# taz.de -- DVD „Was uns verbindet“: Was das Schicksal einem so vor die Tür stellt
       
       > Eine Patchworkfamilie, ein Neugeborenes und eine tote Nachbarin: eine
       > Verwicklung und ein Schicksalsschlag, der plötzlich viele Menschen
       > verbindet.
       
 (IMG) Bild: Was uns verbindet: Sandra (Valeria Bruni Tedeschi) kümmert sich um die Kinder der Nachbarn
       
       Sie sind Nachbarn und leben in der Mietwohnung nebenan, und Sandra (Valeria
       Bruni Tedeschi), die vom Alter her fast ihre Mutter sein könnte, kennt sie
       nicht gut: das junge Paar mit der schwangeren Frau, dazu Elliott, der
       sechsjährige Sohn. Sandra ist Single, kinderlos glücklich, hier und da ein
       Mann zu Besuch, aber auf der Suche nach zu fester Bindung ist sie ganz
       sicher nicht. Sie betreibt eine feministische Buchhandlung in Rennes und
       raucht wie ein Schlot. Es ist ein gut eingerichtetes Leben mit vielen
       Büchern. Und dann klingelt es an ihrer Tür.
       
       Es sind die Nachbarn, Fruchtblase geplatzt, keine Freundin erreichbar, ob
       sie auf Elliott aufpassen kann. Was sie tut, widerstrebend, er bringt ihren
       Tagesablauf durcheinander. Und dann noch viel mehr. Nachbarin Cécile stirbt
       bei der Geburt, eine Fruchtwasserembolie, der Witwer Alex (Pio Marmaï)
       steht noch in der Nacht sprachlos vor ihrer Tür.
       
       Sie lässt ihn ein und hat nun den Sohn am Hals und den Mann. Der ist, wie
       sich bald herausstellt, gar nicht der leibliche Vater. Es war eine offenbar
       ganz glückliche Patchworkkonstruktion, die mit Céciles Tod wieder
       aufgetrennt zu werden droht.
       
       Denn David, Elliotts Vater, Austernfischersohn von der Küste und recht
       schräger Vogel (Raphaël Quenard), taucht auf und will den Sohn übernehmen.
       Der hat sein Herz inzwischen allerdings sehr an Sandra gehängt. Die
       ihrerseits überrascht ist, dass sie mit dem Kind einiges anfangen kann. Und
       Alex ist plötzlich auch irgendwas zwischen verstört und verliebt. Als
       weitere Beteiligte sind die Mutter der verstorbenen Cécile und recht bald
       eine attraktive rumänienstämmige Ärztin namens Emillia (Vimala Pons) im
       Spiel. Und natürlich Lucille.
       
       ## Angenehm unstrikter Takt
       
       Das ist die Tochter, bei deren Geburt die Mutter starb. Ihre ersten Wochen,
       Monate, Jahre geben per Einblendung ihres jeweiligen Alters der Erzählung
       den angenehm unstrikten Takt. Zugrunde liegt der Roman „L’intimité“ von
       Alice Ferney. Dessen Titel haben Regisseurin Carine Tardieu und ihre zwei
       Co-Autorinnen für den Film frei in „L’attachement“ umformuliert. „Was uns
       verbindet“ ist als Übersetzung nicht schlecht, nimmt man die Konstruktion
       als offene Frage, auf die der Film versuchsweise Antworten gibt.
       
       Vom Lösen und Binden erzählt er. Von der Nähe, die unerwartet zwischen
       Sandra und Elliott und Alex und noch viel unerwarteter dann David bis zu
       Céciles Mutter entsteht. Davon, wie nicht nur ein Leben aus dem Zustand
       vorübergehender Stabilität in unterschiedliche Formen der Aufgelöstheit
       gerät. Und wie das Pendel wieder zurückschwingt, sich das Verhältnis von
       Bindung und Lösung, Nähe und Ferne noch einmal anders tariert.
       
       Tardieu erzählt das alles warmherzig, aber nicht sentimental. Mit den
       Zeitsprüngen löst sie sich selbst aus der engen Bindung an allzu strikte
       psychologische Kausalität. Es werden aber auch keine Lektionen erteilt; es
       geht nicht darum, Sandra von ihrem Leben als singuläre Frau zu kurieren,
       sondern um die Unberechenbarkeit der Dinge, die das Schicksal einem so vor
       die Tür stellt.
       
       Das alles bleibt in einem angenehm temperierten Mittelbereich. Bürgerliches
       Milieu, ohne Prätention inszeniert, nah am Leben und nicht zu viel Kunst.
       Ein Arthouse-Film, der mehr unverbindliches „attachement“ als große
       Leidenschaft sucht oder weckt. Ein bisschen middlebrow, aber gut und klug
       genug für zwei Stunden. Und dann ist da natürlich noch Valeria Bruni
       Tedeschi, die der von ihr gespielten Figur ihrerseits nie zu sehr auf den
       Leim geht. Man sieht schon, wie sie sich diese Sandra mit Blicken und
       Gesten zurechtgelegt hat. Aber man sieht es mit großem Genuss.
       
       Ekkehard Knörer
       
       20 Nov 2025
       
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