# taz.de -- Sicherheit im Fußballstadion: „Eine Phantomdebatte“
> Auf der Innenministerkonferenz wird über mehr Sicherheitsmaßnahmen in
> Stadien diskutiert. Fans und auch viele Vereine protestieren dagegen.
(IMG) Bild: Fanprotest im Berliner Olympiastadion bei Hertha BSC
Immerhin Marcel Reif kennt den Grund, warum die Konferenz der
Landesinnenminister ab Mittwoch über die Sicherheit in den Stadien
debattiert. Während die Fanorganisation „Unsere Kurve“ unter dem hübschen
Motto Ich sehe was, was du nicht siehst [1][von einer „Phantomdebatte“]
spricht und sich Vereinsvertreter in seltener Eintracht vor ihre Fanszenen
stellen, weiß der Moderator, was wirklich Sache ist. „Aus die Maus, hier
werden ganze Stadien zerlegt und Polizei muss irgendwelche
Straßenschlachten […] [2][Pyro, Temperaturen,] das ist alles noch nicht
geregelt.“
Zu den Fans, die am vergangenen Wochenende erneut bundesweit gegen die
Pläne der Politik protestierten hat Reif deshalb eine ganz klare Meinung:
„Hier ein paar Plakate hochhalten. Nein. Ja. Und dann was?“
Letzteres dürften sich mittlerweile auch einige der 16
Landesinnenministerinnen und -minister fragen. Die hatten im Oktober
vergangenen Jahres über zusätzliche Restriktionen in den Stadien debattiert
und sich auf die Folgekonferenz 14 Monate später in Bremen vertagt, um dort
über Vorschläge wie die Einführung personalisierter Eintrittskarten oder
eine Verschärfung der Stadionverbotsrichtlinien abzustimmen.
## Mehr Fans, weniger Gewalt
Dass in den vergangenen Jahren irgendwo in Deutschland „Stadien zerlegt“
worden seien, hatten sie zwar nicht behauptet. Dennoch war es dramaturgisch
ungeschickt, dass Ende Oktober [3][eine auf Polizeiangaben basierende
Statistik veröffentlicht wurde,] aus der ein Rückgang der Gewalt hervorgeht
– obwohl vier Prozent mehr Zuschauer kamen.
1.107 Menschen wurden demnach verletzt (minus 17 Prozent.) „Das Risiko,
beim Besuch eines Fußballspieles verletzt zu werden, liegt bei 0,00438
Prozent, bilanziert der Dachverband der Fanhilfen. Überhaupt haben die
Stadiongänger offenbar den Eindruck, dass ihr Hobby sicherer ist als der
Besuch eines handelsüblichen Volksfestes. Beim Zweitligisten 1. FC Nürnberg
hat Vorstand Niels Rossow jüngst bei der Mitgliederversammlung die Pläne
der Innenminister kritisiert und dafür „großen Applaus“ bekommen. „Nicht
nur von den organisierten Fans, sondern vom Großteil der 1.600 Anwesenden“,
wie er betont.
Die Politik scheint dann auch nachdenklich geworden zu sein. Zu einer recht
spontan organisierten Demo kamen 13.000 Fans nach Leipzig. Die gehörten
meist der Ultraszene an, doch bei den zwölfminütigen Schweigeprotesten an
den vergangenen beiden Spieltagen beteiligten sich flächendeckend alle vier
Tribünenseiten. Und spätestens seit sich auch erstaunlich viele Vereine
grundsätzlich hinter die Proteste gestellt haben – zuletzt warnten alle
fünf baden-württembergischen Profivereine vor „Populismus“ – scheint
fraglich, ob ein Drehen an der Repressionsschraube gerade außerhalb von
„Reif ist live“ auf Zustimmung stößt.
## Probleme abseits des Stadions
Dabei haben die Innenminister ja durchaus recht, dass Gewalt im Fußball
kein reines Hirngespinst von Boulevardmedien ist – nur dass verabredete
Schlägereien und Busüberfälle eben nicht in den Stadien stattfinden. Und
oft nicht mal am Spieltag. Sondern auf Rastplätzen oder bei szeneintern
verabredeten „Acker-Matches“ irgendwo im Wald oder im Industriegebiet,
fernab von Kameras oder Polizeieinheiten.
Doch wer sich unerkannt prügelt, braucht auch keine Angst vor
Stadionverboten zu haben. Der Sinn von personalisierten Eintrittskarten
erschließt sich eh nicht, denn auf Stehplätzen herrscht freie Platzwahl.
Experten munkeln, es gehe insgeheim auch um ein größeres Thema: Man will
sich künftig bei Zuschauern und Ordnern noch sicher sein, dass auch
derjenige im Stadion ist, der dort sein soll – und nicht dessen ähnlich
aussehender Bruder, der dem IS oder dem NSU nahesteht.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) überraschte derweil am
Wochenende mit der Aussage, die Forderung nach personalisierten
Eintrittskarten werde ab Mittwoch nicht diskutiert. Gut möglich, dass die
Innenminister den einen Herzenswunsch ad acta gelegt haben, um den anderen
umso strikter durchzusetzen. Denn die geplante Verschärfung der
Stadionverbotsrichtlinien scheint aktueller denn je zu sein. Dass die 16
Landesminister am Freitag ohne konkrete Ergebnisse auseinandergehen, ist
jedenfalls nicht zu erwarten. Und das vielleicht nicht einmal aus
inhaltlichen Gründen. Der Gesichtsverlust wäre wohl zu groß.
2 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Christoph Ruf
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