# taz.de -- Aktivistin über Anastasia-Bewegung: „Es handelt sich nicht um harmlose Öko-Spinner“
       
       > Mit nationalvölkischen Ideen erreicht die Anastasia-Bewegung immer mehr
       > Leute. Das ist gefährlich, sagt die Klimaschutzaktivistin Hanna Poddig.
       
 (IMG) Bild: Völkische Rituale: Anastasianer in Tracht feiern mit Kreistanz das Iwan-Kupala-Fest, also die Sommersonnenwende
       
       taz: Hanna Podig, [1][die Plots der „Anastasia“-Bücher klingen wie krude
       Märchen]. Wieso haben die Romane, die der russische Autor Wladimir Dusakow
       als „Wladimir Megre“ veröffentlichte, so eine Schlagkraft? 
       
       Hanna Poddig: Weil jede:r sich daraus ziehen kann, was er oder sie
       braucht. Menschen mit rassistischen Tendenzen finden auf jeden Fall
       Legitimierung in den Büchern. Menschen, die mit verschiedenen Geschlechtern
       überfordert sind, finden in den Büchern den vermeintlich natürlichen Weg,
       wo es einen Mann und eine Frau gibt. Menschen, die antisemitisch sind,
       finden für sie passende Erzählungen in den Büchern. Ein zweiter Punkt ist,
       dass die Menschen hinter den Büchern sehr gute Arbeit beim Vermarkten
       geleistet haben. Außerdem hat der Autor einen ganzen Kult rund um das Buch
       und die Figur der Anastasia geschaffen.
       
       taz: Wie ist [2][die Anastasia-Bewegung in Deutschland] organisiert? 
       
       Poddig: Tatsächlich ist es nicht so, dass es die eine Anlaufstelle gibt.
       Viele Anhänger:innen leugnen sogar die Existenz der Bewegung.
       Allerdings gibt es innerhalb der Anastasia-Szene Personen, die sich als
       Ansprechpersonen hervortun oder sich berufen fühlen, juristische Arbeit in
       dem Umfeld anzubieten. Es gibt auch einen, der einen Index, sozusagen ein
       Nachschlagewerk für die gesamte Anastasia-Buchreihe, geschrieben hat und
       als Experte für die Bücher gilt. Andere sind Experten für Permakultur,
       wieder andere für Grundstückskäufe oder Vereinsgründungen.
       
       taz: Welche Annahmen stehen hinter der [3][Anastasia-Ideologie]?Poddig: In
       den Annahmen finden sich esoterische, rassistische, antisemitische und im
       Prinzip alle Ismen wieder. Ein zentraler Begriff ist Freiheit. Wenn man
       sich an das hält, was Anastasia in den Büchern propagiert, erlangen, so das
       Versprechen, Anhänger:innen maximale Freiheit und Loslösung von allen
       Zwängen der Gesellschaft und des Kapitalismus. Das geht bei manchen sogar
       so weit, dass sie überzeugt sind, irgendwann nichts mehr essen zu müssen,
       also nur von Luft leben zu können. Ein Faktor, den im Übrigen viele
       esoterische oder antirationale Zusammenhänge nutzen, ist, dass Anastasia
       oder die Bewegung am Ende nie die Schuld treffen kann. Treffen die ganzen
       Versprechen nämlich nicht ein, ist das nicht die Schuld der Ideologie,
       sondern die einer einzelnen Person. Die hat sich dann nicht genug ins Zeug
       gelegt oder nicht fest genug daran geglaubt.
       
       taz: Welche Gefahr geht von den Anastasia-Anhänger:innen aus? 
       
       Poddig: Kurzfristig bauen sie Wohn- und Landwirtschaftsprojekte auf,
       [4][versuchen sich an Schulgründungen zu beteiligen], sind in
       Kleingartenvereinen, teils sogar in gewählten Ortsvertretungen.
       Erschreckend ist, über welchen Zeitraum sie agieren. Die Verbreitung der
       Ideologie ist über mehrere Generationen angelegt. Es gibt Beispiele aus
       völkischen Familien, in denen es für Kinder nicht unüblich war, den
       Geburtstag des Führers zu feiern. Allerdings sind die Siedler:innen mit
       ihren Ansichten und Aktionen gar nicht so geheim, wie man meinen sollte.
       Das fängt bei den Produkten an, die sie verkaufen, und geht bis zu
       Workshops, die sie anbieten. Menschen, die sich nicht mit der Geschichte
       solcher rechten Gruppierungen auskennen, können das auf den ersten Blick
       gar nicht erkennen, dass problematische Motive dahinterstecken.
       
       taz: Wissen Sie von Verbindungen zu anderen rassistischen oder extremen
       Gruppen? 
       
       Poddig: Menschen aus einem Anastasia-Projekt namens Weda-Elysia im Harz
       waren vor dem Verbot des Zusammenschlusses auf einem Treffen der
       Artgemeinschaft, eines völkischen Kampfverbands. [5][Der wurde vor gut zwei
       Jahren verboten.] Auf Flächen des Projekts „Goldenes Grabow“ in Brandenburg
       fand ein Sommerlager des rechten Jugendverbands Sturmvogel statt. Wieder
       andere Akteur:innen sind vernetzt mit Menschen aus dem Umfeld der
       Prinz-Reuß-Gruppe, die einen bewaffneten Umsturz plante und QAnon-Ideologie
       verbreitet. Das verdeutlicht, dass es sich nicht um harmlose
       Eso-Öko-Spinner handelt.
       
       3 Dec 2025
       
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