# taz.de -- Treuhand und Transformation: Ausverkauf des Ostens oder ökonomische Realität?
       
       > Die Treuhand löst bis heute ein emotionales Echo aus. Andrea Diekmann und
       > Sonja Leinkauf im Gespräch über die umstrittene Behörde.
       
       In der aktuellen Folge Mauerecho spricht Dennis Chiponda mit Andrea
       Diekmann und Sonja Leinkauf über die [1][Treuhand] und die
       Transformationsprozesse im Osten in den 90er-Jahren.Andrea Diekmann ist
       Juristin und kam als junge Frau von Bielefeld nach Berlin zur Treuhand.
       Dort war sie für den Bereich Umwelt und Altlasten zuständig. Ihre Aufgabe
       war es, dafür zu sorgen, dass durch Bodenkontaminationen niemand zu Schaden
       kam. Sonja Leinkauf war in der DDR Soziologin im Institut für
       sozialistische Wirtschaftsführung. Nach der Wende wurde sie
       Pressesprecherin der Telekom im Aufbau Ost. Die Telekom war in dieser Zeit
       dafür zuständig, das gesamte Telekommunikationsnetz in den ostdeutschen
       Bundesländern aufzubauen.
       
       Als 1989 die Mauer fiel, befand sich Diekmann gerade in der Abschlussphase
       ihres Jurastudiums. Nach den Prüfungen wartete in einer Kanzlei in
       Bielefeld ein fester Arbeitsvertrag auf sie. Ein Freund überzeugte sie
       jedoch, zur neu gegründeten Treuhandanstalt in Berlin zu gehen, die mit der
       Abwicklung des sozialistischen Wirtschaftssystems beauftragt war. Die
       Aufbruchstimmung habe sie damals angesteckt. Alle hätten damals dazu
       beitragen wollen, dass die Wiedervereinigung funktioniert.
       
       Sonja Leinkauf konnte in den ersten Nächten nach dem Mauerfall nicht
       schlafen. Sie war überzeugte Sozialistin und träumte von einem „Dritten
       Weg“, einem demokratischen Sozialismus. Doch ziemlich schnell zeichnete
       sich ab: Der Kapitalismus wird kommen. Das Institut für sozialistische
       Wirtschaftsführung, an dem sie forschte, wurde in „Zentrum für
       Unternehmens- und Wirtschaftsführung“ umbenannt. „Also so ein bisschen nach
       westlichem Stil.“
       
       Als Soziologin konnte sie im wiedervereinigten Deutschland nicht
       weiterarbeiten. Die Theorien, mit denen Wissenschaftler*innen im
       Westen arbeiteten, durfte sie in der DDR nicht lesen. Sie begann im
       PR-Bereich zu arbeiten und landete durch Zufall als Pressesprecherin bei
       der Telekom.
       
       ## Alles wertlos?
       
       Sie gilt damit als eine der wenigen, die in Ostdeutschland von der Wende
       profitierten. „Ich war von heute auf morgen plötzlich in einem Vorstand
       eines großen Unternehmens, das auf dem Weg zur Privatisierung war“, sagt
       sie. Vier Jahre lang habe sie sich die Frage gestellt: „Bin ich ein
       Wendehals oder nicht?“
       
       Viele Ostdeutsche blicken weniger positiv auf die Wende zurück; für manche
       von ihnen ist die Treuhand bis heute ein rotes Tuch. Leinkauf bedauert,
       dass man die Betriebe nur nach marktwirtschaftlichen Maßstäben bewertet
       habe. Es habe eine Sensibilität für die Menschen im Osten gefehlt. Hätte
       man manche Betriebe, die von der Treuhand abgewickelt wurden, vielleicht
       retten können?
       
       „Ich habe in vielen Unternehmen persönlich gestanden, um sagen zu können:
       Vieles war einfach ganz wenig wert. Das ist unter menschlichen Aspekten
       traurig, aber wirtschaftlich war es einfach so“, meint Diekmann. Sie
       versteht aber auch den Frust. „Selbstverständlich kann ich das menschlich
       nachvollziehen, wie enttäuschend das ist, wenn man denkt, man hat den Fuß
       in der Tür, in die Zukunft des Kapitalismus, und dann wird einem die Tür
       vor der Nase zugeschlagen. Das ist natürlich maximal enttäuschend.“
       
       ## Kulturelle Unterschiede
       
       Im Gespräch stellen Diekmann und Leinkauf fest, dass ihre jeweils
       unterschiedliche Sozialisation sie bis heute prägt. Diekmann erzählt, dass
       sie damals manche Gewohnheiten ihrer ostdeutschen Mitarbeiter*innen
       nicht verstanden habe. Und ihnen sei es umgekehrt ähnlich gegangen. Es
       musste eine große kulturelle Annäherung stattfinden, stellt Chiponda fest.
       
       Leinkauf vermisst dieses gegenseitige Interesse bis heute. Viele im Westen
       seien nicht interessiert an der Vergangenheit der Ostdeutschen. Auf beiden
       Seiten verfalle man in ein Schwarz-Weiß-Denken. „Weder ist der Osten
       schlecht und der Westen toll, noch umgekehrt. Da gibt es Schattierungen,
       und die müssen wahrgenommen werden!“
       
       Die nächste Mauerecho-Folge (und die letzte des Jahres 2025) wird am 14.
       Dezember veröffentlicht. Wegen Krankheit fällt die Folge am 7. Dezember
       aus. Hier könnt ihr den Ankündiger vom Moderatoren Dennis Chiponda hören:
       
       Zu Gast am 14. Dezember werden die Ostfluencerin [2][Olivia Schneider], die
       sich auf ihrem Instagram-Kanal intensiv mit ostdeutscher Küche beschäftigt,
       und die Foodfluencerin [3][Anna Rommers], bekannt als
       „Gewürzgurken-Gourmand“.
       
       Gemeinsam werden wir weihnachtliche Süßigkeiten probieren und bewerten und
       darüber sprechen, wie Weihnachten in Ost und West gefeiert wird. Wie
       unterscheiden sich die Traditionen in beiden Landesteilen? Und wie wird
       Essen als Kulturgut in (binationalen) Familien weitergetragen? Außerdem
       verraten sie ihre besten Tipps, um hitzige Weihnachtsdiskussionen entspannt
       zu meistern.
       
       „Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der [4][taz Panter Stiftung].
       Er erscheint jede Woche Sonntag auf [5][taz.de/mauerecho] sowie überall, wo
       es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm.
       
       30 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Treuhand/!t5238074
 (DIR) [2] https://www.instagram.com/tumvlt/?hl=de
 (DIR) [3] https://www.instagram.com/russischraclette/?hl=de
 (DIR) [4] /stiftung
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dennis Chiponda
       
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