# taz.de -- Ein guter Dating-Spot in Leipzig: Mit N. auf der Tinderbrücke
> Unsere Autorin hat in ihrer Datinghistorie so gut wie alle Klischees
> angerissen. Doch jetzt wird alles anders – mit Blick auf die Skyline von
> Leipzig.
(IMG) Bild: Na gugge ma, dor Uni-Riese
Unweit der Eisenbahnstraße gibt es eine Brücke, die von vielen nur
Tinderbrücke genannt wird. Bis vor einigen Wochen kannte ich diesen Ort als
Ostblick, ein Name, den ich treffend finde, weil man von hier aus die
Skyline von Leipzig (also den [1][MDR-Tower]) betrachten kann.
Dass hier ein guter Dating-Spot sein soll, war mir nicht klar, was
vielleicht daran liegt, dass Dating kein zentraler Bestandteil meines
Lebens ist und ich meistens lieber mit einer Freundin in der Küche sitze,
statt auf ein mittelmäßiges Date in einer mittelmäßigen Bar mit
mittelmäßigem Bier (in Leipzig ist das Bier wirklich überall mittelmäßig)
zu gehen und jemanden nach seiner Lieblingsfarbe zu fragen. Ein Jahr habe
ich es geschafft, eine Kolumne zu schreiben, die sich mit Begehren
beschäftigt, aber die konkreteste Form davon, Sex und Dating,
auszuklammern.
Vielleicht kommt meine Null-Lust auf Datingmentalität daher, dass ich in
meiner Datinghistorie so gut wie alle Klischees angerissen habe:
Aufwandsarme Dates vorm Späti, bei denen ich mich zuverlässig betrunken
habe, hatte ich nur mit Männern. Außer Frust habe ich da aber nicht
sonderlich viel empfunden, aber mich jetzt hier breit darüber aufzuregen,
wäre auch nur eine weitere Männerzentrierung.
Ansonsten war ich mein erstes Mal bouldern mit einer Person, die so hieß
wie ich, und ein paar Treffen mit einer Person, bei denen niemand einen
Move gemacht hat, nur um dann beim vierten Treffen mehrere Tage
zusammenzuziehen – und sich dann für immer zu ghosten.
## Monogamie ist over
Meine Art, Beziehungen zu führen, steht super konträr zum daten. In den
meisten meiner Bindungen fühle ich mich sehr erfüllt und ich will nicht die
eine Person für wen sein, genauso wenig, wie ich eine Person für mich will,
Monogamie ist für mich lange over und ich strebe es an, über die
individuellen Erwartungen zu sprechen. Ideal über Realität allerdings, denn
mir fällt es sehr schwer, über mein Begehren zu reden, zu sagen, was ich
beim Sex will oder nicht und was ich mir von wem anderes wünsche.
Damit konfrontiert werde ich, als ich N. kennenlerne. N. ist etwa zehn
Jahre älter als ich. N. summt manchmal, wenn sie nervös ist. N. und ich
verabreden uns auf dem Ostblick.
„You mean the Tinderbrücke?“ Heißt die so?, frage ich, wer benutzt denn
heute noch Tinder? „We“, sagt N.
N. stellt viele Fragen. Sie sagt, wie sie unsere Dynamik wahrnimmt, was sie
sich vorstellen kann, was sie braucht und was sie geben kann. „You don’t
have to fulfill anything“, sagt sie, „that’s just offers.“
N. formuliert ihr Begehren. Als sie mich fragt: „What’s your pleasure?“,
schweige ich. Ich mag vieles, aber vieles ja nicht immer und ehrlich
gesagt, bin ich mir nicht sicher, was anerzogen ist und was ich wirklich
will. Ich werde gerne am Oberschenkel berührt, gerne fester, aber ich weiß
nicht, ob ich das jetzt gerade auch will. Und was ist, wenn ich etwas
möchte, von dem ich merke, dass es sich schlecht anfühlt hinterher, oder
wenn ich etwas begehre, dass ich nicht begehren sollte. Wie soll ich dir
das sagen?
Begehren beschreibt auch immer eine Lücke. Wenn ich darüber spreche, was
ich begehre, bedeutet das, dass ich mitteile, was mir fehlt. Du kennst
jetzt meine Lücke, du weißt jetzt, was mir fehlt und du kannst damit
machen, was du willst. Mit N. möchte ich einen Gedanken teilen, Worte
schaffen es über die Lippen: Ich begehre – aber breche dann einfach ab.
26 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/City-Hochhaus_Leipzig
## AUTOREN
(DIR) Jona Rausch
## TAGS
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