# taz.de -- Opposition in Hongkong: Jimmy Lai in Hongkong schuldig gesprochen
> Mit der Verurteilung des Demokratieaktivisten und Verlegers Jimmy Lai in
> Hongkong stellt sich auch für andere dortige Journalisten die Frage nach
> ihrer Sicherheit.
(IMG) Bild: Sebastien Lai, Sohn von Jimmy Lai, setzt sich für die Freilassung seines Vaters ein
Am Montag hat Hongkongs Oberster Gerichtshof auf 855 Seiten einen
Schuldspruch argumentiert, der tatsächlich bereits von der ersten Sekunde
des Prozesses an feststand: Der Peking-kritische Medienmogul Jimmy Lai hat
in den Augen der Richter gegen „Verschwörung zur Zusammenarbeit mit
ausländischen Kräften“ und gegen die „Veröffentlichung aufrührerischer
Publikationen“ verstoßen.
Dabei handelt es sich vornehmlich um Zeitungsartikel, die in dem von Lai
gegründeten Boulevardblatt Apple Daily erschienen sind. Darin wird etwa an
westliche Staaten appelliert, Sanktionen gegen die chinesische Regierung zu
implementieren. An anderer Stelle werden die [1][Repressionen Pekings] als
„totalitär“ kritisiert.
„Das Urteil verdeutlicht die tiefgreifende [2][Verschlechterung der
Meinungsfreiheit, der Presse- und Versammlungsfreiheit] in der
Sonderverwaltungsregion Hongkong“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts
in Berlin.
Besonders tragisch: Der Gesundheitszustand des 78-jährigen Lai hat sich
seit seiner Inhaftierung massiv verschlechtert – von Herzproblemen über
massiven Gewichtsverlust bis hin zu Muskelentzündungen. Auch wenn Jimmy
Lais Strafmaß bislang nicht bekannt ist, erscheint derzeit mehr als
fraglich, dass er seinen Sohn Sebastien jemals wieder in Freiheit wird
umarmen können.
## Lais filmreife Biografie
Seit die kommunistische Parteiführung in Peking im Sommer 2020 Hongkong ein
drakonisches nationales Sicherheitsgesetz aufgezwungen hat, steht auch
einfache Kritik an der chinesischen Zentralregierung unter Strafe. Etliche
Zeitungen wurden seither geschlossen, Parteien verboten, Bibliotheken
gesäubert. [3][Und gegen etliche Politiker, die ins Exil geflohen sind,
haben die Behörden hohe Kopfgeldsummen ausgelobt.]
Jimmy Lai wusste um die Risiken seines Kampfes. Dass er sie dennoch
einging, hat mit seiner filmreifen Biografie zu tun: Der heute 78-Jährige
wurde im südchinesischen Guangzhou in eine wohlhabende Familie geboren, die
jedoch im Zuge der kommunistischen Revolution ihr Hab und Gut verlor.
Als bitterarmes Kind flüchtete Jimmy als blinder Passagier auf einem Boot
nach Hongkong, wo er unter unmenschlichen Bedingungen in einer Textilfabrik
schuftete. Doch wenige Jahre später war er bereits der Generaldirektor der
Fabrik, und schon bald darauf gründete er mit Giordano sein eigenes
Modeimperium.
Jimmy Lai hatte früh finanziell ausgesorgt und hätte sich bequem mit den
politischen Autoritäten arrangieren können. Doch als der Modemogul 1989 mit
ansah, wie in Peking die Panzer gegen die Demokratiebewegung am
Tian'anmen-Platz anrollten, fasste er einen Entschluss: Er würde von nun an
mit aktivistischem Eifer vor den Gefahren des autoritären Regimes in
Festlandchina warnen. Seine Waffe wurde der sprichwörtliche Stift: Als
Verleger gründete Lai mehrere Zeitungen und Magazine.
## Wer fühlt sich noch sicher in Hongkong?
Zweifellos geht Jimmy Lais Fall auch Europa etwas an. Schließlich besitzt
Lai neben seinem Hongkonger Pass auch die britische Staatsbürgerschaft.
Gleichzeitig wurde er wegen Artikeln inhaftiert, die in ähnlicher Form
praktisch täglich auch in deutschsprachigen Zeitungen erscheinen. Und da
Hongkongs nationales Sicherheitsgesetz explizit auch für Ausländer gilt,
sollten sich vielleicht auch deutsche Journalisten, Verleger oder Manager
die Frage stellen: Fühlen sie sich nach wie vor sicher in Hongkong?
Erst am Sonntag hat ein weiterer Fall die politischen Realitäten der
ehemals britischen Kronkolonie schonungslos offengelegt: Die Democratic
Party, Hongkongs älteste und zeitweise größte Oppositionspartei, hat für
ihre eigene Auflösung gestimmt. Die Gründe dafür sind offensichtlich, doch
bei der Abschlusspressekonferenz konnte der Parteivorsitzende Lo Kin-hei
sie nicht öffentlich benennen. Immer und immer wieder bohrte einer der
anwesenden Korrespondenten nach.
Der 40-jährige Lo lachte zunächst verlegen, doch die Angst stand ihm
förmlich ins Gesicht geschrieben. Und er sagte nur so viel: Bei der
Entscheidung für die Auflösung der Partei habe man auch das „politische
Umfeld“ der Stadt mit bedacht. Konkreter konnte er nicht werden – denn
vielleicht würde schon das reine Benennen des Istzustands gegen das
nationale Sicherheitsgesetz verstoßen.
15 Dec 2025
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(DIR) Fabian Kretschmer
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