# taz.de -- Museum für die Bremer Stadtmusikanten: Ein bisschen Kitsch tut keinem weh
> Mit dem Stadtmusikanten- und Literaturhaus hatte sich Bremen bei der
> Unesco für den Titel „City of Literature“ beworben. Jetzt steht das
> Konzept.
(IMG) Bild: Die Bremer Stadtmusikanten am Rathaus: An denen kommt in Bremen irgendwie niemand vorbei
In der Bremer Neustadt hat sich ein Hausbesitzer was Schönes an die Wand
sprayen lassen: Esel, Hund, Katze, Hahn, na Sie wissen schon. „Langweilig“,
hat irgendwer mit Edding drunter geschrieben. Es ist kein Staat zu machen
mit diesen Stadtmusikanten in Bremen.
Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) probiert es trotzdem. Schon seit
seiner ersten Amtszeit ist das so eine Idee von ihm: Das Märchen der
Stadtmusikanten ein bisschen größer erzählen in Bremen. Auch wenn die vier
Tiere es in der Geschichte nie bis nach Bremen schaffen, sind sie laut
einer Umfrage doch die erste Assoziation, die Menschen zur Stadt einfällt,
weit vor Werder und Beck's.
Und so ausgelutscht und allgegenwärtig die vier Werbeträger aus Bremer
Binnenperspektive auch erscheinen mögen: Für Tourist*innen gab es bisher
wenig. Die hübsche kleine Bronzestatue von Gerhard Marcks, ein bisschen
versteckt hinterm Rathaus, sorgt bei Besucher*innen ja doch regelmäßig
für leichte Enttäuschung: Wie jetzt, das war’s schon?
Das Stadtmusikantenhaus in der Bremer City soll Abhilfe schaffen: Eine
eigene Erlebnisausstellung soll sich den Helden widmen. Jetzt steht der
Betreiber fest: Die Leisureworkgroup aus Hamburg hat die Ausschreibung
gewonnen, die auch schon [1][das Auswandererhaus in Hamburg konzipiert]
hat.
## Chance oder Luftschloss?
Die Handelskammer erhofft sich eine Belebung für die Bremer Innenstadt vom
Stadtmusikantenhaus und ist voll des Lobes. So hat auch die Opposition ihr
Gemopper gegen das Stadtmusikantenhaus („Prestigeprojekt Bovenschulte“,
„chaotische rot-rot-grüne Finanzpolitik“, „Bovenschultes Märchenschloss“)
zuletzt eingestellt.
In den Kommentarspalten des Weser Kuriers wittern Bremer*innen dennoch
weiterhin Übel – man erinnert an den grandios gescheiterten Space Park. Und
muss nicht auch die Bremer Botanika gerade mit Steuergeld gerettet werden?
8,5 Millionen Euro soll der Ausbau des Hauses Bremen kosten, weitere 5
Milllionen Euro kommen vom Bund. Die Ausstellung soll sich dann aber selbst
tragen; 80.000 Besucher*innen pro Jahr werden erwartet. Hochgegriffen
ist das nicht.
2024 gab es in Bremer Hotels und Pensionen 2,5 Millionen Übernachtungen,
dazu kamen 35 Millionen Tagesgäste. Ein paar davon werden wohl auch mal im
Stadtmusikantenhaus vorbeischauen. Bei mehr als 80.000 Gästen winkt Bremen
eine Gewinnbeteiligung – die allerdings muss dann reinvestiert werden ins
Projekt.
Die Ausstellung wird, selbstverständlich – immersiv. Falls Sie
Erlebnisausstellungen zuletzt vermieden haben und an diesem Schlagwort
scheitern: Sie soll mit allen Sinnen erlebbar sein, Besucher*innen
werden ein Teil davon. Mit den virtuellen Tieren kann man sich unterhalten
und eines von ihnen als individuellen Begleiter durch den Rest der Show
wählen.
Dann wechselt das Licht und mit ihm die Emotion in irgendwie hoffnungsvoll
und es geht los. Die ersten Bilder, die die Leisureworkgroup an die
Öffentlichkeit gibt, sind ziemlich Disney, die Worte dazu sind es auch.
„Nur wer an Träume glaubt, kann sie verwirklichen“, ist so eine Botschaft,
die die Betreiber aus dem Märchen herausgelesen haben. „Mut“ steht auf den
Visualisierungen der Ausstellung an den Wänden, „Freundschaft“ und
„Engagement“ – lauter Wohlfühlbegriffe.
Dabei ist das eigentliche Märchen zwar kinderkompatibel in seinen Zutaten
(keine Hexe wird gebraten), aber viel härter in seiner Essenz. Niemand muss
kritische Traumdeutung treiben oder Urängste analysieren, um es zu
verstehen oder in die Gegenwart zu holen.
Das magische Element ist relativ schwach: Vier Tiere können reden, na ja.
Sie alle, so steht es da, haben ihr Leben lang für ihre Herren geackert,
doch nun sind sie alt, zu nichts mehr nütze und sollen allesamt
geschlachtet werden.
Was sie fort- (und zusammen-)treibt, das ist kein Traum, das ist die pure
Not. Die Idee, Musiker zu werden in Bremen, ist bei ihnen weniger ein
Wunsch nach Kreativität und Selbsterfüllung, sondern ein trotziger
Lebenswille: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall.“
## Eher Brecht als Disney
Und dann, als sie das gute Leben sehen, ein warmes Haus mit gedecktem
Tisch: Da fragen sie nicht lange, sondern nehmen es sich und verteidigen es
fortan mit Zähnen und Klauen und Tritten. Musiker werden sie nicht mehr, so
weit bekannt. Das ist eher Brecht als Disney.
Aber gut: Ein bisschen Zuckerguss obendrauf gibt den Menschen vermutlich
ein wärmeres Gefühl als die „Nimm dir, was du brauchst“-Botschaft. Es ist
keine Schande, „Emotionalität, Neugierde, Staunen“ schaffen zu wollen. Das
Ganze wird gut verdaulich portioniert: Die Besuche sind getaktet, nach
spätestens anderthalb Stunden ist man durch. Das ist gut für
Reisebus-Veranstalter.
Im letzten Raum können Besucher*innen dann als Street-Artists noch
schwarz-weiße Bremer Straßenzüge virtuell in Farbe tauchen. Warum? Was hat
das mit dem Märchen zu tun? Das soll Spaß machen und ist
Instagram-tauglich, so die ehrliche Antwort. Dagegen kann wenig einwenden,
wer kein spaßverachtender Traditionspurist ist. Es wird wohl laufen, das
Stadtmusikantenhaus, und richtig weh tut's auch nicht.
## City of Literature
Ob es aber auch das erfüllt, was man der Unesco versprochen hatte? 2023
hatte Bremen sich [2][erfolgreich auf den Titel „City of Literature“
beworben]. Es ist ja schwer zu glauben, aber Bremen, diese
600.000-Einwohner-Stadt, hat bisher kein eigenes Literaturhaus. Für die
Bewerbung war der Verweis auf das geplante „Stadtmusikanten- und
Literaturhaus“ ein wohl entscheidender Bestandteil. Von Kitsch war dabei
nicht die Rede.
Aber gemach! Auch ein Literaturhaus wird es geben im Kontorhaus am Markt,
es wird bisher nur nicht so viel darüber geredet. Einen gemeinsamen
Eingangsbereich bekommen die beiden Ankermieter des Kontorhauses am Markt,
unten gibt's die Unterhaltung, oben die Literatur. Thematisch hingen beide
Nutzer auch zusammen, findet Bürgermeister Bovenschulte – Stichwort
Märchen.
Das Bremer Literaturkontor und das virtuelle Literaturhaus, die bis dahin
fusionieren wollen, werden dann einen eigenen Raum für Lesungen haben,
endlich! So 100 Leute sollen reinpassen; auch die vielen [3][Bremer
Literaturfestival]s sollen ihn nutzen können. Eine Art Lounge ist dann auch
noch geplant, offen für alle: Ein Ort zum Lesen oder Rumsitzen oder Reden,
ohne etwas konsumieren zu müssen.
Ganz [4][so aufwendig wie die immersive Ausstellung] wird das nicht –
vielleicht eröffnet das Literaturhaus noch vor der
Stadtmusikanten-Ausstellung. Man hofft aufs Frühjahr 2027. Das wäre noch
ein paar Monate vor der geplanten Eröffnung der Stadtmusikanten-Ausstellung
– das [5][Literaturhaus hätte dann mal ungeteilte Aufmerksamkeit].
4 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Wo-Amis-Oma-und-Opa-spielen/!281744/
(DIR) [2] /Bremen-als-City-of-Literature/!5993952
(DIR) [3] /Leiterin-ueber-Bremer-Literaturfestival/!6044781
(DIR) [4] /Immersive-Ausstellungen/!6103722
(DIR) [5] https://www.literaturhaus-bremen.de/
## AUTOREN
(DIR) Lotta Drügemöller
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