# taz.de -- Doku über Boateng: Boateng gefällt's
       
       > Aus der Karriere als Trainer beim FC Bayern wirds vorläufig nichts für
       > Jerôme Boateng. Dafür schenkt ihm die ARD eine unkritische Doku.
       
 (IMG) Bild: Szene aus der Dokumentation Being Jérôme Boateng
       
       Ex-Nationalspieler Jérôme Boateng will zurück ins Rampenlicht. Eine
       Hospitanz als Trainer-Lehrling beim FC Bayern [1][scheiterte jüngst am
       Protest der Fans]. Doch nun verhilft ihm [2][die neue, dreiteilige
       ARD-Dokumentation „Being Jérôme Boateng“] zu einem medialen Comeback. Warum
       bekommt jemand bei seinen alten Fans keine Bühne – dafür aber bei der ARD?
       
       Jérôme Boateng hat als Fußballer alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt:
       Deutsche Meisterschaft, DFB-Pokal, Champions League, Weltmeisterschaft.
       Gelitten hat sein Ruf, als Boateng wegen vorsätzlicher Körperverletzung
       gegenüber seiner Ex-Freundin, die auch Mutter seiner Töchter ist,
       verurteilt wurde.
       
       Dieses Leben zwischen Nationalheld und Gewalttäter haben sich nun drei
       Journalistinnen der ARD mit dem expliziten Ziel einer differenzierten
       Darstellung vorgenommen. „Being Jérôme Boateng“ beginnt als klassische
       Heldenreise. In seiner Heimatstadt Berlin gelingt Boateng der Durchbruch
       zum Bundesligaspieler. Seit seiner Jugend schlägt dem Sohn einer Deutschen
       und eines Ghanaers Rassismus entgegen. Perfiderweise wird Boateng mit
       steigendem Bekanntheitsgrad zu einem beliebten Integrationssymbol, obwohl
       er in Deutschland geboren ist.
       
       So weit, so nuanciert. Doch schnell stößt die Dokumentation an ihre
       Grenzen. Ihr größtes Problem heißt Jérôme Boateng, der ohne kritische
       Nachfragen interviewt wurde. Dafür wurde mit Experten und Wegbegleitern
       gesprochen, etwa Cathy Hummels. Merkwürdig verdruckst gibt sie ihre Sicht
       auf die Beziehung zwischen Boateng und der Mutter seiner Töchter, Sherin S.
       zum Besten: „Ich glaube bei der Beziehung der beiden, da muss man nicht
       alles verstehen. Sie hat immer gesagt: ‚Weißt du, in Berlin, da ist das
       so‘“. Angesichts der Tatsache, dass Boateng wegen Körperverletzung an
       seiner Ex-Partnerin verurteilt wurde, ist das reichlich geschmacklos.
       
       ## Darstellung von Täterschaft
       
       Man kann den Macherinnen nicht vorwerfen, eine einseitige Darstellung im
       Sinn gehabt zu haben. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass ihnen die
       Thematik von Täterschaft und journalistischer Verantwortung entglitten ist.
       Das wird vollends sichtbar, als „Being Jérôme Boateng“ in den letzten
       zwanzig Minuten auf den vermutlich dunkelsten Fleck in Boatengs Biographie
       zu sprechen kommt.
       
       Ex-Freundin Kasia Lenhardt, Model und Influencerin, nahm sich 2021 das
       Leben. Dem Suizid waren ein diffamierendes Interview von Boateng in der
       Bild und daran anschließend eine beispiellose Internet-Hetzjagd
       vorausgegangen. Auch in dieser Beziehung standen Vorwürfe der Gewalt im
       Raum, die Staatsanwaltschaft ermittelte seit 2019. Das Verfahren wurde 2025
       mangels ausreichender Beweise eingestellt – auch, weil die mutmaßlich
       Geschädigte sich das Leben genommen hatte und nicht mehr als Zeugin
       aussagen konnte.
       
       Boateng kommt in der Dokumentation mit einem lapidaren Statement davon:
       „Was mir wichtig ist zu sagen, ist, dass ich Kasia sehr geliebt habe. Wir
       waren sehr glücklich und es hat sich leider nicht so entwickelt, wie wir
       uns beide das vorgestellt haben“. Einzig das Bild-Interview bezeichnet er
       als Fehler.
       
       Diese unhinterfragte Darstellung legt offen, dass es noch keinen
       gesellschaftlichen Konsens über den Umgang mit männlichen Gewalttätern
       gibt. Gerade im Fall von Gewalt in Partnerschaften ist die juristische
       Aufarbeitung schwierig, meist steht Aussage gegen Aussage. Eine
       journalistische Auseinandersetzung, wie sie etwa der Spiegel mit einem
       Podcast über „[3][Die Akte Kasia Lenhardt“] geleistet hat, ist dort umso
       wichtiger. „Being Jérôme Boateng“ streift diesen Podcast, ignoriert jedoch
       seine Erkenntnisse über die mutmaßlichen Gewalttaten Boatengs, etwa ein
       ausgerissener Ohrring, Hämatome und Erpressung.
       
       Als das Wort „Resozialisierung“ fällt, wird es endgültig absurd. Es
       entsteht der Eindruck, Boateng habe einen Gefängnisaufenthalt hinter sich,
       dabei hat er nur in der unbedeutenden österreichischen Liga gespielt. Dass
       es einer ernsthaften Aufarbeitung und schließlich auch der Reue des Täters
       und Verantwortungsübernahme statt schale Mitleidsbekundungen bedarf,
       scheint bei der ARD noch nicht angekommen zu sein. Die Fans des FC Bayern
       sind da schon weiter. Ihre Forderung „Keine Bühne für Täter“ hätte man sich
       bei der ARD zu Herzen nehmen können.
       
       21 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nach-Protesten-der-Fans/!6122347
 (DIR) [2] https://www.ardmediathek.de/serie/being-jerome-boateng/staffel-1/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdFNlcmllcy9TMjAyNVdPMDE2NDA4QTA/1
 (DIR) [3] https://www.spiegel.de/thema/nda-die-akte-kasia-lenhardt/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Hinzmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Jerome Boateng
 (DIR) Fußball
 (DIR) Gewalt gegen Frauen
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Wochenkommentar
 (DIR) Jerome Boateng
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sexualisierte Gewalt im Profifußball: Und alle so still
       
       Gegen Fußball-Stars gibt es oft schwere Vorwürfe. Viele werden nicht
       aufgeklärt. Recherche über ein System des Schweigens – und mögliche
       Lösungen.
       
 (DIR) Jérôme Boateng vor Gericht: Im Zweifel für den Fußballer
       
       Boateng steht wegen des Bild-Interviews über seine Ex-Freundin Kasia
       Lenhardt vor Gericht. Der Machtmissbrauch des Fußballers ist kein
       Einzelfall.
       
 (DIR) Demonstration gegen Gewalt an Frauen: Glaubt den Opfern, nicht Boateng
       
       Kasia Lenhardts Familie will die Verbreitung eines Bild-Interviews mit
       Jérôme Boateng verhindern. Vor der Gerichtsverhandlung gibt es eine
       Soli-Demo.