# taz.de -- Siedlung von Räumung bedroht: 50 Jahre geduldet, plötzlich illegal
       
       > Über 35 Familien leben dauerhaft in einer Kleingartensiedlung in
       > Hamburg-Harburg. Nun will das Bezirksamt die Hausnummer streichen, die
       > Räumung droht.
       
 (IMG) Bild: Zu Hause zwischen Hecken: Über 100 kleine Parzellen verstecken sich hinter der Hausnummer 30 im Nymphenweg in Hamburg-Harburg
       
       Eingebettet in eine grüne Lunge und unmittelbar [1][am Rand des Harburger
       Stadtparks] im Süden Hamburgs liegt die kleine, verwinkelte Siedlung
       Nymphenweg 30. Doch im August hat das Bezirksamt Harburg eine Entscheidung
       getroffen, die das Leben der Bewohner*innen auf den Kopf stellt.
       [2][Die Hausnummer 30 soll aufgehoben werden]. Was nach einer
       bürokratischen Nebensächlichkeit klingt, könnte für viele Menschen
       bedeuten, dass sie ihr Zuhause verlieren.
       
       Wer zum Nymphenweg kommt, sieht zunächst nur ein kleines Schild mit der
       Nummer 30. Es befindet sich direkt vor dem Eingang einer
       Kleingartensiedlung. Man könnte meinen, dahinter verbirgt sich ein kleines
       Haus, vielleicht auch eine Garage. Tatsächlich öffnet sich hinter dem
       Schild jedoch eine ganze Siedlung mit über 100 kleinen Häusern und
       Parzellen, von denen 35 dauerhaft bewohnt sind. Jedes Haus hat eine eigene
       Nummer, damit auch die Post weiß, wohin sie muss.
       
       Einige Häuser hier ähneln kleinen Holzhütten, wie man sie aus Skandinavien
       kennt. Andere wirken eher wie flache Bungalows. Und dann gibt es noch diese
       provisorisch wirkenden Schuppen, deren Dach manchmal nur aus einer Plane
       besteht. Die Übergänge zwischen Wochenendhütte und richtigem Zuhause sind
       fließend, aber man spürt, wo Menschen wirklich leben.
       
       Laut dem gültigen Bebauungsplan ist hier aber [3][nur eine vorübergehende
       Nutzung als Wohnraum zulässig]. Die Parzellen gelten offiziell als
       Dauerkleingärten. Trotzdem hat das Bezirksamt vor mehreren Jahrzehnten die
       Hausnummer irrtümlicherweise für die gesamte Siedlung vergeben.
       
       ## Hausnummer seit Jahrzehnten bestätigt
       
       Wolf-Dieter Balaszeskul, 67, lebt seit 15 Jahren mit seiner Partnerin hier
       und bezeichnet sich selbst als Medienvertreter der Gemeinschaft. Er hat
       große Angst vor dem, was kommen könnte: „Hier sind viele Menschen sehr alt.
       Sie könnten sich in Hamburg weder eine Wohnung noch ein Pflegeheim leisten.
       Eine Auflösung der Siedlung wäre sozial überhaupt nicht verträglich“, sagt
       er. Als er und seine Partnerin vor 15 Jahren hierherzogen, habe an der
       Stelle ihres heutigen Zuhauses eine größere Baustelle gestanden: „Wir haben
       so viel in unser Haus gesteckt, nicht nur finanziell. Das kann man uns
       nicht einfach wegnehmen.“
       
       Tatsächlich unterscheiden sich viele der Häuser im Inneren kaum von einem
       normalen Einfamilienhaus. Es gibt Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bäder, Küchen –
       oft eine Gasheizung. Ein Detail ist allerdings anders, das von außen nicht
       zu erahnen wäre: „Wir sind nicht am Abwassernetz angeschlossen“, erzählt
       Balaszeskul. „Aber das ist kein Problem. Alle paar Wochen kommt eine Firma
       vorbei und holt das ab.“
       
       Das ist auch Teil der Argumentation des Bezirksamts. Die Häuser erfüllten
       nicht die Anforderungen an ein Wohngebäude. Dem widerspricht Balaszeskul.
       Auf die Kritik, es handele sich nicht um ein Wohngebiet, reagiert er fast
       empört: „Seit 1968 ist für diese Siedlung eine Hausnummer vergeben worden.“
       Tatsächlich wurde die Nummer 30 über die Jahrzehnte mehrfach bestätigt –
       zuletzt 2021. „Warum müssen wir jetzt für einen Verwaltungsfehler büßen?
       Über Jahrzehnte haben sich die Menschen hier etwas aufgebaut und
       angenommen, dass sie hier auch wohnen dürfen.“
       
       Für viele Menschen gab es auch finanzielle Gründe, sich dort
       niederzulassen. Selbst Stadtteile, die früher als günstig galten, [4][sind
       heute deutlich teuer]. In Bergedorf liegt der Quadratmeterpreis
       mittlerweile bei 13,71 Euro und damit fast auf dem Niveau von Wandsbek mit
       13,78 Euro. Im Jahr 2017 war Bergedorf noch rund 6,5 Prozent günstiger als
       Wandsbek. Heute ist es dort 14 Prozent teurer im Bezirk Harburg, wo der
       Durchschnitt noch bei etwa 12 Euro liegt.
       
       Diesen angespannten Wohnungsmarkt hat auch Katrin Fanter, 26, zu spüren
       bekommen. Sie ist im Oktober zusammen mit ihrem Freund in eines der Häuser
       am Nymphenweg gezogen. Vor Kurzem ist sie ins Bürgergeld gerutscht, ihr
       Freund studiert – keine Kombination, mit der man auf dem Hamburger
       Wohnungsmarkt gern gesehen ist.
       
       Sie erzählt, wie frustrierend die Suche war: „Ich habe eineinhalb Jahre
       lang eine Wohnung in Hamburg gesucht. Das war hier das Einzige, was wir
       bekommen haben.“ Auf Plattformen wie Immoscout, erzählt sie, habe es oft
       gar keinen Sinn ergeben, sich für andere Wohnungen zu bewerben: „In der
       Anzeige stand schon, bevor man überhaupt eine Anfrage schicken konnte, dass
       sich Bürgergeldempfänger bitte nicht melden sollen – auch nicht, wenn sie
       gerade einen neuen Job in Aussicht haben.“
       
       ## Bezirk will im Januar Stellung nehmen
       
       Am Mittwochabend fand im Regionalausschuss Harburg eine Fragestunde zum
       Nymphenweg statt. Die Sitzreihen waren mit Bewohner*innen dicht
       gefüllt. Doch am Ende blieben mehr Fragen offen, als beantwortet werden
       konnten.
       
       Gunda Wüpper, die im Bezirksamt für den Bereich Bauen und Umwelt tätig ist,
       erklärte, dass man aufgrund fehlender Unterlagen nicht mehr nachvollziehen
       könne, warum die Hausnummer im Laufe der Jahrzehnte immer wieder bestätigt
       worden ist. Im Januar soll das Bezirksamt eine ausführliche Stellungnahme
       vorlegen und damit auch die entscheidende Frage beantworten, wie es für die
       Menschen am Nymphenweg weitergeht.
       
       Der Mietvertrag von Katrin Fanter ist nur auf zwei Jahre befristet. Sie und
       ihr Freund hätten bereits beschlossen, Hamburg danach den Rücken zu kehren,
       sagt sie.
       
       23 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Lovecraft-theatral-in-Hamburg-Harburg/!5942976
 (DIR) [2] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/bezirke/harburg/aktuelles/pressemeldungen/aufhebung-hausnummer-nymphenweg-1098094?view=
 (DIR) [3] /Wohnen-in-Schrebergaerten/!5644683
 (DIR) [4] /Mieten-Hamburg/!t5530496
       
       ## AUTOREN
       
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