# taz.de -- KI-Anwendungen beim Militär: „Wir müssen die menschliche Kontrolle über Waffen sichern“
       
       > Das teure europäische Luftkampfsystem FCAS steht vor dem Aus. Für Marius
       > Pletsch von der Friedensgesellschaft ist das keine rein schlechte
       > Nachricht.
       
 (IMG) Bild: FCAS, oder das wahrscheinlich teuerste Rüstungsprojekt der EU
       
       taz: Herr Pletsch, Sie haben eine Untersuchung zum Future Combat Air System
       (FCAS) verfasst. Die Bundesregierung pries das Projekt lange Zeit als
       Blaupause für ein europäisches Rüstungsprojekt. Jetzt [1][steht es vor dem
       Aus]. Warum? 
       
       Marius Pletsch: Weil sich die Industrie über die Entwicklung und Produktion
       des Kernstücks – dem Kampfflugzeug – so verhakt hat, dass keine
       gesichtswahrende Lösung mehr möglich scheint. Die Anforderungen der Staaten
       an das Flugzeug gingen weit auseinander. Frankreich braucht einen Kampfjet,
       der Atomwaffen tragen und von einem Flugzeugträger aus starten kann. Die
       nukleare Teilhabe Deutschlands wird jedoch über den Kauf von teuren F-35
       Kampfflugzeugen aus den USA gesichert. Flugzeugträger haben Spanien und
       Deutschland ohnehin nicht.
       
       taz: Hätte man das nicht vorher wissen können? 
       
       Pletsch: Durchaus, das Projekt war von Beginn an konfliktbelastet. So
       fürchtete Frankreich, das System kaum exportieren zu können, weil ihnen die
       deutsche Rüstungsexportpolitik zu restriktiv schien. Der Punkt fällt durch
       die [2][Lockerungen in der deutschen Exportpolitik] der vergangenen Jahre
       jedoch weniger ins Gewicht. Hinzu kamen Streitigkeiten über Patente und
       Arbeitsteilung. In Frankreich will man mit FCAS vor allem die heimische
       Industrie stärken.
       
       taz: Kernpunkt des Projekts soll eine KI-gestützte Flug- und Kampfsteuerung
       sein. Russland, die USA und China planen unlängst in diese Richtung. Was
       passiert, wenn Europa bei diesen Entwicklungen den Anschluss verliert? 
       
       Pletsch: Diese Systeme sind für Großmachtkonflikte und
       Überraschungsangriffe gedacht. Deutschland und Europa sollten Abstand von
       solchen Ambitionen nehmen und deutlich mehr in nicht-militärische Wege zur
       langfristigen Konfliktbearbeitung investieren. Abseits von potentiell
       nuklear-eskalierenden Konflikten haben diese Projekte ohnehin einen
       zweifelhaften militärischen Nutzen. Selbst wenn Deutschland und Europa den
       Weg weitergehen, sollte jetzt schon intensiv an einem Ausweg aus dieser
       Rüstungsspirale und der Beschleunigung der Kriegsführung gesucht werden.
       
       taz: An welchen Punkt befinden sich denn die Entwicklungen beim FCAS? 
       
       Pletsch: Das Projekt befindet sich kurz vor der zweiten Phase, in der ein
       flugfähiger Technologiedemonstrator für das Kampfflugzeug gebaut werden
       soll. Eigentlich sollte das System 2040 in den Dienst gestellt werden, aber
       schon jetzt wird mit einer Verzögerung von mindestens zehn Jahren
       gerechnet. Andere Komponenten, wie die Air Combat Cloud und die unbemannten
       Komponenten sind teils schon weiter und letztere könnten ab Anfang der 30er
       Jahre mit dem Eurofighter eingesetzt werden.
       
       taz: Wie viel öffentliche Gelder wurden für das FCAS bislang ausgegeben? 
       
       Pletsch: Wie viel tatsächlich ausgegeben wurde, ist so genau nicht zu
       sagen. Allein in dem deutschen Haushaltsplan für 2021 wurde für das Projekt
       bis zum Ende der zweiten Phase etwa fünf Milliarden Euro eingeplant. Da
       sich Frankreich, Deutschland und Spanien eigentlich geeinigt hatten, die
       Kosten zu dritteln, kann die Summe mal drei genommen werden. Insgesamt
       wurden allein für die Entwicklungskosten 100 Milliarden Euro eingepreist.
       Berechnet man die Lebenszykluskosten des Projekts für die beteiligten
       Staaten, dürfte der Preis insgesamt zwischen 1,1 bis 2 Billionen Euro
       liegen.
       
       taz: Russland und die Ukraine setzen im Krieg vor allem auf den Einsatz von
       Billigdrohnen. Sind die Investitionen von Abermilliarden in ein
       Luftkampfsystem, das mit etwas Glück in 20 Jahren einsatzfähig wäre,
       angemessen? 
       
       Das darf man bezweifeln. Im Krieg Russlands gegen die Ukraine haben sich
       größere Drohnen schnell als relativ nutzlos erwiesen und kleinere, billige
       und schnell produzierbare Drohnen waren von größerer Bedeutung und töten
       dieses Jahr wohl mehr Soldat*innen als die Artillerie. Hinzu kommt, dass
       der Innovationszyklus hoch ist und die großen Systeme sich nur schwer an
       die neuen Herausforderungen anpassen lassen. Auf Hightech-Lösungen zu
       setzen, wenn unklar ist, ob sie in den aktuellen Kriegsszenarien wirklich
       funktionieren, ist hochriskant.
       
       taz: Aber wäre FCAS nicht wichtig, um sich angesichts der neuen
       Sicherheitsstrategie unabhängiger von den USA zu machen? 
       
       Pletsch: Die Vergabeentscheidungen und politischen Absprachen zeigen, dass
       das kein Ziel der Bundesregierung ist. Stattdessen bemüht sich die
       Regierung durch das Festhalten an dem Kauf von F-35 Kampfflugzeugen und der
       geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen, das Interesse Donald
       Trumps für Deutschland und die Abhängigkeit aufrechtzuerhalten. Wichtig
       wäre es, der Militarisierung und Aufrüstung etwas entgegenzusetzen und Wege
       aus kostspieligen Rüstungsspiralen zu suchen, statt sie selber zu befeuern,
       egal welches Fähnchen auf den Tötungsmaschinen ist.
       
       taz: Sie sehen keine Notwendigkeit, dass die europäischen Staaten aus
       eigener Kraft dem Eindringen von russischen Flugzeugen und Drohnen in den
       Luftraum etwas entgegensetzen können? 
       
       Pletsch: Das passiert ja durchaus, wenn auch im medial befeuerten
       Panikmodus. Die Provokationen sind da, sie sollten aber sorgsam untersucht
       werden, damit man angemessen reagieren kann. Neue Lösungen sind vor allem
       bei der Abwehr kleiner Drohnen nötig. Aktuell ist das Verhältnis zwischen
       dem Wert der angreifenden Systeme und dem Wert der Abwehrwaffen komplett
       außer Kontrolle. Aber ob ein Hightech-System wie FCAS mit einer offensiven
       Ausrichtung eine sinnvolle Investition für den Zweck der Luftverteidigung
       ist, ist wirklich fraglich.
       
       taz: Was könnte eine Alternative zu FCAS sein? 
       
       Pletsch: Deutsche Politiker*innen und die Industrie scheinen derzeit
       eine Kooperation mit dem schwedischen Kampfflugzeugbauer Saab für den
       Kampfjet zu favorisieren, während bei den restlichen Systemkomponenten
       weiter mit Frankreich zusammengearbeitet werden soll. Eine Alternative wäre
       die Eingliederung in das von Großbritannien angestoßene Projekt Global
       Combat Air Programme, wobei die deutsche Industrie hier mit deutlich
       weniger Arbeitsanteilen rechnen dürfte – das Projekt ist schon weiter
       fortgeschritten.
       
       taz: Wie sehen Sie diese Planungen? 
       
       Pletsch: Wünschenswert finde ich keine der Optionen. Nötig ist vielmehr die
       globale Abkehr von der Abschreckungslogik sowie ein Verzicht auf die
       Aufrüstung mit Cyberkampfjets wie FCAS. Dringend notwendig wäre außerdem
       ein völkerrechtlicher Vertrag zur Begrenzung von autonomen Waffensystemen,
       damit die menschliche Kontrolle hier gesichert bleibt.
       
       16 Dec 2025
       
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 (DIR) [1] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/deutschland-frankreich-fcas-probleme-100.html
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