# taz.de -- Nachruf auf Regisseur Hark Bohm: Er wollte Geschichten erzählen
> Der Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Hark Bohm kannte die
> Klanglagen der Menschen. Sein Film „Nordsee ist Mordsee“ bleibt ein
> ungehobeltes Meisterwerk.
(IMG) Bild: Hark Bohm verstarb am 14.November im Alter von 86 Jahren
Sein Vermächtnis, Antworten auf das, was ihn im Innersten bewegte,
formulierte sein Meisterschüler Fatih Akin natürlich. „Amrum“ ist
wesentlich die Geschichte des auf dieser Nordseeinsel das Kriegsende
abwartenden Jungen, der später eine mehr als nur lokale Berühmtheit werden
sollte: Hark Bohm. Freitag ist dieser Regisseur, Drehbuchautor,
Filmhochschulerfinder, Schauspieler und Aufklärungsbürger im Alter von 86
Jahren in Hamburg gestorben, er kann jetzt einen möglichen Erfolg der
Verfilmung seines Kinderlebens bei der Oscarverleihung nicht mehr erleben.
Bohm, geboren in eine vorzüglich bürgerliche Familie der wohlhabenden
Elbvororte, vertraut mit den Usancen einer Welt, die irgendwie immer alles
hatte, hatte beruflich sich der Juristerei zu widmen, in München aber
versandete die Not, familiären Wünschen zu folgen – und ging, angeregt auch
durch seinen jüngeren Bruder Marquardt, den Weg ins Künstlerische, war
Schauspieler unter anderem bei Rainer Werner Fassbinder, spielte oft
Rollen, eigentlich immer, die besonders knarzig-bürokratische
Charakteristika aufzuweisen hatten.
Und exakt dieser Mann, hervorgegangen aus der Münchner
Achtundsechzigerbohème, war durchaus Teil des Gewusels eines angeblich
renovierungsbedürftigen bundesdeutschen Films, das schließlich
Filmkunstreligionsberühmtheiten wie Wim Wenders, Volker Schlöndorff oder
Werner Herzog hervorbringen sollte. Bohm aber, so sagte er einmal, wollte
mit „bewegten Bildern nicht reflektieren“, weder das Leben als solches noch
des Kulturellen schlechthin, er wollte nicht den Feuilletons gefallen,
keine verfilmten Diskurse, sondern: Geschichten erzählen.
1976 gelang ihm sein kinopopulärster Film, ein Meisterwerk bis heute:
„Nordsee ist Mordsee“, die Geschichte einer unwahrscheinlichen
Freundschaft, angesiedelt in Hamburg-Wilhelmsburg, in einer
Hochhaussiedlung, dort, wo niemand der üblichen Kulturwelt auch nur einen
Fuß freiwillig hinsetzen würde – ehe Fatih Akin viele Jahrzehnte später aus
diesem Stadtteil ein Mekka der Coolness bauen würde, 2009 mit dem Film
„Soul Kitchen“. Bohms Geschichte hat noch nichts von dieser gewissen
ästhetischen Glätte, die deutschen Kino- und TV-Produktionen spätestens
seit den Achtzigern eignen würde, hier ging es rough zu, ungehobelt, die
Dialoge hören sich durchweg ungecoacht an: Das war nicht das, was der
Aufbruch der neuen deutschen Kinomacher mit ihrem Oberhausener Manifest so
wollte, kein Kunstkino als teutonische Variante der Nouvelle Vague, das war
eher ein bisschen Scorsese, Kino mit interessanten Menschen, die man ohne
den Film nicht kennenlernen könnte.
Hark Bohm – kein Künstlername im Übrigen – war ein Geschichtenerfinder,
einer, der Menschen zuhörte und ihre Klanglagen kannte und Simulationen des
Originalen nicht nötig hatte: Er hatte seine Stoffe, heißt es, im Ohr und
vor Augen. Als Regisseur (mit den Jahren seltener) und Drehbuchautor gehen
auf sein Konto Filme wie „Vera Brühne“ (2001), [1][„Yasemin“ (1988)], eine
deutsch-türkische Liebesgeschichte, die Wolfgang-Herrndorf-Verfilmung von
„Tschick“ (2016) oder „Der Fall Bachmann – Keine Zeit für Tränen“ (1984).
Bohms Stoffe hatten allermeist ihre Verwurzelung in einer Wirklichkeit, die
sich eher wie Hafenviertel und St. Pauli als wie Blankenese ausnahmen.
Rollen in Fassbinders „Angst essen Seele auf“, „Faustrecht der Freiheit“
und „Die Ehe der Maria Braun“ machten ihn gesichtsbekannter: ein Promi, der
aus seiner Bekanntheit Kapital zu schlagen wusste, institutionell.
In Hamburg baute er an deren Universität einen Studiengang Film auf, hier
konnte man sich anmelden für die Wege zu Ruhm und Schönheit in puncto Film.
Und Hark Bohm, der Präzeptor, der akkurate Analyst von Bilderwirkungen.
[2][Seinen Meisterschüler Fatih Akin] hatte er, was er später amüsant fand,
zunächst abgelehnt – zu chaotisch in dem, was er wollte, denn er wollte
alles studieren zum Kinowesen, gierig nach dem ganzen Kuchen, nicht
zufriedenzustellen mit einem Stück. Bohm überließ seinem Freund die Regie
für dessen nun präsentierten Film „Amrum“, er selbst fühlte sich körperlich
der Arbeit nicht mehr gewachsen.
Dieser Hamburger, der seinen Traum namens „Amrum“ immer im Herzen zu
bewahren schien, konnte auch lästig und laut werden, das war vor vielen
Jahren, als auf der anderen Elbseite des Hauses von ihm und seiner Familie
der Flugzeugkonzern Airbus noch weiter gegen die Natur der träge fließenden
Elbe expandieren wollte. Das würde den Blick zum Horizont doch erheblich
stören, las man. Er musste sich abfinden, wie andere in den besseren
Vierteln auch.
Für Bohm zählten die zwei Fs: Familie und Film. In der Familie komme man
zusammen, darauf komme es an, nah und innig. Mit seiner Frau hatte er vier
(adoptierte) Kinder und zwei weitere Pflegekinder. Ihn als
sozialromantischen Filmkitschier zu verstehen, wäre bösartig: Und hätte er
nur einen Film gedreht, nämlich „Nordsee ist Mordsee“ mit der Musik von Udo
Lindenberg, wäre ihm ein Platz in der Ehrenhalle des deutschen Films nach
Krieg und Nationalsozialismus gewiss.
15 Nov 2025
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