# taz.de -- Deutsch-chinesische Beziehungen: Der China-Schock 2.0 trifft die deutsche Industrie mit Wucht
> Lange Zeit machten deutsche Unternehmen auf dem chinesischen Markt gute
> Geschäfte. Doch das war immer nur ein Deal auf Zeit. Die ist nun vorbei.
(IMG) Bild: Im Hafen von Nanjing in der chinesischen Provinz Jiangsu warten Pkws darauf, für den Export verladen zu werden, am 31. 10. 2025
Im deutschsprachigen Raum werden sich wohl nur mehr wenige Experten an den
sogenannten „China-Schock“ erinnern. Kein Wunder, war man doch selbst nicht
von den wirtschaftlichen Disruptionen betroffen, sondern vielmehr dessen
Nutznießer. In den USA hingegen, wo der rasante Anstieg chinesischer
Exporte ganze Industrien erodieren ließ, sind die traumatischen Erfahrungen
während der 2000er Jahre noch tief im kollektiven Gedächtnis verankert.
Was damals passiert ist: Im Zuge von Pekings Beitritt zur
Welthandelsorganisation (WTO) 2001, der damals von Washington grundsätzlich
befürwortet wurde, erhielten chinesische Unternehmen über Nacht Zugang zu
den globalen Märkten. Aufgrund ihrer Skalen-Effekte, gemischt mit einer
extrem preisgünstigen Fertigung, haben sie die Konkurrenz aus dem Westen
schnell überholt.
Doch gleichzeitig hat der chinesische Staatskapitalismus stets mit unfairen
Karten gespielt: Die versprochenen Liberalisierungen und Marktöffnungen,
die Pekings Parteiführung mit dem WTO-Beitritt versprochen hat, hat sie in
vielen Bereichen bis heute nicht umgesetzt. Auch die exzessiven staatlichen
Subventionen verstoßen gegen das WTO-Regelwerk. Hinzu kommt eine
systematische Währungsmanipulation: Die chinesische Zentralbank hat den
Yuan künstlich abgewertet, um die Exporte günstiger zu halten.
## Der erste „China-Schock“ traf die USA
[1][Die Disruptionen trafen damals vor allem die USA], weil China vor allem
in jenen Branchen die Märkte flutete, in denen zuvor amerikanische Firmen
stark vertreten waren: Stahlproduktion, Haushaltselektronik, Textil. Ganze
Regionen zwischen der Ost- und Westküste der Vereinigten Staaten waren
plötzlich von Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit betroffen. Die
sozialen und politischen Umwälzungen wirken bis heute nach. [2][Donald
Trumps Wahlerfolge] sind durchaus auch eine Folge dieses massiven
Strukturwandels.
Rund 20 Jahre später scheint sich die Historie zu wiederholen. Im Zuge der
Immobilienkrise und auch dem Ende des Baubooms setzt Peking für sein
Wirtschaftswachstum wieder verstärkt auf Exporte. Diesmal jedoch trifft die
Konkurrenz aus China nicht mehr die US-Betriebe, sondern die
Schlüsselindustrien der Deutschen. Denn praktisch alle Branchen, in denen
deutsche Platzhirsche führend waren, hat Xi Jinping in seinen
Fünfjahresplänen zur Chefsache auserkoren: das prominenteste Beispiel ist
die Autobranche, gefolgt von Chemie, Solarindustrie und Robotik.
Die Statistiken lassen keinen Zweifel: Der alte Exportweltmeister wurde
längst von seinem Nachfolger entthront. Deutschland hat mit seiner starken
Präsenz auf dem chinesischen Markt während der letzten drei Jahrzehnte zwar
immense Gewinne einfahren können. Doch die Unternehmen haben nicht
realisiert, dass es sich keineswegs um eine langfristige
Handelspartnerschaft handelte, sondern lediglich um einen Deal auf Zeit:
Durch erzwungene Joint Ventures und Wissenstransfer hat der chinesische
Staat die deutschen Firmen nur so lange geduldet, bis man sie nicht mehr
benötigt.
## Das Machtverhältnis ist gekippt
An der Handelsbilanz lässt sich das gekippte Machtverhältnis ablesen.
Während China immer weniger Produkte aus Europa – und insbesondere auch aus
Deutschland – importiert, sind die [3][Exporte von dort im Gegenzug stark
angestiegen].
Nun steht Deutschland vor einem scheinbar unlösbaren Dilemma: Wie es
nämlich umgehen soll mit einer Volkswirtschaft, von der man sich stark
abhängig gemacht hat, jedoch vom gemeinsamen Handel immer weniger
profitiert?
Natürlich könnte die Bundesrepublik – beziehungsweise der gesamte EU-Raum –
das chinesische Modell kopieren, um wettbewerbsfähig zu werden. Bei näherer
Betrachtung erscheint dies nicht wünschenswert: Denn der Erfolg der
Chinesen beruht nicht nur auf einem gelenkten Staatskapitalismus, sondern
auch auf einer künstlichen Abwertung der eigenen Währung und der
Arbeitslöhne. Anders ausgedrückt: Der Erfolg der chinesischen
Volkswirtschaft wird in Teilen auf dem Rücken der Privathaushalte
ausgetragen, die nicht ausreichend von den immensen Exporterfolgen
profitieren.
## Was Deutschland von China lernen kann
Sehr wohl sollte Deutschland allerdings in einigen anderen Punkten von der
Industriepolitik Chinas lernen: Peking hat gezielt strategische
Zukunftsbranchen ausgewählt und dort systematisch ein fruchtbares Ökosystem
etabliert, in dem wettbewerbsfähige Betriebe gedeihen konnten. Ebenso ist
die Volksrepublik so konsistent vorgegangen, wie es Demokratien kaum
schaffen. Denn jene Planbarkeit, die deutsche Unternehmen im Zuge
wechselnder Koalitionen zu Recht bemängeln, ist in den chinesischen
Fünfjahresplänen tief verankert.
16 Nov 2025
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(DIR) Fabian Kretschmer
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