# taz.de -- Gentechnik: EU schafft Pflicht zur Kennzeichnung ab
> Kunden können künftig im Supermarkt nicht mehr erkennen, ob Essen
> gentechnisch verändert ist. Die Bio-Landwirtschaft stellt das vor
> Risiken.
(IMG) Bild: Gentechnik oder Nichtgentechnik? Kunden könnten in Zukunft nicht mehr sofort erkennen, ob sie veränderte Lebensmittel kaufen
Die Einigung kam mitten in der Nacht und sie dürfte Verbraucher und
Bio-Landwirte noch lange beschäftigen: Um angeblich unschädliche neue
Verfahren zu fördern, soll es in der EU künftig weniger Umweltprüfungen für
gentechnisch veränderte Pflanzen geben – und keine verpflichtende
Kennzeichnung im Supermarkt. Darauf haben sich Unterhändler des
Europaparlaments und der Mitgliedsstaaten am Donnerstag in Brüssel
geeinigt.
Die EU will mit dem Kompromiss den Einsatz sogenannter Neuer Genomischer
Verfahren (NGT) erleichtern. Dafür werden zwei neue Kategorien für
genetisch veränderte Pflanzen eingeführt. In die erste Kategorie fallen
demnach Sorten mit begrenzten Eingriffen, etwa durch [1][die „Gen-Schere“
Crispr-Cas]. Hier werden die Vorschriften gelockert. Für stärker
gentechnisch veränderte Pflanzen sollen hingegen weiter strenge Regeln
gelten.
Was technisch klingt, hat handfeste – aber schwer nach-vollziehbare –
Auswirkungen im Supermarkt. Denn es geht nicht nur um die Pflanzen, sondern
auch um die Lebensmittel, die mit diesen Pflanzen erzeugt werden. Diese
Lebensmittel sollen künftig keinen Hinweis tragen, wenn sie gentechnisch
veränderte Pflanzen aus der ersten Kategorie enthalten. Gekennzeichnet wird
nur noch das Saatgut.
[2][Für die Kunden wäre damit nicht mehr ohne Weiteres ersichtlich], ob sie
gentechnisch veränderte Lebensmittel kaufen, kritisieren
Verbraucherschützer. Das sei „mehr als enttäuschend“, erklärte Alexander
Hissting, Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik
(VLOG). „Die ganz große Mehrheit der Verbraucher:innen [3][will keine
Gentechnik im Essen]“, ist Hissting überzeugt.
Dieser Meinung ist auch der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling. Er
spricht von einer „Bedrohung der gentechnikfreien Land- und
Lebensmittelwirtschaft sowie für Umwelt und Verbraucherschutz in Europa“.
Es gehe bei dem Beschluss nicht nur um die Pflanzen und die Verbraucher,
sondern auch um die Industrie und die Patente: „Während die Agrar- und
Gentechnikindustrie heute die Sektkorken knallen lässt, blickt der
gentechnikfreie Sektor einer Zukunft voller Risiken und Unsicherheiten
entgegen.“
## Sektkorken knallen
Die industrielle Agrarlobby drängt seit Jahren darauf, neue gentechnische
Verfahren wie [4][Crispr-Cas] aus der EU-Gesetzgebung herauszulösen.
Außerdem will sie diese Verfahren und die Produkte patentieren lassen.
Diesem Druck seien viele EU-Mitgliedstaaten und die konservative Mehrheit
im Parlament bereitwillig gefolgt, klagt Häusling. Dabei gebe es keine
wissenschaftliche Grundlage für die nun geplante Unterscheidung in zwei
Kategorien.
Dem widerspricht der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. „Neue
Züchtungstechnologien bieten Landwirten und Verbraucherinnen und
Verbrauchern viele Möglichkeiten“, sagte er. „Als Arzt mit Erfahrung in der
Humangenetik bin ich fest davon überzeugt, dass die Risiken vollständig
unter Kontrolle sind.“ Zudem habe das Parlament das Recht der Landwirte
bekräftigt, ihr eigenes Saatgut auf ihren eigenen Feldern zu verwenden.
Dies sei ein Fortschritt.
Von einem „historischen Tag“ sprach die konservative Europaabgeordnete
Jessica Polfjärd. Europas Landwirte erhielten nun Zugang zu
Nobelpreis-gekrönten Technologien und könnten Pflanzen züchten, die der
Klimakrise besser widerstehen. Das sei auch wichtig für die
Versorgungs-Sicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit. Die EU-Kommission
erklärt Wettbewerbsfähigkeit zum neuen Imperativ, ihr werden viele andere
Ziele untergeordnet.
Die [5][neue EU-Regulierung] muss noch im Plenum des Parlaments und im
Ministerrat gebilligt werden, damit sie in Kraft treten kann. Dabei richten
sich wieder alle Blicke auf Deutschland. Häusling rechnet mit einem „German
vote“, also einer Enthaltung. Allerdings dürfte dies nicht reichen, um den
Entwurf noch zu Fall zu bringen.
4 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Eric Bonse
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