# taz.de -- NSU-Opferanwälte vor Zschäpe-Aussage: „Wer waren die Helfer des NSU?“
       
       > Die NSU-Terroristin Beate Zschäpe soll im Prozess gegen ihre frühere
       > Freundin aussagen. Opferanwältin Antonia von der Behrens fordert endlich
       > Aufklärung.
       
 (IMG) Bild: Elif Kubaşık, Witwe des ermordeten Mehmet Kubaşık, mit Anwältin Antonia von der Behrens (r.) 2018 in München
       
       taz: Frau von der Behrens, ab Mittwoch wird die NSU-Terroristin Beate
       Zschäpe [1][im Prozess gegen ihre frühere Freundin Susann Eminger] vor dem
       Oberlandesgericht Dresden als Zeugin aussagen. Wird die Familie Kubaşık,
       die Sie als Anwältin vertreten und deren Mann und Vater Mehmet Kubaşık vom
       NSU ermordet wurde, das verfolgen?
       
       Antonia von der Behrens: Ja, die Witwe Elif Kubaşık und die Tochter
       [2][Gamze Kubaşık] sowie weitere Betroffene und Angehörige werden für die
       Aussage nach Dresden kommen. Sie sind zwar skeptisch, was zu erwarten ist,
       weil Zschäpe über all die Jahre offenkundig nicht bereit war, ihr Wissen
       offenzulegen. Aber sie hegen doch die Hoffnung, vielleicht etwas Relevantes
       zu erfahren.
       
       taz: Und das wäre? 
       
       Von der Behrens: Seit der Selbstenttarnung des NSU stellt sich der Familie
       immer wieder die gleichen Fragen: Welche Netzwerke hatte der NSU? Wer waren
       die Mitwisser und Helfer an den Tatorten, insbesondere in Dortmund? Hätten
       die Taten mit dem Wissen der V-Männer und des Verfassungsschutzes
       verhindert werden können? Gamze und Elif Kubaşık hoffen sehr, dass die
       Vorsitzende Richterin die entscheidenden Fragen stellen und nicht locker
       lassen wird.
       
       taz: Bisher schob Zschäpe alle NSU-Taten auf ihre toten Kumpanen Uwe
       Mundlos und Uwe Böhnhardt. [3][Nun gibt sie sich als Aussteigerin]. Als
       Zeugin ist sie zur Wahrheit verpflichtet. Erwarten Sie, dass sie jetzt
       auspackt? 
       
       Von der Behrens: Zschäpe hat im Münchner NSU-Prozess nichts zur Aufklärung
       beigetragen, sondern sich – sehr unglaubwürdig – als unwissende Hausfrau
       dargestellt, die immer erst im Nachhinein von den Morden erfahren haben
       will. Und sie versuchte stets, sich selbst, die weiteren Angeklagten und
       das Netzwerk des NSU zu schützen. Ihre Schutzbehauptungen wurden aber schon
       während des Prozesses widerlegt. Dafür, dass sie sich jetzt grundlegend
       anders verhält, gibt es keine Hinweise. Sie erhofft sich Vorteile für das
       Strafvollstreckungsverfahren. Deshalb hat Zschäpe in den vergangenen zwei
       Jahren einiges darangesetzt zu behaupten, sie habe sich gewandelt und sei
       jetzt Aussteigerin.
       
       taz: Sie nehmen ihr das nicht ab? 
       
       Von der Behrens: Nein. Zschäpe dürfte es nur darum gehen, ihre Haft so sehr
       wie möglich zu verkürzen.
       
       taz: Welche konkreten Fragen zum NSU müsste Zschäpe beantworten, um
       wirklich zur Aufklärung beizutragen? 
       
       Von der Behrens: [4][Die Nebenklage hatte Zschäpe im NSU-Verfahren über 300
       Fragen gestellt], die sie alle nicht beantwortet hat. Jetzt wäre die
       Gelegenheit, ihr diese wieder zu stellen. Beispielsweise ist unklar, wem
       die Kinderschuhe eines kleinen Mädchens und weitere Kindersachen gehörten,
       die in dem Wohnmobil gefunden wurden, mit dem Mundlos und Böhnhardt ihren
       letzten Überfall begangen haben. Die Eltern des Kindes müssen Zschäpe,
       Mundlos und Böhnhardt sehr nahe gestanden haben. Diese Personen sind bis
       heute nicht identifiziert, obwohl sich DNA auf dem Schuh befand. Oder die
       offene Frage der Waffen.
       
       taz: Bis heute ist bei 18 von 20 beim NSU gefundenen Waffen nicht geklärt,
       woher sie kamen. 
       
       Von der Behrens: Und das kann doch nicht sein. Genauso wie die ungeklärte
       Frage, [5][wer den unfrankierten Umschlag mit der Bekenner-CD des NSU in
       den Briefkasten der Nürnberger Nachrichten geworfen hat]. Oder wo sich
       Zschäpe auf ihrer Flucht nach dem NSU-Auffliegen, zwischen dem 4. und 8.
       November 2011, aufgehalten hat, bevor sie sich der Polizei gestellt hat.
       Welche Personen hatte sie da zu welchen Zwecken aufgesucht? Wen hat sie
       gewarnt oder wem hat sie Geld gegeben?
       
       taz: Die [6][Welt] berichtete gerade von einem Brief der ehemaligen Anwälte
       von Zschäpe – Anja Sturm, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl – an ihren damals
       neuen Anwalt Mathias Grasel aus dem Jahr 2015, in der sie schreiben, dass
       einige NSU-Taten von anderen Tätern als Mundlos und Böhnhardt begangen
       wurden. Ist das plausibel?
       
       Von der Behrens: Dieser Brief war in der Nebenklage nicht bekannt. Wer
       diesen Brief mit welchem Interesse durchgestochen hat, wissen wir nicht.
       Aber ja, die Existenz weiterer Mittäter und Unterstützer ist plausibel. Wir
       haben das immer gesagt, und auch die Opferfamilien sind davon überzeugt.
       Die Bundesanwaltschaft beharrt dagegen bis heute auf einer Dreierzelle, die
       so abgeschottet war, dass selbst das engste Umfeld keine Kenntnis von den
       Morden und Anschlägen gehabt haben soll – und damit auch die
       Sicherheitsbehörden nichts von der Existenz des NSU wussten.
       
       Und das Urteil im Münchner NSU-Prozess hat das dann festgeschrieben. Aber
       alle Erkenntnisse aus den Untersuchungsausschüssen und auch aus der
       Beweisaufnahme im Prozess sprechen für wissende Helfer oder sogar Mittäter,
       auch an den Tatorten.
       
       taz: Wer könnten diese anderen Helfer und Mittäter sein? 
       
       Von der Behrens: Fragen stellen sich zum Beispiel zu [7][André Eminger],
       dem Ehemann der nun in Dresden Angeklagten Susann Eminger. Zwar ist er
       freigesprochen worden, an dem Anschlag auf die Familie eines
       Lebensmittelladens in der Kölner Probsteigasse beteiligt gewesen zu sein,
       aber aufgeklärt ist das nicht. Auch die Rolle des früheren Szenefreunds
       Thomas G. ist bisher noch völlig unklar und nicht aufgeklärt. [8][Ebenso
       die des V-Manns Ralf Marschner], der in Zwickau, wo Zschäpe, Mundlos und
       Böhnhardt untergetaucht waren, allgegenwärtig war.
       
       Es gibt Hinweise, dass Mundlos in Marschners Bauservice arbeitete, und es
       gibt zeitliche Überschneidungen, die es möglich erscheinen lassen, dass für
       die Taten des NSU von Marschner geliehene Autos genutzt wurden. Auffällig
       ist jedenfalls, dass die meisten Morde und Anschläge des NSU in Städten mit
       einer starken rechten Szene stattfanden und es zum Teil Ausspähnotizen
       gibt, die darauf hindeuten, dass weitere Personen involviert waren.
       
       taz: Die Familie Kubaşık geht auch von Unterstützern des NSU-Trios in
       Dortmund aus, wo Mehmet Kubaşık am 4. April 2006 vom NSU ermordet wurde.
       
       Von der Behrens: Sowohl in Dortmund als auch in Kassel, wo nur zwei Tage
       später Halit Yozgat vom NSU ermordet wurde, gab und gibt es eine sehr
       starke, rechtsterroristische und gut vernetzte Naziszene. Ein enger
       Vertrauter von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, Thomas Starke, ist schon
       1998 für einige Monate nach Dortmund gezogen und äußerte sich rassistisch
       über die Bewohner der Stadt. Mehmet Kubaşık wurde in der Nordstadt von
       Dortmund ermordet. Dieser Stadtteil ist einerseits sehr migrantisch
       geprägt, andererseits lebten dort bekannte Dortmunder Neonazis wie
       Siegfried Borchert. In der Frühlingsstraße in Zwickau, der letzten Wohnung
       des NSU, wurde eine Patronenschachtel mit der Aufschrift „[9][SS-Siggi]“
       gefunden – dem Spitznamen von Borchert.
       
       taz: Die Bundesanwaltschaft sagt, es hätten sich nie konkrete Beweise für
       weitere Unterstützer finden lassen. 
       
       Von der Behrens: Ja, das sagt sie. Aber es wurde auch nie wirklich zu
       Unterstützern in den lokalen Szenen an den Tatorten ermittelt. Das ist
       eines der Hauptprobleme des NSU-Komplexes. Offenkundig hat die
       Bundesanwaltschaft kein Interesse daran, das Netzwerk weiter zu erhellen,
       denn damit würde ihre These, der NSU habe nur aus drei Mitgliedern
       bestanden und vielleicht noch einem vierten, nämlich André Eminger,
       widerlegt werden.
       
       Mit aller Macht hält die Bundesanwaltschaft bisher an dieser Auffassung
       fest und tut alle anderslautenden Hinweise als „[10][Fliegengesumme]“ ab.
       Diese Haltung ist konsequent, denn wenn es ein wissendes Netzwerk gab, dann
       müssen auch V-Leute und damit der Verfassungsschutz weiteres Wissen gehabt
       haben. Es bleibt also spannend, wie intensiv Zschäpe von den Vertretern des
       Generalbundesanwalts befragt werden wird.
       
       taz: Die Bundesanwaltschaft hat inzwischen [11][alle Verfahren gegen
       NSU-Helfer eingestellt] – bis auf das gegen Susann Eminger. 
       
       Von der Behrens: Es gibt noch ein sogenanntes Strukturermittlungsverfahren,
       in dem neue Hinweise nachgegangen werden kann – aber wir erhalten da keine
       Akteneinsicht und wissen nicht, ob es in diesem Verfahren noch neue oder
       belastbare Hinweise auf Unterstützer gibt. Dass Susann Eminger angeklagt
       wurde, war jedenfalls überfällig. Sie war Zschäpes engste Verbündete im
       Untergrund, die Emingers teilten die nationalsozialistische Ideologie.
       Alles spricht dafür, dass die Emingers in die Taten des NSU eingeweiht
       waren. Umso unverständlicher war es, dass das Münchner Gericht glaubte,
       André Eminger habe von den NSU-Taten nichts gewusst. Familie Kubaşık hofft
       sehr, dass es im Prozess gegen Susann Eminger jetzt anders kommt.
       
       taz: Die Anklage gegen Susann Eminger beruht auch auf Aussagen von Zschäpe,
       die sie 2023 bei einer Befragung durch BKA-Beamte in der JVA Chemnitz
       machte. Was genau sie dort sagte, ist bis heute nicht bekannt. Sie wissen
       es auch nicht, oder? 
       
       Von der Behrens: Nein, wir in der Nebenklage wissen es auch nicht. Die
       Situation ist wie ganz am Anfang nach der Selbstenttarnung des NSU: Die
       Medien wissen weit mehr als die Betroffenen. Bisher hat nur der
       [12][Spiegel] über die BKA-Vernehmungen von Zschäpe berichtet. Demnach hat
       Zschäpe, bis auf die Angaben zu Susann Eminger, fast nur Details über das
       Leben des Trios im Untergrund preisgegeben, jedoch keine relevanten
       Informationen zu Mitwissern und Mittätern. Vielmehr soll ihr Anwalt
       bezeichnenderweise angegeben haben, Zschäpe sei es noch nicht möglich, über
       alles zu reden – 12 Jahre nach dem NSU-Auffliegen.
       
       taz: Warum gibt es jetzt im Prozess gegen Susann Eminger eigentlich keine
       Nebenkläger*innen? 
       
       Von der Behrens: Das war nicht möglich, da Susann Eminger nicht wegen
       Beihilfe zu den Morden und Anschlägen, sondern nur wegen Unterstützung des
       NSU und wegen Beihilfe zu einer räuberischen Erpressung – einem der
       Überfälle des NSU – angeklagt ist. Die Geschädigten dieses Überfalls
       könnten als Nebenkläger:innen auftreten, doch dafür hat sich niemand
       entschieden. Umso wichtiger wird es deshalb jetzt, dass die Vorsitzende
       Richterin wirklich intensiv zu den offenen Fragen nachbohrt.
       
       2 Dec 2025
       
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 (DIR) Letzter NSU-Prozess in Dresden: „Dann sag die Wahrheit!“
       
       Beate Zschäpe zeigt vor Gericht Erinnerungslücken zum NSU-Terror und
       beteuert Mitleid mit den Mordopfern. Die Angehörigen reagieren emotional.
       
 (DIR) Prozess wegen NSU-Terrorhilfe: Wo Beate Zschäpe ins Schwimmen gerät
       
       Im Prozess gegen die beschuldigte NSU-Helferin Susann Eminger sagt Beate
       Zschäpe aus. Sie nimmt ihre frühere Freundin in Schutz – und kommt in
       Erklärungsnot.
       
 (DIR) Prozess wegen NSU-Terrorhilfe: Die Zschäpe-Freundin schweigt
       
       14 Jahre nach dem NSU-Auffliegen steht nochmal eine Helferin vor Gericht:
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 (DIR) 14 Jahre NSU-Prozess: Die letzte Angeklagte
       
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       Tarnnamen. 14 Jahre später startet am Donnerstag der Prozess gegen Susann
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 (DIR) Zschäpe im Aussteigerprogramm: „Das wäre eine weitere Demütigung“
       
       NSU-Terroristin Beate Zschäpe befindet sich in einem Aussteigerprogramm.
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