# taz.de -- Proteste in Israel: „Schick die Regierung des Massakers nach Hause“
       
       > Noch immer verhindert Premier Netanjahu eine unabhängige Untersuchung des
       > Hamas-Angriffs vom 7. Oktober 2023. Dagegen gehen Tausende auf die
       > Straßen.
       
 (IMG) Bild: Einer der Protestierenden am 22. November 2025 in Tel Aviv, Israel
       
       Tausende haben sich am Samstagabend auf dem Platz vor Israels
       Nationaltheater Habima in Tel Aviv versammelt. Sie tragen Schilder und
       T-Shirts mit Sprüchen wie „Schick die Regierung des Massakers nach Hause“,
       oder „Warum haben wir die Leben der Geiseln riskiert?“ Währenddessen
       ertönen von der Bühne ein ums andere Mal Rufe nach einer staatlichen
       Untersuchungskommission zur [1][Aufarbeitung des 7. Oktober].
       
       Es ist die zweite Woche in Folge, dass die Menschen für eine solche
       Kommission auf die Straße gehen. Aufgerufen hat das „October Council“, ein
       Zusammenschluss von Menschen, deren Angehörige am 7. Oktober verwundet oder
       ermordet wurden. Sie fordern nun Aufklärung – und fühlen sich von der
       Regierung verraten.
       
       In der Menge liegt ein weißes Bettlaken auf dem Boden. Rote Farbe ergießt
       sich darauf wie eine riesige Blutlache. Auf einer Trittleiter steht ein
       Mann mit einer zerfetzten Israelfahne in der Hand. Er trägt eine Maske mit
       dem Gesicht [2][des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu], dazu
       eine extra lange Nase. „Nur einen Schritt von der Vertuschung entfernt“,
       steht auf einem Schild um seinen Hals.
       
       Die Fragen, die im Raum stehen, sind groß: Wie konnte Israel vom
       [3][Angriff der Hamas] derart überrascht werden? Wie konnten die
       Terroristen stundenlang [4][in den Kibbutzim] morden, ohne dass Polizei und
       [5][Militär] sie aufhielten? „Wir haben ein Recht darauf, es zu wissen, wir
       verdienen Gerechtigkeit, und wir verdienen ein Land, das nie wieder unsere
       Kinder und unsere Enkelkinder im Stich lässt“, ruft Rafi Ben Shitrit, einer
       der Gründer des „October Council“. Und Noam Perry, deren Vater Haim Perry
       erst als Geisel nach Gaza verschleppt und dann dort ermordet wurde, sagt:
       „Der Staat Israel hat den Tunnel gebaut, in dem mein Vater getötet wurde“.
       
       ## Israels Regierung verhindert eine unabhängige Aufklärung
       
       Die israelische Regierung aber hat offenbar wenig Interesse an einer
       unabhängigen Aufklärung. Nach monatelangen Verzögerungen hatte sie vorige
       Woche stattdessen angekündigt, eine eigene Untersuchung einzuleiten. Deren
       Mandat und Arbeitsauftrag wiederum soll von einer Gruppe israelischer
       Minister festgelegt werden – unter ihnen die rechtsextremen Politiker
       Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir sowie weitere extrem rechte Minister.
       
       Inzwischen hat sogar Israels Oberstes Gericht eine einstweilige Verfügung
       gegen die Regierung erlassen: Das Gericht verlangt bis zum 4. Januar eine
       Begründung, warum die Regierung keine Kommission einrichtet, die die
       Ereignisse rund um [6][die Massaker der Hamas am 7. Oktober] „unabhängig,
       professionell und unparteiisch untersuchen“ könnte.
       
       „Mein Vater wurde wegen eines Debakels ermordet. Es gibt Menschen, die für
       dieses Debakel verantwortlich sind“, sagt am Samstagabend auf der
       Demonstration [7][Adi Zakuto] ins Mikrofon. Ihr Vater Avi wurde am 7.
       Oktober in der südisraelischen Stadt Ofakim ermordet. „Wer auch immer an
       diesem Scheitern beteiligt war, kann nicht die Regeln für die Ermittlungen
       festlegen.“
       
       Netanjahu setzte seinen „Krieg gegen die betroffenen Familien und die
       Bürger des Staates Israel fort“, sagt auch Eyal Eshel. Seine Tochter Roni
       war am 7. Oktober als Observierungssoldatin im Außenposten Nahal Oz getötet
       worden. „Wir erkennen kein Ministerkomitee an, dessen Mitglieder unter den
       ersten sein sollten, die von einer staatlichen Untersuchungskommission
       untersucht werden.“
       
       ## Im kommenden Jahr wird in Israel gewählt
       
       In Israel stehen im kommenden Jahr Wahlen an. Das Ziel des „October
       Committee“ ist es, möglichst viele Oppositionsparteien hinter seiner
       Forderung zu vereinen. Und so wird in der Menge gejubelt, als die
       Organisatoren eingangs verkünden, welche Politiker an diesem Tag alle unter
       dem Demonstrierenden sind: Etwa der ehemalige Minister und
       Kurzzeit-Ministerpräsident Naftali Bennett von der nationalkonservativen
       HaJamin HeChadash (Die Neue Rechte). Er gilt in den nächstes Jahr
       anstehenden Wahlen als aussichtsreichster Herausforderer Netanjahus.
       Ebenfalls anwesend waren unter anderem die Oppositionspolitiker Benny
       Gantz, Yair Lapid, Gadi Eisenkot, Yair Golan und Gilad Kariv.
       
       „Ich fordere die Führer der Oppositionsparteien auf, sich offiziell zu
       verpflichten, nach der Wahl keiner Regierung beizutreten, die nicht
       verspricht, unmittelbar nach ihrem Amtsantritt eine staatliche
       Untersuchungskommission einzurichten“, sagte Izhar Shay, ehemaliger
       Minister von Gantz' Partei Lavan-Kachol. Die Demonstration in Tel Aviv ist
       sicher die größte, aber lange nicht die einzige, die an diesem Abend
       Forderungen an die Regierung stellt. Auch in Haifa im Norden, Beer Sheva im
       Süden und in zahlreichen kleineren Gemeinden und an Straßenkreuzungen
       protestieren die Menschen.
       
       Immer wieder sagen die Redner*innen in Tel Aviv auch die Namen der drei
       Geiseln, [8][deren Körper noch immer in Gaza sind]: die beiden Israelis Ran
       Gvili und Dror Or, sowie Sudthisak Rinthalak, ein thailändischer
       Staatsbürger, der als Farmarbeiter im Kibbutz Beeri beschäftigt war. Nur
       einen Kilometer entfernt demonstrieren gleichzeitig auch Menschen auf dem
       „Platz der Geiseln“ für ihre Rückkehr.
       
       23 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [6] /Warum-feiern-Progressive-den-7-Oktober/!6111190
 (DIR) [7] https://www.timesofisrael.com/avi-zakuto-53-handsome-smart-and-modest-supermarket-manager/
 (DIR) [8] https://www.timesofisrael.com/were-ready-for-him-to-come-home-says-sister-of-deceased-hostage-ran-gvili/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
       
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