# taz.de -- Neuer Femizid-Gedenkort in Leipzig: Ein Mahnmal reicht nicht
       
       > In Leipzig soll ein Gedenkort für die Opfer von Femiziden entstehen. Um
       > Gewalt gegen Frauen zu verhindern, braucht es auch Geld für
       > Hilfsprojekte.
       
 (IMG) Bild: Demonstrierende am feministischen Kampftag sind laut für die Opfer von Gewalt, 8. März 2025, Leipzig
       
       Es mag gut gemeint sein: Im Leipziger Stadtrat wurde in diesem Jahr ein
       neuer Gedenkort im öffentlichen Raum beschlossen. Wie es im
       Beschlussvorschlag zum Haushaltsantrag von Stadträtinnen der Fraktionen
       Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD sowie eine Stadträtin der Partei
       Die Partei heißt, soll dieser Ort „zur Prävention nicht nur von
       [1][Femiziden] selbst, sondern auch von sexueller und häuslicher Gewalt,
       die einem Femizid häufig vorangehen“ dienen.
       
       An der Ausarbeitung des Antrags beteiligt [2][waren auch die Leipziger
       Ortsgruppe] #keinemehr und der Phia e. V., der sich gegen Gewalt gegen
       Frauen einsetzt. Mit einer stattlichen Summe von insgesamt 140.000 Euro
       soll das Projekt nun umgesetzt werden.
       
       Es wird der erste behördlich beschlossene Gedenkort dieser Art und
       Größenordnung in Deutschland sein, lediglich in München ist ein ähnlich
       umfangreiches Vorhaben in Planung. In Osnabrück schuf die Künstlerin Irène
       Mélix bereits 2024 [3][ein dreiteiliges Femizid-Mahnmal], das das
       internationale Hilfezeichen für häusliche Gewalt zeigt: eine offene, flache
       Hand, eine offene Hand mit eingeklapptem Daumen und eine geballte Faust.
       
       Ein offizieller Gedenkort „generiert Aufmerksamkeit, schafft
       Sensibilisierung, die Bündelung von Akteur:innen und von Expertise“,
       sagt #keinemehr Leipzig der taz. So wird jenes Thema dauerhaft und für alle
       sichtbar in die Öffentlichkeit geholt, was bis heute nicht selten als
       „Beziehungsdrama“ oder „partnerschaftlicher Konflikt“ beschönigt wird.
       
       Im besten Fall irritieren solche Orte und fordern uns heraus, tätig zu
       werden. So wie im Fall des Osnabrücker Mahnmals, das in seiner Schlichtheit
       einen stummen Hilferuf darstellt. Dass ein solches Handzeichen überhaupt
       existieren muss, ist erschreckend. Dass es international bekannt ist und
       während der Coronapandemie auf Tiktok viral ging, ebenfalls. Gedenkorte
       führen uns plastisch vor Augen: Gewalt an Frauen hat System.
       
       ## Sensibler Umgang mit Opfern
       
       Die Leipziger Ortsgruppe von #keinemehr und Phia e. V. sind an der
       Ausgestaltung des Ortes beteiligt. Wie der Leipziger Gedenkort aussehen
       soll, ist noch unklar, fest steht lediglich, dass es sich um eine dauerhaft
       installierte künstlerische Arbeit handeln soll. Denkbar ist ein ähnliches
       Mahnmal wie in Osnabrück, möglich aber auch eine über die Stadt verteilte
       Installation, bei der beispielsweise an Tatorten Gedenktafeln aufgestellt
       werden, ähnlich den Stolpersteinen.
       
       Für #keinemehr Leipzig und Phia e. V. besteht die Schwierigkeit vor allem
       darin, sensibel mit den Opfern umzugehen. Dabei stellen sie sich Fragen
       wie: „Wie beziehen wir die Namen und Geschichten der Betroffenen ein? Wie
       detailliert schildern wir die Gewalt?“ Das ist wichtig, um Gedenken zu
       ermöglichen, ohne die Opfer einem entstellenden Voyeurismus preiszugeben.
       Auch deswegen sollten aktivistische Gruppen an der Umsetzung beteiligt
       sein.
       
       Ohne ihren Input besteht eine weitere Gefahr: dass diese Orte zur reinen
       Symbolpolitik verkommen. Ein offizieller Gedenkort sorgt zwar für
       Sichtbarkeit, es darf jedoch nicht nur dabei bleiben. Die Aufarbeitung von
       Femiziden könnte von politischer Seite als abgeschlossen verbucht werden,
       wenn ein physischer Ort eingerichtet ist – schließlich hat man ja bereits
       eine ordentliche Summe dafür ausgegeben. Für eine solche reine
       Symbolpolitik ist das Thema zu drängend und die Umstände bedrohter Frauen
       zu lebensgefährlich.
       
       Geld für ihre Unterstützung fehlt an allen Ecken und Enden. Im Jahr 2022
       wurden über 16.000 Frauen aus Platzmangel bei Frauenhäusern abgewiesen.
       Ähnlich prekär ist es für [4][Fachberatungsstellen, wie beispielsweise den
       Tilda-Fonds], die sich zum großen Teil aus Spenden finanzieren und auf
       ehrenamtliche Arbeit angewiesen sind. Auch Gruppen wie die [5][Initiative
       Edelgard aus Köln], die auf Konzerten, an Karneval und bei Festivals
       Betroffene von sexualisierter Gewalt unterstützt, arbeiten mit knappen
       Mitteln. Ist es also wirklich ein Mahnmal für 140.000 Euro, das jetzt
       gebraucht wird?
       
       Die Kulturwissenschaftlerin [6][Aleida Assmann] beschreibt in ihrem Buch
       „Der lange Schatten der Vergangenheit“, wie komplex offizielles Gedenken
       ist und was es braucht, um Missstände zu verändern. Was sie dort für das
       Gedenken an die Shoah beschreibt, lässt sich in Teilen auch auf
       Femizidgedenken übertragen.
       
       ## Es braucht lebendiges Gedenken
       
       Ein Gedenkort trage nur dann zu einer aktiven Erinnerungskultur bei, wenn
       er nicht einfach nur als eine Art Blitzableiter der eigenen Schuld
       funktioniere, sondern zur tatsächlichen Reflexion einlade: durch
       Partizipation, durch Information, durch das stetige Lebendighalten der
       Diskussion. Nur so könne ein solcher Ort auch präventiv zukünftige Gewalt
       verhindern.
       
       Genau dieses lebendige Gedenken ist auch der Wunsch der aktivistischen
       Gruppen. Im Prinzip kann ein Gedenkort allerdings immer nur ein Baustein in
       einem komplexen Gefüge von Gedenken sein.
       
       Wichtig dabei, so beschreibt es Assmann ebenfalls, sei, dass Erinnerung zum
       Ritual werde, beispielsweise in Form von jährlichen Gedenktagen, wie dem
       Internationalen [7][Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25.
       November]. So wird das Vergangene regelmäßig in die Gegenwart zurückgeholt
       und es besteht die Möglichkeit für ein kollektives Erleben, kurz: ein
       geteilter Raum für Trauer, Erinnerung, Anklage, Mahnung.
       
       Man darf gespannt sein, ob die Politik die Anregungen der selbst
       organisierten Initiativen ernst nimmt und es gelingt, einen Ort zu
       erschaffen, an dem genau dies möglich ist. Und das flächendeckend auch an
       anderen Orten Deutschlands. Wann der Gedenkort in Leipzig eröffnet wird,
       ist unklar. Noch wurden die beschlossenen Gelder nicht freigegeben.
       
       25 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neue-Studie-ueber-Femizide/!6126578
 (DIR) [2] https://keinemehrleipzig.noblogs.org/
 (DIR) [3] /Femizid-Mahnmal-in-Osnabrueck/!5984443
 (DIR) [4] /Sexualisierte-Gewalt/!6005358
 (DIR) [5] /Initiative-gegen-sexualisierte-Gewalt/!6109352
 (DIR) [6] /Interview-mit-Aldeida-Assmann/!vn6059398/
 (DIR) [7] /Internationaler-Tag-zur-Beseitigung-von-Gewalt-gegen-Frauen/!t5360562
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lea Sauer
       
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