# taz.de -- Gericht erlaubt Zwangsvollstreckung: Tierleid bleibt Geschäftsgeheimnis
       
       > Schweinebetäubungsbilder müssen weg: Oldenburgs Oberlandesgericht
       > bewertet Schweine-Unternehmenspersönlichkeitsrecht höher als
       > Meinungsfreiheit.
       
 (IMG) Bild: Legale Aufnahmen beweisen: Den Tieren im Schlachthof Brand könnte es nicht besser gehen
       
       Manchmal verbreiten negative Gerichtsentscheidungen auf den zweiten Blick
       Hoffnung. So könnte der jetzt öffentlich gewordene Beschluss des
       Oberlandesgerichts Oldenburg von Anfang November, der ihnen keinen Aufschub
       bei der Zwangsvollstreckung einräumt, wirken, [1][als solle er den zwei
       Tierrechtsaktivist*innen des Vereins Animal Rights Watch (Ariwa) die
       Luft abdrehen.] Und doch …
       
       Aber der Reihe nach: Anna Schubert und Hendrik Haßel waren verbotenerweise
       heimlich in den Schlachthof [2][des Unternehmens Brand Qualitätsfleisch in
       Lohne eingedrungen, um dort Kameras anzubringen]. Die Videoaufnahmen von
       der quälerischen CO₂-Betäubung vor der Tötung der Schweine hatten sie dann
       Ariwa zur Veröffentlichung überlassen. Zu Unrecht, urteilte das Landgericht
       Oldenburg Mitte Juli.
       
       Es hatte sie also dazu verdonnert, den Film von der Homepage des Vereins
       entfernen zu lassen. Bei Zuwiderhandlung: Zwangsgeld in astronomischer
       Höhe. [3][Zwar ist die Berufung noch anhängig.] Trotzdem hatte das
       Schweinetötungsunternehmen die Vollstreckung betreiben wollen. Und den
       Antrag der Aktivist*innen, sie auszusetzen, hat nun, eine Etage höher, der
       13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts zurückgewiesen.
       
       ## Nicht alles ist verboten
       
       Wie gesagt, hört sich an, als hätte sich nichts geändert. Aber in so einen
       Beschluss fließen immer auch juristische Winke, Bewertungen und
       Präzisierungen des vorherigen Urteils ein. So hat das Oberlandesgericht nun
       die Auslegung des Schlachtfabrikbesitzers, nach der „jedwedes Verbreiten
       und/oder Verbreitenlassen der Videoaufnahmen untersagt“ sei, für falsch
       erklärt. Das Urteil beziehe sich nur auf das konkrete Video und dessen
       Publikation.
       
       Auf andere Veröffentlichungen der Bilder gehe es nicht ein. „Konkret
       bedeutet das, ich muss lediglich darauf hinwirken, dass Ariwa das Video
       entfernt“, so Schubert zur taz. „Aus der Presse muss ich das Material
       jedoch nicht zurückholen, und ich darf es auch weiterhin auf unserem
       Schlachthofprozess-Instagramkanal verwenden.“
       
       Der Wert der Bilder ist hoch: Die CO₂-Betäubung ist in der EU die häufigste
       Methode, Schweine vor der Tötung ruhigzustellen. Allein in Deutschland
       werden über 40 Millionen Schweine im Jahr ins Gas geschickt. Obschon aus
       Tierschutzgründen eingeführt, verursacht es deutliches Tierleid: Das ist
       wissenschaftlich [4][seit den 1970er-Jahren klar belegt]. Laut
       Bundeslandwirtschaftsministerium reagieren die Schweine mit [5][Aversion,
       Atemnot und Fluchtreaktion auf den Anstieg der Kohlendioxidkonzentration].
       Die Fachliteratur erwähnt durchgängig auch „das Thema Vokalisation“.
       
       Heißt auf Deutsch: Die Tiere quieken panisch um Hilfe. Das wissend hatte
       der Rat diese Ergebnisse 2009 beim Erlass der EU-Schlachtverordnung
       beiseitegelassen, „aus wirtschaftlichen Gründen“, aber eben doch
       festgestellt, es sei „wichtig, diese Diskussion in Zukunft fortzusetzen“.
       Ein Fall also für die Meinungsbildung.
       
       Nur fehlt der halt das Anschauungsmaterial, zumal von den üblichen
       Paternosteranlagen, also einem Fahrstuhlsystem, bei dem Schweine in
       Stahlkoben in eine finstere CO₂-Senke hinabgelassen und dann betäubt wieder
       zum Ausbluten hochgefahren werden. Der NDR hat nach eigenen Angaben bei
       sechs Schlachthöfen [6][vergeblich versucht, eine Drehgenehmigung in einer
       solchen Anlage zu bekommen.]
       
       Noch nicht einmal dem im Frühjahr beendeten, vom Bund initiierten
       Forschungsprojekt „Tiger“ zu tierschutzgerechter Gasbetäubung, das alle
       Probleme der CO₂-Betäubung reproduziert hat, war es möglich gewesen, ein
       solches Todesriesenrad zu beobachten. Bilder davon gab es bislang nur von
       Ariwa, dank der Aufnahmen von Schubert und Haßel. „Die Industrie versucht
       recht klar, eine Aufklärung über diese Problematik zu verhindern“, so
       Haßel.
       
       Immerhin, das ist für den weiteren Verlauf wichtig: Oldenburgs OLG stellt
       in seinem jetzigen Beschluss fest, dass es sich beim Bilderverbot um einen
       „Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung“ handelt, der Schubert
       und Haßel daran hindert, durch ihr Videomaterial auf die öffentliche
       Meinungsbildung einzuwirken.
       
       ## Raus aus dem Schweineland
       
       Klar, es hält das Interesse des Schlachterfamilienbetriebs hoch, seine
       „innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten“. Und
       auch bewertet der 13. Zivilsenat den Schutz des
       Schweineunternehmerpersönlichkeitsrechts höher als das Grundrecht auf
       Meinungsfreiheit.
       
       Viel Hoffnung auf die Berufung macht [7][diese gar nicht so orthodoxe
       Gewichtung] also nicht. Doch wie sollte das im von der Oldenburger
       Lokalzeitung NWZ nicht ohne Stolz als „Schweineland Nummer 1“ [8][gerühmten
       Niedersachsen auch anders sein]. Karlsruhe aber liegt in Baden-Württemberg.
       
       12 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Klage-gegen-Tierrechtlerinnen/!6104126
 (DIR) [2] /Schlachter-verklagt-Tierrechtlerinnen/!6090208
 (DIR) [3] /Tierschuetzer-legen-Berufung-ein/!6102036&s=Schweine+Bet%C3%A4ubung&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [4] https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2004.45
 (DIR) [5] https://service.ble.de/ptdb/index2.php?detail_id=16797376&ssk=PTDB-alles&site_key=141&tKat=6004&zeilenzahl_zaehler=304&NextRow=130
 (DIR) [6] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Straftaten-fuer-Tierschutz-Warum-machen-Aktivisten-das,schweine904.html
 (DIR) [7] https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=e7bada09597c2f4cae38a1e0e07b3faa&nr=79174&pos=0&anz=1
 (DIR) [8] https://www.nwzonline.de/wirtschaft/niedersachsen-schweineland-nummer-eins_g_2,0,600816443.html#
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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