# taz.de -- Autorin über Konflikte um Böden: „Wir gefährden die Grundlage unseres Lebens“
       
       > Konflikte um das Eigentum an Grund und Boden spitzen sich nicht nur
       > aufgrund des Wohnraummangels zu, sagt Christiane Grefe. Doch es gibt
       > Lösungsansätze.
       
 (IMG) Bild: Braucht 53 Hektar Fläche: Hannovers Neubaugebiet Kronsrode
       
       taz: Frau Grefe, was ist heute neu am Konflikt um das Eigentum an Grund und
       Boden?
       
       Christiane Grefe: Es ist ein Kontinuum. Schon Mark Twain hat gesagt:
       „Kaufen Sie Land, es wird keines mehrgemacht!“ Aber das Problem spitzt sich
       im Augenblick auf eine neue Weise zu, weil wir so viele politische Aufgaben
       haben, die alle bodenbezogen auf die Fläche drängen.
       
       taz: An welche Aufgaben denken Sie? 
       
       Grefe: Da ist die Landwirtschaft, die sich verändern muss, damit wir nicht
       weiter Böden, Gewässer, Artenvielfalt und Klima gefährden. Da ist die
       Verkehrswende, da ist die Energiewende, bei der mit Flächenbedarf Sonne und
       Wind genutzt werden sollen. Da ist die Wohnungsnot – dafür brauchen wir
       Bauflächen. Die Wirtschaft soll wachsen, sie fordert neue Gewerbegebiete.
       Dazu kommt der Naturschutz, denn es gibt ja ein internationales Abkommen,
       dem zufolge 30 Prozent der Flächen geschützt werden sollen. Und wir
       brauchen [1][Schwammstädte, damit der Klimawandel nicht alles aufheizt und
       vertrocknen lässt].
       
       taz: Was sind denn Schwammstädte? 
       
       Grefe: Das sind Städte, in denen Flächen mehr entsiegelt als versiegelt
       werden, damit Wasser wieder versickern kann. Städte, in denen durch neu
       gepflanzte Straßenbäume, mehr Parks oder Urban Gardening möglichst viele
       Grünflächen entstehen. Dadurch werden sie gekühlt, wenn die Temperaturen
       durch den Klimawandelsteigen. Schwammstädte schützen zugleich vor
       Überschwemmungen.
       
       taz: Aber ist die Kernfrage nicht, ob diejenigen, die über Böden und
       Flächen verfügen, diesen Wandel mitmachen? 
       
       Grefe: Eigentum geht immer mit Verantwortung einher, und je konzentrierter
       der [2][Besitz an Land und Flächen in Stadt und Land], desto mehr
       konzentrieren sich auch Macht und Einfluss. Wir haben zwar in unserer
       Verfassung den schönen Satz „Eigentum verpflichtet“ – aber die Frage ist:
       wozu denn? Wer entscheidet darüber? Es geht darum, wie sinnvoll wir als
       Gesellschaft bei den Zielkonflikten die Prioritäten setzen. Darüber
       brauchen wir eine Debatte.
       
       taz: Wo sind die Verhältnisse besonders prekär?
       
       Grefe: In den [3][Städten steigen die Mieten] auch deshalb, weil Grund und
       Boden teurer werden. Das ist sozialer Sprengstoff. Auf dem Land sind unsere
       Böden oft übernutzt, ausgelaugt, vergiftet und verdichtet. Wir brauchen
       eine größere Aufmerksamkeit für ihre Wiederbelebung.
       
       taz: Ist das nicht ein ziemlich utopisches Ziel? 
       
       Grefe: Nein, denn es gibt ja Lösungsansätze. Beispielsweise spricht man
       inzwischen von einer regenerativen Landwirtschaft, von einem anderen Anbau
       mit einer Vielzahl von Pflanzen, größerer Biodiversität, gesünderen
       Lebensmitteln und auch mehr Klimaschutz, weil Kohlenstoff gebunden und
       Humus aufgebaut wird. Das sind positive und durchaus konkrete Perspektiven.
       
       taz: Machen Sie da mit Ihrem Vortrag nicht sehr viele Fässer auf? 
       
       Grefe: Das bleibt nicht aus, wenn man Zusammenhänge betrachtet. Meine
       [4][Koautorin Tanja Busse] und ich haben [5][unser Buch nicht ohne Grund
       „Der Grund“ genannt]. Indem wir Grund und Boden übernutzen, alle immer für
       sich denken und nicht im Kontext, gefährden wir nicht weniger als die
       Grundlage unseres Lebens.
       
       taz: Wie gelingt es Ihnen denn, mit Zuversicht von dem zu erzählen, das Sie
       selber „Gewusel der Ziele und Interessen“ genannt haben? 
       
       Grefe: Tatsächlich fühlen sich viele Menschen überfordert, und sie sagen:
       „Ich kann doch nicht alles auf einmal machen.“ Aber es reicht ja, wenn sich
       jeder an seinem Ort für das Thema engagiert, bei dem er sich auskennt oder
       eine Leidenschaft hat – wenn er die anderen Probleme mitdenkt. Sich mit
       anderen darüber auszutauschen, kann zu besseren Lösungen führen.
       
       24 Nov 2025
       
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