# taz.de -- Postmoderne Architektur in der Provinz: Wie eine museale Hülle des alten BRD-Kapitalismus
       
       > Die Künstlerin Karla Zipfel fotografiert postmoderne Gebäude und
       > Interieurs in westdeutschen Städtchen. Auf Instagram und Tiktok kommt sie
       > damit gut an.
       
 (IMG) Bild: Emotional und freimütig figurativ: postmoderne Fundstücke von Karla Zipfel in westdeutschen Kleinstädten, gepostet auf Instagram
       
       Ein Nachhilfeinstitut, dessen Säulenportikus an eine palladianische Villa
       erinnert, ein Einfamilienhaus mit aprikosenfarbenen Rundbögen: Bad
       Krozingen ist die Toskana Deutschlands – zumindest, wenn es nach der
       Künstlerin Karla Zipfel geht. Ihre Bilder solcher Gebäude, unterlegt mit
       dem [1][Italo-Schlager „Sarà perché ti amo“], sind Teil einer Serie auf
       Instagram und Tiktok, mit der Zipfel humorvoll die postmoderne Architektur
       westdeutscher Provinzstädte dokumentiert, in Siegen, Hof, oder Bad
       Krozingen im Breisgau.
       
       Zipfels Videos erreichen regelmäßig sechsstellige Klickzahlen. Was
       fasziniert so an dem Stil, der in den 1980er und 1990er Jahren seinen
       Höhepunkt hatte?
       
       Vor einigen Jahren galt Brutalismus als die Wiederentdeckung der Stunde.
       Auf Instagram feierte man seine riesigen, maschinenartigen Wohnblocks in
       der ehemaligen Sowjetunion oder den dystopisch wirkenden Mäusebunker in
       Berlin. Während diese massige Beton-Spätmoderne insbesondere bei
       öffentlichen Gebäuden und sozialem Wohnungsbau zu finden ist, sieht man die
       Postmoderne allerdings eher am Eigenheim oder in der Privatwirtschaft.
       
       Sparkassengebäude etwa tauchen immer wieder in den Videos von Karla Zipfel
       auf. Wie die Filiale im bayrischen Hof, aus deren Front ein Erker
       herausragt, getragen von Säulen unter abgetreppten Arkadenbögen. „Sparkasse
       mit postmoderner Fassade, die Bezüge zum Klassizismus und Burgen schafft“,
       schreibt Zipfel dazu.
       
       ## Robert Venturi und Charles Jencks
       
       Die Postmoderne ist weniger einheitliche Epoche als philosophische
       Strömung, bewusst grenzt sie sich von den wohlgestalteten, funktionalen
       [2][Formen der Moderne ab]. Postmoderne Architekten wie Robert Venturi,
       [3][Denise Scott Brown] oder Charles Jencks dachten vor allem den Kontext
       des Ortes mit und bezogen regionale und historische Aspekte in ihre
       Entwürfe ein. Postmodernes Produktdesign ließ auch alltägliche Gegenstände
       spielerisch, dekorativ und eklektisch sein, wenn man etwa an die
       Küchenutensilien der Firma Alessi denkt, deren Salzstreuer die Form eines
       Rapunzel-Turms und deren Wasserkessel eine Zwitschervogel-Pfeife haben
       konnte.
       
       Und weil es in der Postmoderne weniger um den [4][guten Geschmack und die
       durchdachte Gestaltung geht wie in der etwas unterkühlten Moderne], sondern
       ums anything goes, konnte sie besonders freimütige Formen annehmen. Zipfel
       hat einige davon gesichtet: Stromkästen als Fachwerkhäuser, ein
       „Volksbankinterieur mit mittelalterlichen Zügen“, wie die gebürtige
       Freiburgerin eines ihrer Bilder kommentiert.
       
       Nur selten kennt man die örtlichen Architekturbüros, die sich so etwas in
       den 80ern ausgedacht haben. Oder schon einmal vom Architektenpaar Edda und
       Gernot Heinz gehört, das zwei Sparkassengebäude in Hof entworfen hat?
       
       Die historischen und erzählerischen Gestaltungselemente der Heinzens
       stiften Identität, schaffen einen Wiedererkennungswert, vielleicht sogar
       Nähe. Emotionale Effekte, die so kleinbürgerlichen Einrichtungen wie einer
       Sparkasse oder Volksbank zuspielen. Und heute, da sich auch diese
       Finanzinstitute zunehmend ins Netz verlagert haben, wirkt ein derart
       kundenbindendes Design schon wie die museale Hülle des alten
       BRD-Kapitalismus.
       
       ## Humorvoll und fotogen
       
       Immer schon mit Ironie versehen, bietet die fotogene Gestaltung der
       Postmoderne derzeit in den sozialen Medien eine humorvolle Vorlage, sich
       mit dem kulturellen Erbe der BRD auseinanderzusetzen. Nicht nur Karla
       Zipfel kommt damit gut an, auch etwa die Meme-Creatorin Svea Mausolf, die
       in ihren Posts 80er-Jahre-Mittelstandsmöbiliar, Bier- und Schlagerkultur
       persifliert.
       
       Zipfel hat jetzt auch eine Ausstellung in Freiburg. Darin zieht sie eine
       ästhetische Parallele zwischen der Architektur von Eigenheimen in der
       deutschen Provinz und der von Sparkassen. Die erkläre sich mit dem
       Bestreben nach Wohlstand und sozialer Absicherung.
       
       10 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maximilian Hossner
       
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