kerngesundes Land / Mit seinen Eichen,
seinen Linden werde ich es immer wiederfinden.“
Dass Heine als Jude im Deutschen Bund große Nachteile erfuhr und das
Gedicht, in dem er vor allem von seiner Mutter erzählt, im Pariser Exil
verfasste, wird ignoriert. Das steht sinnbildlich für den Song: Kollegah
macht – genauso wie die AfD und die Neue Rechte – passend, was für ihre
Argumentation passend gemacht werden muss. Was bleibt, ist ein Stück
schlecht produzierte Musik mit Haus-Maus-Reimen. Der pure Populismus. Und
die Klarheit darüber, bei wem Kollegah Anschluss sucht.
17 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://x.com/glr_berlin/status/1996528462576890267
(DIR) [2] https://x.com/KrahMax/status/2000137528968618392
(DIR) [3] https://youtu.be/VoRK3ANNWjA?si=Vd5RiH5m0fTjTH0R&t=2759
(DIR) [4] https://www.youtube.com/watch?v=l7Np4XV2rig
## AUTOREN
(DIR) Johann Voigt
## TAGS
(DIR) Rap
(DIR) Patriotismus
(DIR) Schwerpunkt AfD
(DIR) Maximilian Krah
(DIR) Kollegah
(DIR) talkshow
(DIR) Reden wir darüber
(DIR) Neue Rechte
(DIR) GNS
(DIR) Friedrich Merz
(DIR) Feminismus
(DIR) HipHop
(DIR) Echo
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Merz, Kollegah und das Verbrenner-Aus: Vorm Abgrund gebremst?
Merz verhandelt in Sachen Ukraine und muss sich von Europa retten lassen.
Kollegah wäre gerne Kanzler und mit dem Verbrenner-Aus ist es aus.
(DIR) Reyhan Şahin über Deutschrap: „Ich habe feministische Pionierarbeit geleistet“
Reyhan Şahin wurde als Rapperin Lady Bitch Ray berühmt. Derzeit arbeitet
die Linguistin an ihrer Habilitation und kritisiert Macho-Professoren.
(DIR) Antisemitismus im Deutschrap: Er steht fast allein da
Antisemitismus im Deutschrap ist real. 2018 hat sich der frühere Rapper Ben
Salomo aus der Szene zurückgezogen. Nun sensibilisiert er Schüler.
(DIR) Antisemitismus im Deutschrap: Nicht zu schlimm für den „Echo“
Kollegah und Farid Bang rappen auf ihrem Album eine antisemitische Zeile.
An ihren Echo-Nominierungen ändert dies nichts.