# taz.de -- Reaktionen auf US-Plan zur Ukraine: Verwirrung in Washington, Gespräche in Genf
       
       > Die Ukraine und Europa erarbeiten Gegenvorschläge zum Ukraine-Plan der
       > USA. Derweil streitet die US-Politik, ob es überhaupt ein Plan der USA
       > ist.
       
 (IMG) Bild: Hier laufen seit Sonntag diplomatische Gespräche über den US-Plan für die Ukraine: die US-Vertretung in Genf
       
       In Genf haben am Sonntag Bemühungen begonnen, um die Verwirrung um einen
       angeblichen neuen US-„Friedensplan“ für die Ukraine aufzulösen.
       US-Außenminister Marco Rubio traf in der Schweizer Stadt mit Politikern und
       Diplomaten aus mehreren europäischen Ländern sowie der Ukraine zusammen.
       
       Es gehe darum, auf der Basis des US-Plans „ein zustimmungsfähiges Dokument“
       auszuarbeiten, das auch von der Ukraine akzeptiert werden könne, sagte der
       deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz. Am Rande des G20-Gipfels in
       Südafrika waren sich Merz und seine französischen und britischen
       Amtskollegen Emmanuel Macron und Keir Starmer am Samstag einig gewesen,
       dass der Plan in der vorliegenden Form inakzeptabel sei. Doch auch, dass
       man keinen Bruch mit den USA riskieren wolle und daher auf der Grundlage
       des Plans Gespräche führen werde.
       
       [1][Das 28 Punkte umfassende Dokument] wurde am vergangenen Mittwoch
       geleakt und am Freitag von US-Unterhändlern in Kyjiw präsentiert. Es sieht
       eine nahezu vollständige Erfüllung aller russischen Forderungen an die
       Ukraine als Preis für einen erhofften Frieden vor. Die Ukraine soll sich
       nicht nur aus den von ihr noch kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und
       Luhansk zurückziehen – und damit von ihren wichtigsten
       Verteidigungsstellungen im Donbass. Die geräumten Gebiete sollen auch
       international als russisch anerkannt werden.
       
       Ein Waffenstillstand soll erst nach der Räumung in Kraft treten. Russland
       könnte also während eines laufenden Rückzugs seine Angriffe fortsetzen. Die
       Ukraine soll zudem innerhalb von 100 Tagen Neuwahlen ansetzen und
       sogenannte „Nazi-Aktivitäten“ verbieten, womit aus Kreml-Sicht das
       ukrainische Streben nach Freiheit gemeint ist; Kriegsverbrechen hingegen
       werden straffrei.
       
       ## Ukraine und ihre europäischen Partner planen Gegenvorschlag
       
       Im Gegenzug für die „Erwartung“, dass Russland keine Nachbarländer
       angreift, wird Russland wieder in die G8-Runde aufgenommen und die
       internationalen Sanktionen sollen fallen. Eingefrorene russische Guthaben
       im Ausland werden für US-geführte Investitionen mit europäischer
       Beteiligung in der Ukraine eingesetzt. Sicherheitsgarantien für die
       Ukraine, die ihre Armee verkleinern soll – Russland aber nicht – gibt es
       weder in Form einer Nato-Mitgliedschaft noch einer internationalen Truppe.
       
       In Genf wollen die Ukraine und ihre europäischen Partner laut einem
       [2][Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg] einen Gegenvorschlag
       unterbreiten. Demnach müsse als erstes ein Waffenstillstand eintreten. Es
       müsse Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben, die ebenso robust sind
       wie eine Nato-Beistandsgarantie. Eingefrorene russische Guthaben sollten
       als Entschädigung für Kriegsschäden an die Ukraine gehen.
       
       Polens Ministerpräsident [3][Donald Tusk sagte am Sonntag] zum Auftakt der
       Gespräche in Genf: „Wir haben unsere Bereitschaft erklärt, am
       28-Punkte-Plan zu arbeiten, trotz einiger Vorbehalte. Doch bevor wir mit
       der Arbeit beginnen, wäre es gut, Gewissheit darüber zu haben, wer der
       Autor des Plans ist und wo er entstand.“ Denn da sind viele Fragen offen.
       
       Nach einer [4][Analyse des Kyjiw-Korrespondenten des britischen Guardian]
       sind einige Passagen direkte unbeholfene Übersetzungen aus dem Russischen.
       Der Journalist [5][Christo Grozev] erklärte, er habe vor sechs Monaten
       einen russischen Vorschlag gesehen, der „fast identisch“ mit dem neuen
       Dokument sei.
       
       ## „Noch amateurhafter als ich dachte“
       
       In Washington herrschte am Wochenende Streit über den Status des Dokuments,
       zumal es darüber keine offizielle Mitteilung gab. Es äußerten sich nach den
       ersten Leaks lediglich die Unterhändler Russlands und der USA, Kirill
       Dmitriew und Steve Witkoff, die das Dokument bei einem Treffen in Florida
       ausgeheckt haben wollen. Auch der Nationale Sicherheitsberater der Ukraine,
       Rustem Umerow, sei da gewesen, hieß es. [6][Umerow dementierte inzwischen],
       an dem Dokument mitgewirkt zu haben.
       
       Am Mittwochabend hatte US-Außenminister Rubio den Status des Dokuments
       heruntergespielt. Man sei dabei, „eine Liste möglicher Ideen zu
       entwickeln“, erklärte er. Aber am Freitag erklärte das Weiße Haus auf eine
       Journalistenenfrage: „Sonderbeauftragter Witkoff arbeitet an diesem Plan
       seit einem Monat (…). Der Präsident ist über den Plan gebrieft und
       unterstützt ihn.“
       
       Am Samstag [7][erklärte der repubikanische US-Senator Mike Rounds]
       hingegen, Rubio habe bestätigt, dies sei „nicht unser Friedensplan“,
       sondern bloß ein Vorschlag, den man erhalten habe und den die russische
       Seite geleakt habe. [8][Rubio widersprach] umgehend: Es sei sehr wohl ein
       US-Dokument. Er nannte ihn aber dann doch bloß einen „Vorschlag“, einen
       „Rahmen für laufende Verhandlungen“.
       
       Der Plan sei „noch amateurhafter als ich dachte“, [9][schrieb der
       anerkannte britische Kriegshistoriker Lawrence Freedman]: auf dieser
       Grundlage zu verhandeln, wäre so kompliziert, dass es ein Ende des Krieges
       eher hinauszögern dürfte.
       
       Derweil dominierte in der Ukraine am Sonntag ein anderes Thema: in der
       westukrainischen Stadt Ternopil, weit weg von der Front, wurden weitere
       Opfer des russischen Raketenangriffs auf ein Hochhaus in der Nacht zum
       vergangenen Mittwoch [10][zu Grabe getragen.] Die bestätigte Todeszahl des
       Angriffs stieg inzwischen auf 34.
       
       23 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://antikor.ua/en/articles/804221-mirnyj_plan_sa_polnyj_tekst_soglashenija_na_28_punktov
 (DIR) [2] https://x.com/alexwickham/status/1992545462910386429
 (DIR) [3] https://x.com/donaldtusk/status/1992518269295845381
 (DIR) [4] https://www.kyivpost.com/post/64745
 (DIR) [5] https://x.com/christogrozev/status/1992269286866379117
 (DIR) [6] https://x.com/rustem_umerov/status/1991778537301217574
 (DIR) [7] https://x.com/Tendar/status/1992395328595615913
 (DIR) [8] https://x.com/marcorubio/status/1992413078160617849
 (DIR) [9] https://samf.substack.com/p/the-witkoff-dmitriev-peace-plan-annotated
 (DIR) [10] https://x.com/nexta_tv/status/1992577078185652228
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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