# taz.de -- CDU in Ost und West: Vom Stadtbild zum Streitbild
> Wie sieht ein zeitgemäßer Konservatismus aus? Nora Zabel und Ruprecht
> Polenz sprechen über die CDU zwischen Haltung und Spaltung.
Was heißt es heute, konservativ zu denken? Um diese Frage zu klären, hat
sich Dennis Chiponda zwei Gäste eingeladen. [1][Nora Zabel ist 29 Jahre
alt, ostdeutsch und engagiert sich in der Kommunalpolitik der CDU.] Sie ist
ehemalige Podcasthost (Womensplaining), Autorin für Die Zeit und Cicero
sowie Buchautorin.
Ruprecht Polenz ist 1946 im sächsischen Großpostwitz geboren, seine Familie
verließ jedoch in seiner Kindheit die DDR. Er war langjähriger
Bundestagsabgeordneter, war im Bundestag Vorsitzender des Auswärtigen
Ausschusses und Generalsekretär der CDU. Mit [2][Compass Mitte] hat er nun
innerhalb der CDU eine Plattform mitbegründet, die einen Kurswechsel der
Partei fordert: eine stärkere Ausrichtung auf das Soziale und eine klare
Abgrenzung zur AfD.
Was bedeutet der Konservatismus für die beiden CDU-Politiker*innen? Polenz
beschreibt die CDU als Partei mit drei Strömungen: einer liberalen, einer
christlich-sozialen und einer konservativen. Während die konservative
Strömung in erster Linie das Bewahren betone, gebe das Christlich-Soziale –
also das C im Parteinamen – den Maßstab dafür, was bewahrt werden solle.
Dabei spiele Gerechtigkeit im christlichen Sinne, als Hilfe zur
Selbsthilfe, eine wichtige Rolle.
Deshalb sehe er sich in erster Linie als Christdemokrat. „In eine KDU wäre
ich nicht eingetreten.“, sagt er. In den letzten Jahren habe sich die CDU
jedoch zunehmend auf das Konservative reduziert. Und erreiche deswegen
keine Mehrheiten mehr.
## Historische Verwantwortung
Zabel berichtet, sie habe sich erst nach Angela Merkels Amtszeit intensiver
mit dem Konservatismus auseinandergesetzt, als innerparteiliche
Flügelkämpfe sichtbar wurden. Sie sei als Jugendliche zur Jungen Union
gekommen, weil in ihrem Heimatort nur die SPD und die CDU vertreten gewesen
seien. Alle ihre Freunde seien bei der Jungen Union gewesen, als
ostdeutsche Frau habe sie sich dort wohler gefühlt. Doch mit dem Erstarken
des konservativen Flügels, habe sie gemerkt: So wie dort über Menschen
gesprochen wird, will sie nicht sprechen.
Polenz hält einen bestimmten Konservatismus jedoch für essenziell für die
Demokratie. Während progressive Parteien neue Ideen für die Gesellschaft
entwickeln, prüfe der Konservatismus, was davon wirklich tragfähig ist.
„Deshalb bin ich zum Beispiel davon überzeugt, dass in der jetzigen
Konstellation die Zusammenarbeit zwischen Union und Grünen das ideale
Bündnis ist.“, meint Polenz. Die einen sprudelten vor Ideen, die anderen
wüssten, was sich bewährt.
Polenz und Zabel sind sich einig: Mit Blick in die Geschichte trägt die CDU
eine besondere Verantwortung für die Demokratie., „Weil wir damals eben die
Machtbeschaffer für Hitler waren.“, sagt Zabel.
## Umgang mit der AfD
Umso kritischer sieht Polenz den derzeitigen Kurs der CDU, die zunehmend
Vokabular und Themen der AfD übernehme. Wenn man in andere Länder blicke,
wo diese Strategie schon lange probiert werde, sehe man: Dort „gibt es die
Konservativen nicht mehr.“ Stattdessen werde deutlich, dass diejenigen die
Wahl gewinnen, deren Themen diskutiert werden. Wenn die CDU also vor allem
auf die Migration setze, profitiere letztlich die AfD.
Zabel fordert stattdessen, dass die CDU viel häufiger mit Menschen direkt
ins Gespräch geht, gerade dort, wo die AfD hohe Wahlergebnisse erzielt.
Statt die AfD-Narrative zu übernehmen, solle sie Plattformen für
demokratische Debatten bieten. Aber das sei eben auch harte Arbeit.
Polenz plädiert dafür, die Abgrenzung zur AfD auch auf kommunaler Ebene
konsequent einzuhalten. Dort gebe es immer mehr Beispiele, wo CDU und AfD
zusammenarbeiten, obwohl auf Bundesebene die Brandmauer beschlossen sei. Er
erinnert daran, welche Ziele die AfD verfolgt: Sie wolle als normale Partei
angesehen werden und sie wolle die CDU vernichten. „Und da frage ich mich,
wie kann ich denn in einem Landkreis mit einer Partei zusammenarbeiten, die
eigentlich meine Partei vernichten will?“ Jede gemeinsame Abstimmung
normalisiere die AfD und vertiefe die Spaltung unter den demokratischen
Parteien
Für Zabel ist deshalb entscheidend: „Meine Erwartung an meine Partei ist
einfach […], dass wir das Land einen und nicht spalten. Und sei es einfach
durch subtile Äußerungen, dass man versucht, alle Menschen mitzumeinen,
niemanden auszuschließen und gerade in Wahlkämpfen nicht auf Kosten von
Minderheiten versucht, Stimmen zu sammeln. Und dass man populistischen
Parteien widerstehen kann und denen nicht nach dem Mund redet.“
„Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der [3][taz Panter Stiftung].
Er erscheint jede Woche Sonntag auf [4][taz.de/mauerecho] sowie überall, wo
es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm.
16 Nov 2025
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