# taz.de -- Zwischenbilanz des UN-Klimagipfels: Vielleicht ist ein bisschen Chaos gar nicht schlecht
> Die UN-Klimakonferenz läuft anders als erwartet wegen einer
> überraschenden Idee und indigener Proteste. Die Verhandlungen brachte das
> durcheinander.
(IMG) Bild: Konferenzpräsident André Correa do Lago hat am Freitag indigene Vertreter*innen getroffen, um die Wogen zu glätten
Chaos auf einer UN-Klimakonferenz ist normalerweise kein gutes Zeichen. Und
tatsächlich setzen überlaufende Toiletten, bitterkalte Verhandlungsräume
und durch die Decken sickender Tropenregen den Verhandler*innen in Belém
zu. Aber Chaos kann auch Dinge ins Rollen bringen, mit denen vorher niemand
gerechnet hat.
Diese Art Chaos wurde in Belém zweimal verursacht: von Brasiliens Präsident
Lula da Silva und von den Indigenen Amazoniens. Beide haben dafür gesorgt,
dass die erste von zwei Verhandlungswochen anders verlief als von vielen
erwartet
Lula forderte in seiner Eröffnungsrede einen Fahrplan, wie der Ausstieg aus
den Fossilen gelingen kann, und hat damit „einen Stein ins Wasser
geworfen“, sagt Jochen Flasbarth, Leiter der deutschen Delegation.
Kolumbien schloss sich der Forderung genauso an wie Kenia. Auch die EU
signalisierte Unterstützung, hält sich aber im Hintergrund. „Es ist
interessant, dass die Initiative aus dem Globalen Süden kam“, sagt
Flasbarth. Er wolle den Eindruck vermeiden, nur der Globale Norden treibe
den Fahrplan voran. "Wir wollen, dass es ein verbindendes Element ist."
„Fahrplan“ bedeutet nicht, dass am Ende der Verhandlungen ein
Ausstiegsdatum für Kohle, Öl und Gas steht. „Ein großer Erfolg wäre es,
wenn sich alle auf einen Prozess einigen, in zwei Jahren einen Fahrplan zum
Ausstieg vorzulegen“, sagt Kerstin Opfer von der NGO Germanwatch. Auch das
wäre schon eine „kaum zu glaubende Erfolgsmeldung“, sagt der politische
Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals. Vor allem wäre es ein
Signal: Die USA mögen weiter auf Fossile setzen, der Rest der Welt schreibt
sie ab.
## Klima-Anpassung noch umstritten
Der Fahrplan wird aber bei Weitem noch nicht von allen Ländern unterstützt.
Die arabischen Länder – traditionell fossil und dementsprechend bremsend
unterwegs – seien nicht an Bord, aber auch die Allianz kleiner Inselstaaten
und die Lateinamerikaner*innen fehlten noch, sagt Opfer. „Für ihre
Unterstützung braucht es Fortschritte bei der Anpassungs-Agenda und bei der
Finanzierung.“
Wäre Lula nicht mit seinem Fahrplan-Stein zur Eröffnungsrede gekommen,
wären die Verhandlungen um die Indikatoren für Klima-Anpassung das
unangefochtene Thema Nummer eins bei den UN-Verhandlungen gewesen. Im Kern
geht es darum, wie Anpassung an die Erderhitzung gemessen werden soll, um
Fortschritt und Mangel sichtbar zu machen. Und es geht darum, wie die
nötigen Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden sollen - also ums Geld.
"Die EU möchte kein Finanzierungsziel in die Indikatoren aufnehmen, aber es
geht trotzdem in diese Richtung", sagt Laura Schäfer von Germanwatch. Im
Raum stünden 150 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2035 - das wäre die
Hälfte der im vergangenen Jahr für diesen Zeitpunkt versprochenen
Klimafinanzierung.
Kurz vor der Einigung stehen die Verhandler*innen aber keinesfalls: Die
Afrikanischen Staaten haben zum Beispiel vorgeschlagen, doch lieber ein
zweijähriges Arbeitsprogramm zu verabschieden als konkrete Indikatoren.
## Proteste sorgten für verschärfte Sicherheitsmaßnahmen
Insgesamt verliefen die Verhandlungen ohne "große aufgeregte
Besonderheiten", fasst Flasbarth zusammen, die Konferenz sei "geräuschlos
gestartet". Für die Verhandlungen selbst mag das stimmen, aber geräuschlos
war es spätestens seit Dienstagabend nicht mehr, [1][als sich eine Gruppe
studentischer und indigener Aktivist*innen Zugang zur Vorhalle verschaffte]
und lautstark nach dem Stopp von Probe-Ölbohrungen im Amazonasbecken
verlangte, die Präsident Lula genehmigt hatte.
Eine [2][andere Gruppe Indigener vom Volk der Munduruku] versperrte am
Donnerstag den Zugang zum Eingang und sorgte für lange Schlangen vor dem
provisorisch errichteten Alternativzugang. Sie waren [3][am Mittwoch zum
"Gipfel der Völker"] nach Belém gekommen und forderten von Lula,
Infrastruktur-Projekte im Amazonas-Regenwald abzubrechen, die ihr Land
bedrohen. Insbesondere wollen sie den Ausbau von Wasserstraßen und Häfen
verhindern, die "unsere Art zu leben zerstören, weil sie den Fluss in einen
Soja-Highway verwandeln", teilte einer der Anführer der Protestbewegung
mit.
Die Folgen dieser Art Chaos lassen sich weit schwerer abschätzen.
UN-Klimachef Simon Stiell schickte schon vor der Blockade der Indigenen
einen ungewöhnlich scharf formulierten Brief an die brasilianische
Konferenzleitung, in der er die Brasilianer*innen zu besseren
Sicherheitsmaßnahmen aufforderte - obwohl seit dem Protest am Dienstag
bewaffnete Soldat*innen rund um die Konferenz postiert sind.
Konferenzdirektorin Ana Toni tat die Aktionen jedenfalls ab: "Zum Glück ist
Brasilien eine Demokratie, in der Menschen auf verschiedene Weisen
demonstrieren können. Wir sollten das begrüßen."
Sorgen um ungehinderte Einflussnahme der Indigenen in Folge der Proteste
müssen sich die Bremserstaaten aber nicht machen: Einer [4][Analyse der
Initiative "Kick Big Polluters Out" zufolge] sind 1600 fossile
Lobbyist*innen zur Konferenz angereist. Das sind etwa 50-mal mehr als die
Zahl der philippinischen Delegierten, deren Heimatland gerade erst von
Taifun Fung-wong getroffen wurde. Der Sturm wurde durch die Erderhitzung 42
Prozent zerstörerischer, [5][wie eine Schnellstudie zeigt].
15 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] /UN-Klimakonferenz/!6129154
(DIR) [2] /Indigene-Aktivistin-ueber-Klimaschutz/!6129430
(DIR) [3] /Alternative-zur-Weltklimakonferenz/!6129428
(DIR) [4] https://kickbigpollutersout.org/Release-Kick-Out-The-Suits-COP30
(DIR) [5] https://www.imperial.ac.uk/grantham/research/climate-science/modelling-tropical-cyclones/typhoon-fung-wong/
## AUTOREN
(DIR) Jonas Waack
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