# taz.de -- Neues Hochhausleitbild in Berlin: Mit Luxustürmen gegen die Wohnungsnot
       
       > Das überarbeitete Hochhausleitbild soll die Planung von Hochhäusern
       > beschleunigen. Doch höher bauen sei kein Mittel gegen Wohnungsnot, sagen
       > Kritiker.
       
 (IMG) Bild: Hoch hinaus gegen Wohnungsnot? DIe neuen Wohntürme dürften deutlich teurer werden als die Plattenbauten in Marzahn
       
       [1][Ob im Gleisdreieckpark], am Alexanderplatz oder an der Warschauer
       Straße: An gleich mehreren Orten treibt der schwarz-rote Senat
       Hochhausprojekte privater Investoren voran. Mit dem neuen Hochhausleitbild,
       dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Montag im Baukollegium
       vorstellte, bekräftigt der Senat diesen Kurs. Für Investor:innen wird
       es in Zukunft geringere Hürden für ihre Bauvorhaben geben. Doch
       Kritiker:innen zweifeln an dem Nutzen des Hochhausbooms.
       
       Das neue Hochhausleitbild ist im Wesentlichen [2][eine Überarbeitung des
       2020 eingeführten Kriterienkatalogs]. Rechtlich nicht bindend, bietet der
       Leitfaden städtebauliche Rahmenvorgaben, an denen sich Investor:innen
       in der Planung orientieren können. In Zukunft entfallen zwei Vorgaben:
       Anstatt der vorgegebenen Nutzungsmischung aus Büros, Wohnen, Gewerbe und
       gemeinwohlorientierter Nutzung sollen auch reine Wohntürme möglich sein.
       Die Pflicht zu einer öffentlich begehbaren Dachterrasse entfällt, wenn
       ausschließlich eine Wohnnutzung vorgesehen ist.
       
       Auch das Baukollegium, ein Expert:innengremium, dass die Senatsverwaltung
       zu Bauprojekten berät, soll in Zukunft weniger Mitsprachemöglichkeiten
       bekommen. Statt wie bisher dreimal soll es in Zukunft nur noch einmal
       angehört werden. Gleich zu Beginn der Planung, um festzustellen, ob der
       Standort überhaupt geeignet für ein Hochhaus ist.
       
       Eine weitere Neuerung im Umgang mit Hochhausprojekten findet sich nicht
       direkt im Leitbild, sondern in der Ende Oktober in Kraft getretenen Novelle
       des Baugesetzbuches, „Bau-Turbo“ genannt. Denn laut Paragraf 246e können
       Bezirke zukünftig Wohnraum auch ohne Bebauungsplan bauen. Wichtige
       Planungsschritte, wie Umweltprüfung und Bürger:innenbeteiligungen,
       entfallen damit oder werden verkürzt.
       
       ## Hoch hinaus ohne B-Plan
       
       „Es ist auf Grundlage des Bauturbos durchaus vorstellbar, dass künftig ein
       Hochhaus, das dem Wohnen dient, gänzlich ohne Bebauungsplan errichtet
       werden könnte.“, sagte Thorsten Wilhelm, Mitarbeiter in der
       Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, am Montag.
       
       Die Senatsverwaltung erhofft sich mit den vereinfachten Regelungen die
       Schaffung von mehr Wohnraum. Denn potenzielle Wohntürme sollen weiterhin
       nach dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung gebaut werden,
       das einen Anteil an 30 Prozent der Geschossfläche an bezahlbarem, weil
       gefördertem Wohnraum vorsieht.
       
       „Hochhäuser können einen Beitrag zur Lösung der Wohnungsfrage leisten“,
       sagte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler der B.Z. Ein
       flächenschonender Umgang mit Grund und Boden sei aus ökologisch und
       ökonomischer Sicht das Gebot der Stunde.
       
       Die Grünen teilen die Begeisterung des Senats nicht „Die Wohnungsnot lässt
       sich nicht durch Neubau, geschweige denn dem Bau von Hochhäusern
       bekämpfen“, sagt der stadtentwicklungspolitische Sprecher Julian Schwarze.
       Der „Trickle- down-Effekt“, eine Entlastung des Wohnungsmarktes durch
       hochpreisigen Neubau, sei ein Mythos, sagt Schwarze.
       
       ## Zu teuer, nicht ökologisch
       
       Ab 60 Meter Höhe erhöhen sich zudem die Baukosten enorm, da die
       Anforderungen an Statik, Brandschutz und Energieversorgung deutlich
       steigen. Bezahlbarer Wohnraum könne in einem Hochhaus also nicht entstehen,
       so Schwarze.
       
       Auch die Formel, mehr Geschossfläche auf weniger Baugrund zu realisieren,
       sei ökologisch sinnvoll, stimme nicht immer. „Hochhäuser haben im Schnitt
       einen höheren Energieverbrauch“, sagt auch Michael Efler,
       stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linken.
       
       Was das neue Leitbild konkret bedeuten könnte, zeigt sich in der
       Rudolfstraße an der Warschauer Brücke. [3][Dort soll entgegen dem Willen
       des Bezirks ein 167 Meter hoher Turm entstehen.] Setzt der Investor
       ausschließlich auf Wohnnutzung, könnte der Senat den Bau-Turbo anwerfen.
       
       „Die sich abzeichnenden Änderungen am Hochhausleitbild kämen für den
       Vorhabenträger des Hochhauses zur rechten Zeit“, kritisiert Baustadtrat
       Florian Schmidt (Grüne) aus Friedrichshain-Kreuzberg. Mit der Neuregelung
       sei das Kriterium der Gemeinwohlorientierung schon erfüllt, wenn der
       Investor Wohnraum schafft. „Damit hat er zukünftig offenbar seine
       Bringschuld gegenüber dem Gemeinwohl abgegolten und kann den Rest seines
       monumentalen Gebäudes möglichst gewinnbringend vermarkten“, kritisiert
       Schmidt.
       
       ## Behutsame Entwicklung gefährdet
       
       Die Befürchtung des Bezirks vor einem „Standort für Luxuswohnen“ würde sich
       bewahrheiten, sagt Schmidt. Der Baustadtrat sorgt sich, dass der Senat den
       Bau-Turbo nutzen könnte, um noch vor den nächsten Wahlen Baurecht zu
       schaffen.
       
       Eigentlich plante der Bezirk, die Umgebung des Rudolfkiezes für
       kleinteilige gewerbliche und kulturelle Nutzung zu entwickeln. [4][Das lang
       geplante „Rudolfband“-Konzept] sieht eine behutsame Entwicklung mit
       Einhaltung der Berliner Traufhöfe von 21 Metern und eine Einbeziehung der
       denkmalgeschützen Bausubstanz vor. Schmidt fürchtet, die Hochhauspläne
       könnten dem Konzept einen Strich durch die Rechnung machen.
       
       Stadtentwicklungspolitiker Julian Schwarze plädiert dafür, Hochhäuser nur
       dort zu bauen, wo sie städtebaulich auch Sinn machten. „Was wir gerade
       sehen, ist genau das Gegenteil“, kritisiert Schwarze.
       
       2 Dec 2025
       
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